Einleitung
1566 datierten Gutachten97 untersuchen Gremp und Botzheim sieben Fragen: 1. Ob der Rat der Stadt die
Befugnis besitze, die Augsburgische Konfession in einer Kirche einzuführen, 2. ob das Kaiser Ferdinand I.
seinerzeit gegebene Versprechen dabei ein Hindernis darstelle, 3. ob die Zustimmung des Kaisers oder des
Erzherzogs bei der Einführung erforderlich sei, 4. ob man dem förmlichen Befehl des Kaisers vom 27. Juli
Folge leisten müsse, 5. ob die Bürgerschaft über den Befehl zu informieren sei, 6. wie dem Kaiser geant-
wortet werden solle, und 7. wie eine Stellungnahme angelegt werden müsse, damit sie dem Kaiser persönlich
übergeben werden könne98.
Die beiden Straßburger Juristen kamen in ihrem Gutachten zu dem Ergebnis, daß der Rat Fug und
Macht habe, die Augspurgische Confession und derselben Lehr und Ceremonien nit allein in einer, sondern in
allen Kirchen auff- und anzurichten, da die Stadt Hagenau ohne mittel niemandts dann des heiligen Reichs
Jurisdiction unterworfen sei99. Nach ihrer Auffassung stellte das Kaiser Ferdinand I. gegebene Versprechen
dabei kein Hindernis dar, weil die Stände der Confessio Augustana ihre Religion eben so wol als der ander
theil für die alt, wahr und Catholische Religion achten100. Die Zustimmung des Kaisers und des Oberlandvogts
für die Einführung der Reformation hielten Gremp und Botzheim für nicht notwendig: Der Oberlandvogt
besitze in der Frage keinerlei Mitspracherecht, und der Kaiser selbst habe im Religionsfrieden den Reichs-
ständen die anordnung der Religion freigestellt101. Hinsichtlich des förmlichen Befehls des Kaisers vom
27. Juli verwiesen Gremp und Botzheim auf den Vorrang des Gehorsams gegenüber Gott. Aufgrund des
Verstoßes gegen die Weisungen der Hl. Schrift und gegen die Bestimmungen des Religionsfriedens sahen sie
den Befehl für unwirksam an102. Die Straßburger Juristen ermunterten den Hagenauer Rat, das Schreiben
Maximilians II. mit einem masculo responso oder beherzter geschrifft zu beantworten. Darüber hinaus emp-
fahlen sie, sich mit Herzog Christoph von Württemberg in Verbindung zu setzen und diesen um Hilfe zu
bitten103.
In ihrer Argumentation stützten sich Gremp und Botzheim auf die Bestimmungen des Augsburger
Religionsfriedens. Zur Untermauerung ihrer Argumentation griffen sie auf die Werke italienischer Juristen
der Kommentatorenzeit zurück. An vielen Stellen nahmen sie das Gutachten vorweg, das der Straßburger
Syndikus Johannes Nervius 1575 im Auftrag der Stadt Colmar verfaßte104. In ihrem Schreiben an Kaiser
Maximilian II. griffen die Hagenauer Ratsherren die Argumente der beiden Straßburger Juristen weitge-
hend auf.
5. Zuchtordnung, 29. Oktober 1571 (Text S. 441)
Sechs Jahre nach der Einführung der Reformation erließ der Hagenauer Rat eine umfassende Zuchtord-
nung. Konkreter Anlaß für diesen Schritt war die durch eine Welle von Mißernten in Europa ausgelöste
Teuerung. Diese Teuerung, die erst im Sommer 1573 ihren Höhepunkt erreichen sollte, wurde als Strafe
Gottes für die sittliche Verderbnis verstanden105. Um weiteren Schaden von der Stadt abzuwehren, sah sich
der Rat zum Handeln gezwungen. Er stellte sich dabei auf eine Ebene mit den frommen Königen und
Obrigkeiten im Alten und Neuen Testament. Auch die Magistrate anderer Städte, wie der von Straßburg,
reagierten auf das Geschehen mit der Verkündigung neuer Disziplinarordnungen106. Einige Maßnahmen des
Hagenauer Mandats beziehen sich auch direkt auf die Teuerung: So werden etwa die Taufschmäuse voll-
97Das Gutachten ist abgedruckt in Symphorematis sup-
plicationum pro processibus, super omnibus ac singulis
Imperii Romani constitutionibus, in supremo Camerae
Imperialis auditorio impetrandis, Bd. 1, Frankfurt a. M.
1630, S.264-272.
