Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Dörner, Gerald [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 2. Teilband): Die Territorien und Reichsstädte (außer Straßburg) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2013

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30662#0491
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Einleitung

I. Die Stadt Colmar

A. Geschichte und Verfassung
Erstmals Erwähnung findet Colmar in einer am 12. Juni 823 in Frankfurt a. M. ausgestellten Urkunde
Kaiser Ludwigs des Frommen. Mit ihr verlieh der Kaiser der Abtei Münster umfangreichen Waldbesitz des
fiscus [...] nomine Columbarium1. Der in der Urkunde erwähnte Königshof und die zugehörigen Güter wur-
den im 10. Jh. geteilt: Der Oberhof fiel dabei an das Kloster Peterlingen (Payerne) bei Lausanne; der
Niederhof ging an das Domstift Konstanz2.
Wie andere Orte im Elsaß erlebte Colmar unter den Staufern eine erste Blütezeit. Dabei spielte seine
günstige Lage am Ausgang zweier Vogesentäler und an der ab hier schiffbaren Ill eine wichtige Rolle. In
einer Urkunde vom September 1214, mit der Land an das Kloster Pairis abgetreten wird, sind die Namen
einer Reihe von burgenses Columbarienses aufgeführt3. In einem Vertrag mit dem Kloster Peterlingen vom
Juli 1226 wird Colmar dann erstmals als civitas bezeichnet4. Zu dieser Zeit scheint auch mit der Ummaue-
rung begonnen worden zu sein5.
Am 29. Dezember 1278 verlieh König Rudolf von Habsburg Colmar ein erstes Stadtrecht. Dieses ins-
gesamt 44 Artikel umfassende Statut lehnte sich an die Stadtrechte von Freiburg i. Br. und Breisach an,
diente in der Folge selbst aber wiederum zahlreichen anderen Städten im Elsaß und in der Schweiz (so z.B.
Ensisheim, Kaysersberg, Aarau) als Vorbild. Rudolf von Habsburg gewährte der Bürgerschaft das Privileg,
selbständig Gesetze zu erlassen, und versprach, jeweils einen Bürger Colmars zum Schultheißen zu beru-
fen6. Adolf von Nassau und Karl IV. bestätigten bzw. erweiterten das Stadtrecht 1293 und 1354.
Die zweite Hälfte des 13. und weite Teile des 14. Jh. sind durch heftige Konflikte zwischen dem Adel
und der Bürgerschaft geprägt. Erstmals zum Streit kam es während der Amtszeit des Schultheißen Johan-
nes Rösselmann, als sich Teile des Adels mit dem Straßburger Bischof Walter von Geroldseck verbanden,
der die herrscherlose Zeit des Interregnums zum Ausbau seiner Macht im Elsaß zu nutzen suchte7. Die
Niederlage des Bischofs und der mit ihm verbündeten Geschlechter im Jahr 1262 bedeutete eine spürbare
Schwächung der Position des Adels. Die Doppelwahl des Habsburgers Friedrich des Schönen und Ludwigs
des Bayern im Jahr 1314 führte zu einer Spaltung der Bürgerschaft in „Rote“ (die Farbe Habsburgs) und
„Schwarze“8. Wegen der Parteienkämpfe wurde 1331 mit dem Novemvirat eine mit weitreichenden Voll-
machten ausgestattete Notstandsregierung eingesetzt, die Colmar zehn Jahre lang führte. Sie setzte sich aus
vier Adeligen und fünf Bürgern zusammen9. Die 1347 nach dem Tod Ludwigs des Bayern von Karl IV.
initiierte Änderung der städtischen Verfassung sah dann eine gleichmäßige Verteilung der Ratssitze zwi-

1 Die Urkunde findet sich bei Bruckner, Regesta Alsa-
tiae 1, Nr. 457, S. 286 und Finsterwalder, Colmarer
Stadtrechte, Nr. 1, S. 3f.
2 Vgl. Livet, Histoire de Colmar, S. 31f.
3 Finsterwalder, Colmarer Stadtrechte, Nr. 19. S. 21.
4 Ebd., Nr. 25, S. 28-30, hier S. 29.
5 Vgl. die ebd., Nr. 22, S. 26 zitierte Stelle aus den „Gesta
abbatum Senonensium“, die Finsterwalder auf das Jahr
1220 datiert.
6 Abdruck in Finsterwalder, Colmarer Stadrechte,
Nr. 34, S. 36-42. Vgl. hierzu den Beitrag von Francis

Lichtle in Dictionnaire historique 4, S. 387f. sowie
Braeuner / Lichtle, Dictionnaire de Colmar,
S. 55-57 (s.v. Charte de franchise de 1278.
7 Zu den Bestrebungen des Straßburger Bischofs Walter
von Geroldseck vgl. auch die Einleitung zu Mülhausen
S. 155 mit Anm. 6.
8 Vgl. Livet, Histoire de Colmar, S. 54f.
9 Vgl. Finsterwalder, Colmarer Stadtrechte, Nr. 68,
S. 79-83. Zum Novemvirat vgl. auch den entsprechen-
den Artikel in Braeuner / Lichtle, Dictionnaire de
Colmar, S. 200.

471
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften