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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Dörner, Gerald [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 2. Teilband): Die Territorien und Reichsstädte (außer Straßburg) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.30662#0450
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Hagenau

ders aber der Christenheit, mit aller seiner Macht
darwider legt, zwen widerwertig Hauffen, zwischen
wölchen ein Christlicher Diener des Worts als zwi-
schen zweyen scharpffen Felsen im tieffen Meer
schiffen und sich vleissig fürsehen muß, das er nicht
anfare:
δEttlich sein dermassen an alte Gebreuch, Herkom-
men unnd Gewonheiten gebunden, das sie gäntzlich
darfür halten, wo man das wenigst endere, so biß
daher gebreuchlich gewesen, es werde entlich die
Kirch gar umbfallen5. Darumb sie auch nicht leicht-
lich zubewegen, das sie das geringst fallen lassen
wolten; wandlen also im fußstapffen irer Voreltern
und betrachten nicht, εwas Gottes Wort von Men-
schen satzungen prediget.
Ettlich aber unnd der ander Hauff, so auß Got-
tes Wort versteht, wölcher gestalt man durch Men-
schen satzungen von Gott abgetretten6 unnd vil
ding in die Kirchen auß Menschlicher Andacht ein-
gefüret, so mit und neben dem Wort Gottes nicht
bestehn mag, gebrauchen sich dermassen hierinn
irer Christlichen Freyheit7, das sie des ersten Hauf-
fen auch nicht, wie sich gepüret und wol gut were,
achten.
ζHie ist von nötten, das ein Diener des Worts für-
sichtig und klug seye und mit gleichen Augen auff
bei- |A 3r| de Hauffen sehe. Wie dann der Herr Chri-
stus seinen Jüngern selbst gesagt: ηSeind klug wie
die Schlangen und einfaltig wie die Tauben. Es würt
aber hie nicht erfordert die Weltweißheit, wölche für
Gott ein Thorheit geachtet ist8. Darumb auch
S. Paulus sich an die Corinther rhümet, θer sey nicht
kommen in hoher Weißheit oder hohen reden, son-
δ Die auff alte Breuch und Herkommen halten.
ε Math. 15 [1-6].
ζ Ein Diener Gottes Worts soll klug sein.
Math. 10 [16] / Luce 10 [3].
θ 1. Cor. 1 [19-21] / 1. Cor. 2 [1-5].
ι Einfalt der Kirchendiener, wohin sie sich erstrecke.
κ 1. Cor. 2 [2].
λ Acto. 4 [12].
μ Acto. 10 [43].
ν 1. Cor. 1 [21-24],
ξ Die hochst weißheit der Christen nach der erkanntnuß
Christi.

der ein solliche Weißheit, die neben der Tauben ein-
falt bestehn mag. ιDise Einfalt erstreckt sich auff
den einfaltigen Weg zum Himmel, den uns Gott
selbst gezeigt und in seinem Wort fürgeschriben hat,
darvon Sanct Paulus schreibt: κIch hielt mich nicht
darfür, das ich ettwas wußte dann Christum, den
gecreutzigten. Und Sanct Petrus: λEs ist in keinem
andern Heil, ist auch kein Nam under dem Himmel
gegeben, darinnen selig zu werden, dann der Nam
Jesus. μDisem geben alle Propheten zeugnuß, das
vergebung der Sünden haben alle, die an seinen Na-
men glauben. νDise Lehr ist einfaltig, den Juden ein
Ergernuß, den Heiden ein Thorheit, aber ein krafft
Gottes zur Seligkeit allen, die an in glauben. Unnd
will auch mit einfaltigem Hertzen und gar nicht mit
grosser Vernunfft und Weißheit diser Welt gefaßt
noch außgesprochen werden.
ξDie höchst Weißheit aber, so Christus von allen
Christen über unnd nach diser erkanntnuß des wil-
lens Gottes erfordert, ist dise, wie der Apostel an die
Römer lehret, οdas wir allen menschlichen vleiß
durch Got- |A 3v| tes Gnad anwenden, darmit wir
niemandt Ergernuß geben und mit unser Freyheit
den nicht verderben, für wölchen Christus gestorben
ist.
πDann es ist ja der Glaub ein Gab Gottes: Wer
denselben hat, der hat Gott zudancken, nicht im
selbst oder seiner Klugheit; soll sich auch allein im
Herren und gar nicht in im selbst rhümen9. Der aber
den Glauben nicht hat, mit dem ist billich ein hertz-
lich mitleiden zuhaben und neben dem Gebett in
höchster Gedult und Sanfftmut dahin zuarbeiten,
darmit er auch dise Gab Gottes durch sein Gnad mit
der zeit erlangen möchte.
ο Rom. 14 [10-18].
π Der Glaub ist ein Gab Gottes.

5 Untergehen, ein Ende nehmen, s. Grimm, DWb 23,
Sp.858.
6 Abgefallen, s. FWb 1, Sp. 452f.
7 Bedienen sich ihrer christlichen Freiheit (vgl. Gal 5,1
u.a.) derart.
8 1Kor 3,19.
9 Vgl. 1Kor 1,31 und 10,17.

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