Hagenau
4. Brief der Stadt Hagenau an Kaiser Maximilian II. zur Rechtfertigung der Einführung der Reformation,
[nach 22. Oktober 1566] (Text S. 435)
Mit der Stellungnahme der Innsbrucker Räte vom November 1564, in welcher Hagenau auf der Grundlage
des Augsburger Religionsfriedens das Recht zur Einführung der Reformation zugebilligt worden war, wollte
sich Nikolaus Bollweiler nicht zufriedengeben. Er vertrat die Auffassung, daß die Städte der Dekapolis
wegen ihrer Treueverpflichtung gegenüber dem Oberlandvogt ohne dessen Zustimmung keine Änderung der
Religion vornehmen dürften. Diese Auffassung wollte Bollweiler notfalls auch militärisch durchsetzen89.
Einen so weitreichenden Schritt lehnte Erzherzog Ferdinand jedoch ab. Er wandte sich an seinen Bruder,
Kaiser Maximilian II., und bat ihn um die Entsendung einer Kommission nach Hagenau. Die Kommission
sollte die Stadt zur Rückkehr zum alten Glauben bewegen.
Am 16. Februar 1566 überreichte eine kaiserliche Delegation dem Hagenauer Magistrat ein Schreiben
Maximilians II. In diesem am 5. Januar in Linz ausgefertigten Brief hielt der Kaiser der Stadt vor, mit
ihrem Verhalten die jurisdiction, ober- und gerechtigkeit des Oberlandvogts, die sich nicht allein auf weltliche,
sondern auch fürnehmlich auf religion- unndt glaubenssachen erstrecke, verletzt zu haben90. In ihrer an die
Mitteilung für die Zünfte und das Schreiben an Herzog Christoph von Württemberg angelehnten Stellung-
nahme vom 18. März 1566 betonten Stettmeister und Rat hingegen, nur der Bitte eines Teils ihrer Bürger
entsprochen zu haben, der bislang außerhalb der Stadt den Gottesdienst besucht habe und während des
großen Sterbens ohne geistlichen Trost gewesen sei. Diesen Bürgern habe man eine leerstehende Kirche
überlassen und einen Prädikanten bestellt, ohne eine Änderung an der bestehenden Religion vorzunehmen
oder jemanden in seinem Glauben zu beeinträchtigen. Die im Brief Maximilians II. hervorgehobene Wei-
sungsbefugnis Erzherzog Ferdinands als Oberlandvogt wiesen Stettmeister und Rat mit dem Hinweis auf
den Status Hagenaus als Reichsstadt zurück91.
Die Stellungnahme Hagenaus wurde dem Kaiser auf dem Ausgburger Reichstag durch den Stettmeister
Rochus Botzheim übergeben. Botzheim vertrat dort zusammen mit dem Colmarer Syndicus Johannes
Kotzschareuter die Städte der Dekapolis92. Während des Reichstages gehörte Hagenau dem Rat der Stände
der Confessio Augustana an; es nahm an dessen Versammlungen teil und unterzeichnete auch dessen Reso-
lutionen93.
Mit seinem Schreiben vom 27. Juli erteilte Maximilian II. der Stadt Hagenau den förmlichen Befehl,
alle ohne die Zustimmung Erzherzog Ferdinands als Oberlandvogt eingeführten kirchlichen Neuerungen
umgehend rückgängig zu machen und den evangelischen Pfarrer und seinen Helfer wieder zu entlassen. Der
Kaiser erinnerte Hagenau dabei auch an das 1562 seinem Vater Ferdinand I. gegebene Versprechen, treu an
der alten Religion festhalten zu wollen94.
Der Brief Maximilians II. traf erst im Laufe des Septembers in der Reichsstadt ein. Der Bürgerschaft
wurde er anscheinend vorenthalten95. Die städtische Führung wandte sich vielmehr umgehend um Hilfe an
die beiden Straßburger Syndici Ludwig Gremp und Bernhard Botzheim96. In ihrem auf den 22. Oktober
Unterzeichnung durch die Fürsten und die Magistrate
der Städte angeregt (vgl. auch BSLK, S. 15-17). Eine
Kopie des kurfürstlichen Schreibens findet sich in AM
Haguenau GG 51, Nr. 14.
89 AD Bas-Rhin C 5, Nr. 15.
90 AD Bas-Rhin C 5, Nr. 19bis.
91 Der Brief der Stadt vom 18. März 1566 ist überliefert in
AM Haguenau GG 51, Nr. 5. Darin wird zu Anfang auch
der Inhalt des kaiserlichen Schreibens vom 5. Januar
paraphrasiert.
92 Vgl. RTA, Reichsversammlungen 1556-1662, Der
Reichstag zu Ausgburg 1566, Bd. 2, Nr. 467, S. 1580.
93 Ebd., Bd. 2, Nr. 274, S. 1089f. und 1102, Nr. 275,
S. 1105 sowie Nr. 287, S. 1167.
94 Vgl. Jaeger, Réformation, S. 30; Grasser, Crises,
S. 160.
95 Vgl. Grasser, Crises, S. 161.
96 Zu Ludwig Gremp von Freudenstein (1509-1583) vgl.
Sehling, EKO XX,1, S. 502, Anm. 7, zu Bernhard
Botzheim (um 1520-1591) ebd., S. 502, Anm. 8.