98 Ebd., S. 264.
99 Ebd., S. 264.
100 Ebd., S. 265.
101 Ebd., S. 266f.
102 Ebd., S. 268f.
103 Ebd., S. 272.
104 Vgl. im Abschnitt über Colmar den Text Nr. 1.
105 Vgl. Behringer, Krise, S. 51-56.
106 Sehling, EKO XX,1, Nr. 50, S. 490-498.
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1566 datierten Gutachten97 untersuchen Gremp und Botzheim sieben Fragen: 1. Ob der Rat der Stadt die
Befugnis besitze, die Augsburgische Konfession in einer Kirche einzuführen, 2. ob das Kaiser Ferdinand I.
seinerzeit gegebene Versprechen dabei ein Hindernis darstelle, 3. ob die Zustimmung des Kaisers oder des
Erzherzogs bei der Einführung erforderlich sei, 4. ob man dem förmlichen Befehl des Kaisers vom 27. Juli
Folge leisten müsse, 5. ob die Bürgerschaft über den Befehl zu informieren sei, 6. wie dem Kaiser geant-
wortet werden solle, und 7. wie eine Stellungnahme angelegt werden müsse, damit sie dem Kaiser persönlich
übergeben werden könne98.
Die beiden Straßburger Juristen kamen in ihrem Gutachten zu dem Ergebnis, daß der Rat Fug und
Macht habe, die Augspurgische Confession und derselben Lehr und Ceremonien nit allein in einer, sondern in
allen Kirchen auff- und anzurichten, da die Stadt Hagenau ohne mittel niemandts dann des heiligen Reichs
Jurisdiction unterworfen sei99. Nach ihrer Auffassung stellte das Kaiser Ferdinand I. gegebene Versprechen
dabei kein Hindernis dar, weil die Stände der Confessio Augustana ihre Religion eben so wol als der ander
theil für die alt, wahr und Catholische Religion achten100. Die Zustimmung des Kaisers und des Oberlandvogts
für die Einführung der Reformation hielten Gremp und Botzheim für nicht notwendig: Der Oberlandvogt
besitze in der Frage keinerlei Mitspracherecht, und der Kaiser selbst habe im Religionsfrieden den Reichs-
ständen die anordnung der Religion freigestellt101. Hinsichtlich des förmlichen Befehls des Kaisers vom
27. Juli verwiesen Gremp und Botzheim auf den Vorrang des Gehorsams gegenüber Gott. Aufgrund des
Verstoßes gegen die Weisungen der Hl. Schrift und gegen die Bestimmungen des Religionsfriedens sahen sie
den Befehl für unwirksam an102. Die Straßburger Juristen ermunterten den Hagenauer Rat, das Schreiben
Maximilians II. mit einem masculo responso oder beherzter geschrifft zu beantworten. Darüber hinaus emp-
fahlen sie, sich mit Herzog Christoph von Württemberg in Verbindung zu setzen und diesen um Hilfe zu
bitten103.
In ihrer Argumentation stützten sich Gremp und Botzheim auf die Bestimmungen des Augsburger
Religionsfriedens. Zur Untermauerung ihrer Argumentation griffen sie auf die Werke italienischer Juristen
der Kommentatorenzeit zurück. An vielen Stellen nahmen sie das Gutachten vorweg, das der Straßburger
Syndikus Johannes Nervius 1575 im Auftrag der Stadt Colmar verfaßte104. In ihrem Schreiben an Kaiser
Maximilian II. griffen die Hagenauer Ratsherren die Argumente der beiden Straßburger Juristen weitge-
hend auf.
5. Zuchtordnung, 29. Oktober 1571 (Text S. 441)
Sechs Jahre nach der Einführung der Reformation erließ der Hagenauer Rat eine umfassende Zuchtord-
nung. Konkreter Anlaß für diesen Schritt war die durch eine Welle von Mißernten in Europa ausgelöste
Teuerung. Diese Teuerung, die erst im Sommer 1573 ihren Höhepunkt erreichen sollte, wurde als Strafe
Gottes für die sittliche Verderbnis verstanden105. Um weiteren Schaden von der Stadt abzuwehren, sah sich
der Rat zum Handeln gezwungen. Er stellte sich dabei auf eine Ebene mit den frommen Königen und
Obrigkeiten im Alten und Neuen Testament. Auch die Magistrate anderer Städte, wie der von Straßburg,
reagierten auf das Geschehen mit der Verkündigung neuer Disziplinarordnungen106. Einige Maßnahmen des
Hagenauer Mandats beziehen sich auch direkt auf die Teuerung: So werden etwa die Taufschmäuse voll-
97Das Gutachten ist abgedruckt in Symphorematis sup-
plicationum pro processibus, super omnibus ac singulis
Imperii Romani constitutionibus, in supremo Camerae
Imperialis auditorio impetrandis, Bd. 1, Frankfurt a. M.
1630, S.264-272.
98 Ebd., S. 264.
99 Ebd., S. 264.
100 Ebd., S. 265.
101 Ebd., S. 266f.
102 Ebd., S. 268f.
103 Ebd., S. 272.
104 Vgl. im Abschnitt über Colmar den Text Nr. 1.
105 Vgl. Behringer, Krise, S. 51-56.
106 Sehling, EKO XX,1, Nr. 50, S. 490-498.
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