Einleitung
In ihrer Stellungnahme vom 25. November 1577 lehnten Bürgermeister und Rat eine solche Unterschrift
der Kirchen- und Schuldiener der Stadt Colmar jedoch ab und sandten die Formula concordiae nach Stutt-
gart zurück. Sie führten dabei an, daß die Konkordienformel nicht nur eine Darstellung der reinen Lehre
sei, sondern auch die Verwerfung abweichender Lehren enthalte. Derartige Lehrverurteilungen stünden
aber im Widerspruch zu dem von den Geistlichen der Stadt abgeforderten Eid (s. oben Nr. 2), der solche
Verurteilungen ausdrücklich verbiete96.
Mit der Zurückweisung wollte sich der Herzog von Württemberg aber nicht zufrieden geben. In seinem
am 5. Dezember 1577 in Bebenhausen ausgestellten Brief argumentiert er, in der Formula concordiae finde
weder eine Verdammung von Personen noch von ganzen Kirchen statt; es würden lediglich am Ende jedes
Artikels die irrigen und falschen Lehren aufgeführt. Ein solcher Schritt sei jedoch notwendig, wenn man die
Reinheit der Lehre erhalten und das Eindringen falscher und schädlicher Auffassungen verhindern wolle.
Die Unterschrift unter die Konkordienformel werde ja auch nicht von den schwachen Gliedern der
Gemeinde gefordert, sondern von den Kirchen- und Schuldienern, von denen zu hoffen sei, daß sie an der
reinen Lehre festhielten. Wenn ein Geistlicher oder ein Lehrer seine Unterschrift jedoch beharrlich verwei-
gere, setze er sich dem Verdacht aus, daß er nicht der Hl. Schrift und der Confessio Augustana gemäß lehre.
Zusammen mit seinem Brief sandte Herzog Ludwig nochmals ein Exemplar des Bergischen Buchs nach
Colmar mit der Bitte, die Notwendigkeit des Konkordienwerks zu erwägen und die Kirchen- und Schul-
diener entsprechend zu instruieren, damit sie sich nicht von vielen tausend Kollegen absonderten97.
Colmar blieb aber, wie das Schreiben vom 10. Mai 1578 zeigt, bei seiner Haltung, auch wenn sich die
Nachbarn wie die Grafschaft Horburg-Reichenweier und die Stadt Münster dem Konkordienwerk anschlos-
sen. Während Johann Adam in seiner Kirchengeschichte des Elsaß vor allem den Pfarrer Christian Serinus
für die ablehnende Haltung Colmars verantwortlich macht, sieht Greyerz neben Serinus auch die beiden
Diakone Betuleius und Eber und vor allem den Stadtschreiber Andreas Sandherr als Verantwortliche98. Auf
seiten Württembergs mußte die Entscheidung der Stadt jedenfalls eine gewisse Verstimmung hinterlassen.
6. Eid der Mitglieder des Ehegerichts, [nach 1581] (Text S. 511)
Kurz nach der Einführung der Reformation regte der Reichenweierer Superintendent Nikolaus Cancerinus
in mehreren Briefen an den Colmarer Gerichtsschreiber Andreas Sandherr99 die Schaffung eines Ehegerichts
nach württembergischen Vorbild an100. Vermutlich dachte er dabei auch an eine Übernahme der von Johan-
nes Brenz 1553 entworfenenen Eheordnung101, die u.a. in der Großen württembergischen Kirchenordnung
von 1559 enthalten war102, von der Cancerinus zwei Exemplare nach Colmar gesandt hatte.
Zum Aufbau eines solchen Ehegerichts scheint es aber zunächst nicht gekommen zu sein. Nach dem
Bericht des Chronisten Christoph Kirchner, der später als Schulmeister in Colmar tätig war, entstand das
Gericht erst im Jahr 1581. Es setzte sich aus dem Obristmeister, zwei von drei Stettmeistern, zwei Räten,
zwei Schöffen und zwei evangelischen Geistlichen zusammen103. Die Geistlichen gehörten hier also wie in
Mülhausen dem Gericht selbst an und waren nicht nur wie in Straßburg für dieses gutachterlich tätig104.
96 Das Schreiben von Bürgermeister und Rat selbst scheint
nicht mehr erhalten zu sein; Herzog Ludwig referiert die
Argumentation der städtischen Führung aber in seiner
Stellungnahme vom 5. Dezember 1577 (s. die folgende
Anm.).
97 AM Colmar GG 153, Nr. 4.
98 Vgl. Adam, Kirchengeschichte Elsaß, S. 470; Greyerz,
City reformation, S. 133.
99 Zu Andreas Sandherr s. oben S. 476, Anm. 47.
100 AM Colmar GG 151, Nr. 42 (16. Mai 1575), Nr. 39 (20.
Mai 1575) und Nr. 41 (24. Mai 1575).
101 Abdruck der Eheordnung in Sehling, EKO XVI,
Nr. 30, S. 277-283.
102 Vgl. ebd., S. 45: Die Eheordnung ist sowohl in der Gro-
ßen württembergischen Kirchenordnung von 1559 und
ihrer Neuauflage von 1582 als auch in der Mömpelgarder
Kirchenordnung von 1560 enthalten.
103 Vgl. den unter der Anm. c abgedruckten Text aus BM
Colmar Fonds Chauffour I. Ch. 79, Nr. 11.
