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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Dörner, Gerald [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 2. Teilband): Die Territorien und Reichsstädte (außer Straßburg) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.30662#0390
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Münster im Münstertal

Demnach der allmechtig, güettig Gott, unser himm-
lischer vatter, ohn allen zweifel umb unser großen
sünd und mißethat willen, so wir täglich und ohne
underlaß begehn, uns nun etlich vil jahr hero2 mit
allerley straffen, furnemblich aber die beharrlichen
und langwürigen schweren theürung und hungers
noth3, so dann mit ungewohnlichem gewitter und
darauß erfolgenden mißgewächs an korn, wein und
andern früchten, deßgleichen mit gantz beschwär-
lichen, sorglichen und hochschädlichen kriegen, da-
mit unser benachbarte beladen und noch seind, da
niemand wißen mog, wann uns dieselbigee berühren
und treffen möchten4, darzu mit vilen seltzamen,
erschröcklichen kranckheiten, gnediglich und vät-
terlich heimsucht fund sonders jetz derzeit uns mit
der abscheulichen kranckheit der pestilentz an-
greifftf5, daneben auch die zeit und läuff sich allent-
halben gantz geschwind6, sorglich und gefährlich
erzeigen, auß welchem anderst nichts dann der gött-
lichen mayestät durch uns hochg verursachter,
schwerer zorn, ungnad und wolverdiente straff zu
spüren und habzunemmen7 isth und aber solchem
allem durch kein ander mittel dann ablegung unsers
süntlichen lebens, wandels und wesens, antrettung
wahrer, rechtschaffner buß und eines christlichen,
fürnemmeni, gottseligen, erbarn, züchtigen lebens,
auch das täglich empsich, innbrünstig und | andäch-
tig gebett zu Gott, dem herren, abgewendt, seiner
göttlichen mayestät uber uns gefaßter zorn aufge-
halten, in deßelben außgeregte8 ruth gefallen, zu
gnaden wider bewegt und ferner noch ernstlichere,
unnachläßliche straff verhüettet und fürkommen

e C: dieselbige auch.
f-f Fehlt in C.
g C: allein.
h-hC: abzunemen, auch entlich zugewarten ist.
i C: frummen.
j C: alles jenig.
k Fehlt in C.

2 Zum Temporaladverb hero zur Beschreibung eines sich
bis zum Zeitpunkt des Sprechens erstreckenden Zeit-
raums (hier: seit vielen Jahren) s. FWb 7, Sp. 1833.
3 Aufgrund mehrerer Jahre mit verheerenden Mißernten
in Europa war es zu einer rapiden Verteuerung des Ge-
treides und in deren Gefolge zu Hungersnöten gekom-

werden mag, so hetten wir uns zu unsern burgern,
innwohnern, angehörigen, zugethonen und ver-
wandten in statt und thal gentzlich getröstet und
versehen9, es wurde ein jeder bey und fur sich selb-
sten solches alles zu gemüeth und hertzen geführt
und dasjenigj, damit der allmechtig beleidigt, zu
zorn bewegt und der nechst geärgert wirt, abgestel-
let, sich zu wahrer buß und beßerung geschickt und
also erzeigt und bewisen haben, das nicht noth ge-
wesen were, ferners gebürlichs einsehen vorzunem-
men.
Wann wir aber leider bis daher auch noch im werck
gespürt und befunden, das bey vilen alten und jun-
gen manns- und weibspersonen vast durchauß die
bisher gewehrte10 unerhöhrte theürungen, er-
schröckliche ungewitter, schwäre kranckheiten und
andere plagen und straffen Gottes wenig bedacht
oder angesehen werden, sonder nit desto weniger
mit verachtung göttlichen worts der predig deß h.
evangelii, so dan mit unzehlbaren sünden, als da ist
ehbruch, hurerey, unzucht, kuplerey, heimlichen
verlobungen und winckelehen, item gottslesteren,
fluchen, schwören, freßen, sauffen, spilen und an-
dere dergleichen greüliche sünd, schand und laster,
dadurch Gott, der herr, zu noch größerm und heff-
tigerem zorn bewegt, der nechst zuhöchst geärgert
und eins jeglichen zeitlicher und ewiger schaden und
entlich verderben befürdert, beharrlich und unnach-
läßlich fürgefahren wirt, | und wannk dann wir uns
von unsers tragenden ambts wegen schuldig wißen
und erkennen, ein solches, sovil immer menschlich

men. Vgl. dazu auch die Erläuterungen in Sehling,
EKO XX, 1, S. 90 (für Straßburg).
4 Gemeint sind wohl die kriegerischen Auseinandersetzun-
gen in Frankreich (vierter und fünfter Hugenottenkrieg)
und in den Niederlanden (Kampf gegen die Spanier).
5 Zu der das Münstertal im Sommer 1564 heimsuchenden
Pestwelle s. Nr. 1, Anm. 113. 1575 setzte im Reich eine
neue Pestwelle ein, die bis 1578 anhielt.
6 Unruhig, bedrohlich, s. FWb 6, Sp. 1407.
7 Zu erkennen, s. FWb 1, Sp. 261f.
8 Ausgestreckte.
9 Darauf vertraut und gehofft, s. FWb 6, Sp. 1751f. und
Grimm, DWb 25, Sp. 1238.
10 Währenden.

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