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4. Brief der Stadt Hagenau an Kaiser Maximilian II. zur Rechtfertigung der Einführung der Reformation,
[nach 22. Oktober 1566] (Text S. 435)
Mit der Stellungnahme der Innsbrucker Räte vom November 1564, in welcher Hagenau auf der Grundlage
des Augsburger Religionsfriedens das Recht zur Einführung der Reformation zugebilligt worden war, wollte
sich Nikolaus Bollweiler nicht zufriedengeben. Er vertrat die Auffassung, daß die Städte der Dekapolis
wegen ihrer Treueverpflichtung gegenüber dem Oberlandvogt ohne dessen Zustimmung keine Änderung der
Religion vornehmen dürften. Diese Auffassung wollte Bollweiler notfalls auch militärisch durchsetzen89.
Einen so weitreichenden Schritt lehnte Erzherzog Ferdinand jedoch ab. Er wandte sich an seinen Bruder,
Kaiser Maximilian II., und bat ihn um die Entsendung einer Kommission nach Hagenau. Die Kommission
sollte die Stadt zur Rückkehr zum alten Glauben bewegen.
Am 16. Februar 1566 überreichte eine kaiserliche Delegation dem Hagenauer Magistrat ein Schreiben
Maximilians II. In diesem am 5. Januar in Linz ausgefertigten Brief hielt der Kaiser der Stadt vor, mit
ihrem Verhalten die jurisdiction, ober- und gerechtigkeit des Oberlandvogts, die sich nicht allein auf weltliche,
sondern auch fürnehmlich auf religion- unndt glaubenssachen erstrecke, verletzt zu haben90. In ihrer an die
Mitteilung für die Zünfte und das Schreiben an Herzog Christoph von Württemberg angelehnten Stellung-
nahme vom 18. März 1566 betonten Stettmeister und Rat hingegen, nur der Bitte eines Teils ihrer Bürger
entsprochen zu haben, der bislang außerhalb der Stadt den Gottesdienst besucht habe und während des
großen Sterbens ohne geistlichen Trost gewesen sei. Diesen Bürgern habe man eine leerstehende Kirche
überlassen und einen Prädikanten bestellt, ohne eine Änderung an der bestehenden Religion vorzunehmen
oder jemanden in seinem Glauben zu beeinträchtigen. Die im Brief Maximilians II. hervorgehobene Wei-
sungsbefugnis Erzherzog Ferdinands als Oberlandvogt wiesen Stettmeister und Rat mit dem Hinweis auf
den Status Hagenaus als Reichsstadt zurück91.
Die Stellungnahme Hagenaus wurde dem Kaiser auf dem Ausgburger Reichstag durch den Stettmeister
Rochus Botzheim übergeben. Botzheim vertrat dort zusammen mit dem Colmarer Syndicus Johannes
Kotzschareuter die Städte der Dekapolis92. Während des Reichstages gehörte Hagenau dem Rat der Stände
der Confessio Augustana an; es nahm an dessen Versammlungen teil und unterzeichnete auch dessen Reso-
lutionen93.
Mit seinem Schreiben vom 27. Juli erteilte Maximilian II. der Stadt Hagenau den förmlichen Befehl,
alle ohne die Zustimmung Erzherzog Ferdinands als Oberlandvogt eingeführten kirchlichen Neuerungen
umgehend rückgängig zu machen und den evangelischen Pfarrer und seinen Helfer wieder zu entlassen. Der
Kaiser erinnerte Hagenau dabei auch an das 1562 seinem Vater Ferdinand I. gegebene Versprechen, treu an
der alten Religion festhalten zu wollen94.
Der Brief Maximilians II. traf erst im Laufe des Septembers in der Reichsstadt ein. Der Bürgerschaft
wurde er anscheinend vorenthalten95. Die städtische Führung wandte sich vielmehr umgehend um Hilfe an
die beiden Straßburger Syndici Ludwig Gremp und Bernhard Botzheim96. In ihrem auf den 22. Oktober
Unterzeichnung durch die Fürsten und die Magistrate
der Städte angeregt (vgl. auch BSLK, S. 15-17). Eine
Kopie des kurfürstlichen Schreibens findet sich in AM
Haguenau GG 51, Nr. 14.
89 AD Bas-Rhin C 5, Nr. 15.
90 AD Bas-Rhin C 5, Nr. 19bis.
91 Der Brief der Stadt vom 18. März 1566 ist überliefert in
AM Haguenau GG 51, Nr. 5. Darin wird zu Anfang auch
der Inhalt des kaiserlichen Schreibens vom 5. Januar
paraphrasiert.
92 Vgl. RTA, Reichsversammlungen 1556-1662, Der
Reichstag zu Ausgburg 1566, Bd. 2, Nr. 467, S. 1580.
93 Ebd., Bd. 2, Nr. 274, S. 1089f. und 1102, Nr. 275,
S. 1105 sowie Nr. 287, S. 1167.
94 Vgl. Jaeger, Réformation, S. 30; Grasser, Crises,
S. 160.
95 Vgl. Grasser, Crises, S. 161.
96 Zu Ludwig Gremp von Freudenstein (1509-1583) vgl.
Sehling, EKO XX,1, S. 502, Anm. 7, zu Bernhard
Botzheim (um 1520-1591) ebd., S. 502, Anm. 8.
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