104 Vgl. in diesem Band S. 172 sowie Sehling, EKO XX,1,
S. 49f.
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In ihrer Stellungnahme vom 25. November 1577 lehnten Bürgermeister und Rat eine solche Unterschrift
der Kirchen- und Schuldiener der Stadt Colmar jedoch ab und sandten die Formula concordiae nach Stutt-
gart zurück. Sie führten dabei an, daß die Konkordienformel nicht nur eine Darstellung der reinen Lehre
sei, sondern auch die Verwerfung abweichender Lehren enthalte. Derartige Lehrverurteilungen stünden
aber im Widerspruch zu dem von den Geistlichen der Stadt abgeforderten Eid (s. oben Nr. 2), der solche
Verurteilungen ausdrücklich verbiete96.
Mit der Zurückweisung wollte sich der Herzog von Württemberg aber nicht zufrieden geben. In seinem
am 5. Dezember 1577 in Bebenhausen ausgestellten Brief argumentiert er, in der Formula concordiae finde
weder eine Verdammung von Personen noch von ganzen Kirchen statt; es würden lediglich am Ende jedes
Artikels die irrigen und falschen Lehren aufgeführt. Ein solcher Schritt sei jedoch notwendig, wenn man die
Reinheit der Lehre erhalten und das Eindringen falscher und schädlicher Auffassungen verhindern wolle.
Die Unterschrift unter die Konkordienformel werde ja auch nicht von den schwachen Gliedern der
Gemeinde gefordert, sondern von den Kirchen- und Schuldienern, von denen zu hoffen sei, daß sie an der
reinen Lehre festhielten. Wenn ein Geistlicher oder ein Lehrer seine Unterschrift jedoch beharrlich verwei-
gere, setze er sich dem Verdacht aus, daß er nicht der Hl. Schrift und der Confessio Augustana gemäß lehre.
Zusammen mit seinem Brief sandte Herzog Ludwig nochmals ein Exemplar des Bergischen Buchs nach
Colmar mit der Bitte, die Notwendigkeit des Konkordienwerks zu erwägen und die Kirchen- und Schul-
diener entsprechend zu instruieren, damit sie sich nicht von vielen tausend Kollegen absonderten97.
Colmar blieb aber, wie das Schreiben vom 10. Mai 1578 zeigt, bei seiner Haltung, auch wenn sich die
Nachbarn wie die Grafschaft Horburg-Reichenweier und die Stadt Münster dem Konkordienwerk anschlos-
sen. Während Johann Adam in seiner Kirchengeschichte des Elsaß vor allem den Pfarrer Christian Serinus
für die ablehnende Haltung Colmars verantwortlich macht, sieht Greyerz neben Serinus auch die beiden
Diakone Betuleius und Eber und vor allem den Stadtschreiber Andreas Sandherr als Verantwortliche98. Auf
seiten Württembergs mußte die Entscheidung der Stadt jedenfalls eine gewisse Verstimmung hinterlassen.
6. Eid der Mitglieder des Ehegerichts, [nach 1581] (Text S. 511)
Kurz nach der Einführung der Reformation regte der Reichenweierer Superintendent Nikolaus Cancerinus
in mehreren Briefen an den Colmarer Gerichtsschreiber Andreas Sandherr99 die Schaffung eines Ehegerichts
nach württembergischen Vorbild an100. Vermutlich dachte er dabei auch an eine Übernahme der von Johan-
nes Brenz 1553 entworfenenen Eheordnung101, die u.a. in der Großen württembergischen Kirchenordnung
von 1559 enthalten war102, von der Cancerinus zwei Exemplare nach Colmar gesandt hatte.
Zum Aufbau eines solchen Ehegerichts scheint es aber zunächst nicht gekommen zu sein. Nach dem
Bericht des Chronisten Christoph Kirchner, der später als Schulmeister in Colmar tätig war, entstand das
Gericht erst im Jahr 1581. Es setzte sich aus dem Obristmeister, zwei von drei Stettmeistern, zwei Räten,
zwei Schöffen und zwei evangelischen Geistlichen zusammen103. Die Geistlichen gehörten hier also wie in
Mülhausen dem Gericht selbst an und waren nicht nur wie in Straßburg für dieses gutachterlich tätig104.
96 Das Schreiben von Bürgermeister und Rat selbst scheint
nicht mehr erhalten zu sein; Herzog Ludwig referiert die
Argumentation der städtischen Führung aber in seiner
Stellungnahme vom 5. Dezember 1577 (s. die folgende
Anm.).
97 AM Colmar GG 153, Nr. 4.
98 Vgl. Adam, Kirchengeschichte Elsaß, S. 470; Greyerz,
City reformation, S. 133.
99 Zu Andreas Sandherr s. oben S. 476, Anm. 47.
100 AM Colmar GG 151, Nr. 42 (16. Mai 1575), Nr. 39 (20.
Mai 1575) und Nr. 41 (24. Mai 1575).
101 Abdruck der Eheordnung in Sehling, EKO XVI,
Nr. 30, S. 277-283.
102 Vgl. ebd., S. 45: Die Eheordnung ist sowohl in der Gro-
ßen württembergischen Kirchenordnung von 1559 und
ihrer Neuauflage von 1582 als auch in der Mömpelgarder
Kirchenordnung von 1560 enthalten.
103 Vgl. den unter der Anm. c abgedruckten Text aus BM
Colmar Fonds Chauffour I. Ch. 79, Nr. 11.
104 Vgl. in diesem Band S. 172 sowie Sehling, EKO XX,1,
S. 49f.
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