Einleitung
2. Eid der Prediger, [22. Oktober 1575] (Text S. 501) / 9. Eid der Prediger, [3. Februar 1590] (Text S. 523) /
15. Eid der Prediger, [25. April 1615] (Text S. 535)
Die Pfarrer und Diakone hatten beim Antritt ihrer Tätigkeit in der Reichsstadt neben dem Bürgereid noch
jeweils einen Eid zu leisten, der ihr geistliches Amt betraf. In den Beständen des AM Colmar sind drei
dieser Eide überliefert; in ihnen spiegeln sich auch die zeitlichen Umstände wider, unter denen sie entstan-
den sind.
Der erste Eid stammt aus der Zeit kurz nach dem Beginn der Tätigkeit von Christian Serinus in
Colmar. Auf den Vorschlag des Basler Antistes Simon Sulzer65, der Colmar Ende Mai 1575 besucht hatte,
war Serinus zum ersten Pfarrer der Reichsstadt ernannt worden. Sulzer kannte Serinus von dessen Stu-
dienzeit in Basel und von dessen Tätigkeit in verschiedenen badischen Pfarreien66. Am 12. Juni hielt Serinus
seine Antrittspredigt in Colmar67. Von Johannes Nervius war in zwei Briefen auch der Professor der Straß-
burger Akademie Johannes Pappus68 als möglicher Kandidat für das Colmarer Pfarramt ins Spiel gebracht
worden69. Pappus hätte die Stelle aber wohl nur vorübergehend versehen. Auf diesen Punkt wies auch der
Rat in seinem Antwortschreiben an Nervius hin, in welchem er seine Entscheidung für Serinus rechtfer-
tigte70.
Im ersten Jahr wurde Serinus von Israel Ulstetter als Diakon unterstützt, der vom Reichenweierer
Superintendenten Nikolaus Cancerinus nach Colmar entsandt worden war. Ulstetter starb jedoch nach nur
wenigen Monaten in Colmar. An seine Stelle traten 1577 mit Emanuel Betuleius und Kaspar Eber gleich
zwei Nachfolger. Anscheinend hatte die Zahl der Evangelischen in der Stadt inzwischen so zugenommen,
daß ein Diakon für deren Versorgung nicht mehr ausreichte71. Während Betuleius bis zu seinem Tod (1588)
in Colmar blieb, verließ Eber die Stadt 1581 bereits wieder. Er wurde durch den Württemberger Martin
Böhm ersetzt. Mit Böhms Namen endet auch die Liste der Geistlichen, die den ersten Eid unterzeichnet
haben72.
Eine Reihe von Elementen des ersten Prädikanteneids von 1575 kehren in den beiden späteren Fassun-
gen von 1590 und 1615 wieder: Dazu gehören die Verpflichtung der Pfarrer und Diakone, die Predigt und
die Verwaltung der Sakramente auf der Grundlage der Hl. Schrift und der Kirchenväter (sofern deren Lehre
mit der biblischen Botschaft übereinstimmt) und gemäß der Confessio Augustana auszurichten; das Verbot,
Personen öffentlich auf der Kanzel oder im privaten Umfeld wegen ihrer Auffassung zu bestimmten theo-
logischen Fragen zu schmähen; die Weisung, sich der politischen sachen und administrationen zu enthalten
und den städtischen Rat, ob nun in seiner Gesamtheit oder einzelne Mitglieder aus seiner Mitte, in keiner
Form herabzusetzen.
Darüber hinaus gibt es aber eine Reihe von Unterschieden. So weicht der Eid aus dem Jahr 1590 allein
schon vom Umfang her deutlich von seinem Vorgänger ab. Bei der Confessio Augustana wird hier nun
ausdrücklich auf das Bekenntnis von 1530, also die Invariata, abgehoben; dafür ist der Bezug auf die
Apologie der Confessio Augustana fortgefallen73. Im Eid von 1590 geht es aber vor allem um die Lehre von
65 Zu Simon Sulzer vgl. Sehling, EKO XX,1, S. 475,
Anm. 49, zu dessen besonderen Verbindungen zur Mark-
grafschaft Baden vgl. Gottlieb Linder, Simon Sulzer
und sein Anteil an der Reformation im Lande Baden
sowie an den Unionsbestrebungen, Heidelberg 1890.
66 Zu Christian Serinus (Soer) vgl. das Biogramm unter
Nr. 2, Anm. 7.
67 Vgl. Greyerz, City reformation, S. 125.
68 Zu Johannes Pappus (1549-1610) vgl. Sehling, EKO
XX,1, S. 526, Anm. 13. Pappus war 1575 als Professor
der Theologie an der Akademie tätig.
69 AM Colmar GG 151, Nr. 53 (28. Mai) und Nr. 19 (30.
Mai). Nervius’ Vorschlag war vom Reichenweierer
Superintendenten Cancerinus unterstützt worden. Vgl.
Greyerz, City reformation, S. 125.
70 AM Colmar GG 151, Nr. 44.
71 Vgl. Adam, Kirchengeschichte Elsaß, S. 470.
72 Zu den Diakonen vgl. auch Greyerz, City reformation,
S. 128-131.
73 Zum Verhältnis von Confessio Augustana invariata und
variata sowie zur Apologie der Confessio vgl. TRE 4,
S. 616-628 und 632-645, HDThG 2, S. 81-94 und 101f.
und Wenz, Theologie der Bekenntnisschriften 1,
S.486-498.
