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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Dörner, Gerald [Oth.]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 2. Teilband): Die Territorien und Reichsstädte (außer Straßburg) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.30662#0502
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Colmar

Bestimmungen zur Gotteslästerung, zum Schwören und Fluchen sind hier aber auch Maria und die Heiligen
noch einbezogen. Während in der Zuchtordnung konkrete Sanktionen fehlen, sind diese in dem knappen
Mandat zur Gotteslästerung enthalten, das in die 1593 angelegte Sammlung des „Municipal Stadt-Rechts“
aufgenommen worden ist90. Die Maßnahmen der Zuchtordnung gegen das „Zutrinken“ sehen nicht nur eine
Bestrafung der Missetäter vor, sondern auch der Wirte, der Mitglieder von Rat und Schöffenrat sowie der
städtischen Amtsleute, die Verstöße nicht zur Anzeige bringen. Das Verbot des Konkubinats richtet sich
gegen Geistliche und Laien gleichermaßen; gefordert wird eine Auflösung der anstössigen Verbindungen
innerhalb eines Monats. Unter dem „Von Eheleüten und ledigen Personen“ überschriebenen Abschnitt - in
ihm ist noch vom „Sakrament der Ehe“ die Rede - sind eine Reihe von Vergehen wie Kuppelei, Unter-
stützung des Ehebruchs, Anstiftung zur Unzucht, Bigamie und Verweigerung des ehelichen Verkehrs zusam-
mengefaßt. Das Tanzen und das Spielen wird nicht grundsätzlich untersagt; bekämpft werden nur
bestimmte Formen91.
5. Ablehnung des Beitritts zur Konkordienformel, 10. Mai 1578 (Text S. 509)
Das nach zahlreichen Vorarbeiten im Mai 1577 im Kloster Berge bei Magdeburg von sechs Theologen,
unter ihnen der Württemberger Jakob Andreä, fertiggestellte und unterzeichnete „Bergische Buch“, die
Formula concordiae, sollte die Grundlage für die Einigung der lutherischen Kirche im Reich bilden92. Um
dem Werk allgemeine Anerkennung zu verschaffen, bestand zunächst die Absicht, die Konkordienformel
auf einer Generalsynode aller der Confessio Augustana verpflichteten Reichsstände im Oktober 1577 unter-
schreiben zu lassen. Diesen Plan gab man aber wegen der zu erwartenden Schwierigkeiten bald auf und
beschloß stattdessen, einzeln um die Zustimmung zur Formula concordiae zu werben. Die beiden Kurfür-
sten von Sachsen und Brandenburg, die Herzöge von Braunschweig und Württemberg sowie die Stadt
Braunschweig trugen die Organisation der Werbung. Im Süden des Reiches übernahmen neben Herzog
Ludwig von Württemberg noch der Markgraf Georg Friedrich von Brandenburg-Ansbach-Kulmbach in
Franken und der Pfalzgraf Philipp Ludwig von Neuburg in Altbayern bzw. Ostschwaben diese Aufgabe.
Mit der Werbung in Schwaben und im Elsaß lastete der größte Teil der Arbeit aber auf den Schultern des
Herzogs von Württemberg93.
Mit einem auf den 17. August 1577 datierten Beglaubigungsschreiben entsandte Herzog Ludwig von
Württemberg den Oberhofprediger Lukas Osiander und seinen Rat Hippolyt Rösch (Resch) nach Col-
mar94. Vom gleichen Datum stammte auch das Schreiben des Herzogs, in welchem er bei Bürgermeister und
Rat der Stadt Colmar für die Unterschrift unter die Konkordienformel warb, um die beschwerliche zwitracht
inn etlichen articuln unserer religion zwischen den theologen christlicher Augspurgischen Confession [...], aus
welchem dann [...] hochschedliche, vielfeltige ergernus entstanden sind, zu überwinden. Der Herzog bat, die
Konkordienformel umgehend allen Kirchen- und Schuldienern vorzulegen und dafür Sorge zu tragen, daß
sie alle zum Zeugnis irer christlichen bekandtnus und gottseligen consensus mit eigener Hand, ohne irgend-
welche anhang oder geding, unterschrieben. Darüber hinaus kündigte Ludwig einen von den Kurfürsten
einberufenen Religionstag an, zu dem die einzelnen protestantischen Stände jeweils einen oder zwei Theo-
logen entsenden sollten, und drängte deshalb, schon einmal vorab eine entsprechende Auswahl unter den
Geistlichen zu treffen95.

90 Zur Anlage der Sammlung im Jahr 1593 vgl. Billing,
Chronik, S. 93.
91 Zum Tanzen vgl. auch Nr. 14.
92 Vgl. die Einleitung in BSLK, S. XXXII-XLII; HDThG
2, S. 138-143; TRE 19, S. 477-479.

93 Vgl. Brecht / Ehmer, Südwestdeutsche Reforma-
tionsgeschichte, S. 439f.
94 AM Colmar GG 153, Nr. 10.
95 AM Colmar GG 153, Nr. 11.

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