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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Dörner, Gerald [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 2. Teilband): Die Territorien und Reichsstädte (außer Straßburg) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.30662#0368
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Münster im Münstertal

4. Mandat zum Kirchenbann, 13. September 1578 (Text S. 388)
Der Erlaß des „Mandats von der Excommunication oder dem christlichen Bann“ im September 1578 wird
vom Münsterer Magistrat mit der weiter zunehmenden Zahl der Fälle von Ehebruch, Hurerei und Unzucht
begründet. Dieser Entwicklung suchten die Ratsherren durch das vermehrte Verhängen von Ehr- und
Prangerstrafen und durch die Drohung mit der Anwendung des Kirchenbanns zu begegnen. Zur Legiti-
mation des Banns beriefen sie sich dabei zum einen auf die seit den Anfängen der Christenheit von der
Kirche und ihren Dienern ausgeübte Binde- und Lösegewalt, zum anderen auf die bei anderen Ständen des
Augsburger Bekenntnisses bestehende Gewohnheit, unbelehrbare Mitglieder aus der Gemeinde auszu-
schließen79. Die Ausübung des Kirchenbanns wird den beiden Pfarrern in Münster und Mühlbach über-
tragen. Unterstützt werden sollen sie durch vier aus den Reihen des Rates und der Gemeinde berufene
Kirchenpfleger. Die Rolle der Kirchenpfleger in Münster ist also eine deutlich andere als die ihrer Kollegen
in Straßburg, wo die Kirchenpfleger eine eigenständige Einrichtung neben der Pfarrerschaft bildeten und
die Aufsicht über das Leben und die Lehre der Geistlichen und der Gläubigen führten. Nicht die Pfarrer,
sondern die Kirchenpfleger übten in Straßburg die eigentliche Disziplinargewalt aus und luden fehlbare
Gemeindeglieder vor80.
Der Kirchenbann umfaßt den Ausschluß der betreffenden Personen vom Abendmahl und von der Taufe
(letzteres meint wohl die Nichtzulassung zum Patenamt). Neben den Fällen von Ehebruch, Hurerei und
Unzucht soll der Bann auch bei anderen in der Kirchenordnung von 1575 aufgeführten Vergehen wie Got-
teslästerung, Spielen und Zutrinken Anwendung finden, wenn der Betreffende sich gegenüber den Ermah-
nungen der Pfarrer und Kirchenpfleger als unzugänglich erweist. Die Wiederzulassung zu den Sakramenten
geschieht erst nach einem öffentlichen Schuldbekenntnis und der Bitte um Vergebung vor der versammelten
Kirchengemeinde.
Zur Vermeidung von Ehen unter Verwandten oder Verschwägerten wird in dem Mandat auf eine vom
Rat erlassene Ordnung zu den erlaubten und verbotenen Graden der Verwandtschaft und Schwägerschaft
hingewiesen. Die Brautleute sind verpflichtet, sich bei den Pfarrern und Kirchenpflegern zu erkundigen, ob
die geplante Ehe nach dieser Ordnung zulässig oder unzulässig ist; anderenfalls kann die Ehe nachträglich
für nichtig erklärt werden. Etwaige Kinder aus dieser Verbindung sind nicht ehelich und nicht erbfähig. Die
genannte Ordnung scheint aber nicht mehr erhalten zu sein81.
5. Ordnung für die Schulmeister, 31. Oktober 1578 (Text S. 393)
Der Erlaß der Ordnung für die Schulmeister durch Bürgermeister und Rat am 31. Oktober 1578 steht in
Zusammenhang mit der in diesem Jahr erfolgten Gründung der Schule in Mühlbach82. Mit ihr erhielten die
Orte des Großtals eine eigene Schule. Außer in Mühlbach gab es sonst nur noch in Münster selbst eine
Schule. Die Kinder mußten also in der Regel lange Wege auf sich nehmen, wenn sie die Schulen an einem der
beiden Pfarrorte besuchen wollten. Auf Vorschlag des Präsidenten des Straßburger Kirchenkonvents Johan-
nes Marbach wurde Caspar Spohn zum ersten Schulmeister in Mühlbach berufen. Spohn stammte aus
Ravensberg in Westfalen und hatte in Straßburg die Akademie besucht83. In Münster hatte die Stelle des

79 Vgl. dazu TRE 5, Sp. 186-189.
80 Für die Kirchenpfleger in Straßburg vgl. Sehling,
EKO XX,1, S. 52f., 64f. sowie S. 225f. und 288f. Anträge
der Straßburger Pfarrer, ihnen die Ausübung des Bannes
zu gestatten, wies der Magistrat der Reichsstadt an der
Ill mehrfach strikt zurück.

81 Zu derartigen Ordungen vgl. z.B. Hanau-Lichtenberg,
Nr. 3 (vom 2. April 1565).
82 Vgl. Scherlen, Muhlbach, S. 36 sowie Bopp, Prote-
stantische Pfarrer II, S. 88 Anm. 8. Der Unterricht fand
anscheinend im Haus des Schulmeisters bzw. Helfers
statt.
83 Vgl. Bopp, Protestantische Pfarrer II, S. 89.

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