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2. Eid der Prediger, [22. Oktober 1575] (Text S. 501) / 9. Eid der Prediger, [3. Februar 1590] (Text S. 523) /
15. Eid der Prediger, [25. April 1615] (Text S. 535)
Die Pfarrer und Diakone hatten beim Antritt ihrer Tätigkeit in der Reichsstadt neben dem Bürgereid noch
jeweils einen Eid zu leisten, der ihr geistliches Amt betraf. In den Beständen des AM Colmar sind drei
dieser Eide überliefert; in ihnen spiegeln sich auch die zeitlichen Umstände wider, unter denen sie entstan-
den sind.
Der erste Eid stammt aus der Zeit kurz nach dem Beginn der Tätigkeit von Christian Serinus in
Colmar. Auf den Vorschlag des Basler Antistes Simon Sulzer65, der Colmar Ende Mai 1575 besucht hatte,
war Serinus zum ersten Pfarrer der Reichsstadt ernannt worden. Sulzer kannte Serinus von dessen Stu-
dienzeit in Basel und von dessen Tätigkeit in verschiedenen badischen Pfarreien66. Am 12. Juni hielt Serinus
seine Antrittspredigt in Colmar67. Von Johannes Nervius war in zwei Briefen auch der Professor der Straß-
burger Akademie Johannes Pappus68 als möglicher Kandidat für das Colmarer Pfarramt ins Spiel gebracht
worden69. Pappus hätte die Stelle aber wohl nur vorübergehend versehen. Auf diesen Punkt wies auch der
Rat in seinem Antwortschreiben an Nervius hin, in welchem er seine Entscheidung für Serinus rechtfer-
tigte70.
Im ersten Jahr wurde Serinus von Israel Ulstetter als Diakon unterstützt, der vom Reichenweierer
Superintendenten Nikolaus Cancerinus nach Colmar entsandt worden war. Ulstetter starb jedoch nach nur
wenigen Monaten in Colmar. An seine Stelle traten 1577 mit Emanuel Betuleius und Kaspar Eber gleich
zwei Nachfolger. Anscheinend hatte die Zahl der Evangelischen in der Stadt inzwischen so zugenommen,
daß ein Diakon für deren Versorgung nicht mehr ausreichte71. Während Betuleius bis zu seinem Tod (1588)
in Colmar blieb, verließ Eber die Stadt 1581 bereits wieder. Er wurde durch den Württemberger Martin
Böhm ersetzt. Mit Böhms Namen endet auch die Liste der Geistlichen, die den ersten Eid unterzeichnet
haben72.
Eine Reihe von Elementen des ersten Prädikanteneids von 1575 kehren in den beiden späteren Fassun-
gen von 1590 und 1615 wieder: Dazu gehören die Verpflichtung der Pfarrer und Diakone, die Predigt und
die Verwaltung der Sakramente auf der Grundlage der Hl. Schrift und der Kirchenväter (sofern deren Lehre
mit der biblischen Botschaft übereinstimmt) und gemäß der Confessio Augustana auszurichten; das Verbot,
Personen öffentlich auf der Kanzel oder im privaten Umfeld wegen ihrer Auffassung zu bestimmten theo-
logischen Fragen zu schmähen; die Weisung, sich der politischen sachen und administrationen zu enthalten
und den städtischen Rat, ob nun in seiner Gesamtheit oder einzelne Mitglieder aus seiner Mitte, in keiner
Form herabzusetzen.
Darüber hinaus gibt es aber eine Reihe von Unterschieden. So weicht der Eid aus dem Jahr 1590 allein
schon vom Umfang her deutlich von seinem Vorgänger ab. Bei der Confessio Augustana wird hier nun
ausdrücklich auf das Bekenntnis von 1530, also die Invariata, abgehoben; dafür ist der Bezug auf die
Apologie der Confessio Augustana fortgefallen73. Im Eid von 1590 geht es aber vor allem um die Lehre von
65 Zu Simon Sulzer vgl. Sehling, EKO XX,1, S. 475,
Anm. 49, zu dessen besonderen Verbindungen zur Mark-
grafschaft Baden vgl. Gottlieb Linder, Simon Sulzer
und sein Anteil an der Reformation im Lande Baden
sowie an den Unionsbestrebungen, Heidelberg 1890.
66 Zu Christian Serinus (Soer) vgl. das Biogramm unter
Nr. 2, Anm. 7.
67 Vgl. Greyerz, City reformation, S. 125.
68 Zu Johannes Pappus (1549-1610) vgl. Sehling, EKO
XX,1, S. 526, Anm. 13. Pappus war 1575 als Professor
der Theologie an der Akademie tätig.
69 AM Colmar GG 151, Nr. 53 (28. Mai) und Nr. 19 (30.
Mai). Nervius’ Vorschlag war vom Reichenweierer
Superintendenten Cancerinus unterstützt worden. Vgl.
Greyerz, City reformation, S. 125.
70 AM Colmar GG 151, Nr. 44.
71 Vgl. Adam, Kirchengeschichte Elsaß, S. 470.
72 Zu den Diakonen vgl. auch Greyerz, City reformation,
S. 128-131.
73 Zum Verhältnis von Confessio Augustana invariata und
variata sowie zur Apologie der Confessio vgl. TRE 4,
S. 616-628 und 632-645, HDThG 2, S. 81-94 und 101f.
und Wenz, Theologie der Bekenntnisschriften 1,
S.486-498.
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