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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Dörner, Gerald [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 2. Teilband): Die Territorien und Reichsstädte (außer Straßburg) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.30662#0504
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Colmar

Nach den Aufzeichnungen von Ambrosius Socinus105, Nachfolger von Christoph Serinus als Pfarrer in
Colmar und als solcher auch Mitglied des Gerichts, trat das Ehegericht eher unregelmäßig, zwischen drei
und neun Mal pro Jahr, zusammen106. Es war nur für den evangelischen Teil der Bevölkerung Colmars
zuständig; der katholische Teil konnte wählen, ob er sich an das bischöfliche Gericht in Basel oder an den
städtischen Rat wandte. In die Kompetenz des Gerichts fielen strittige Eheversprechen sowie Scheidung
und Wiederverheiratung; andere Fälle wie Unkeuschheit, Ehebruch oder Inzest wurden dagegen vor dem
Rat verhandelt. Die Funktion eines städtischen Sittengerichts nach Schweizer Vorbild, auch mit der Mög-
lichkeit zur Verhängung des Banns, scheint in Colmar nie angestrebt worden zu sein107.
7. Mandat zu den Kreuzgängen, 4. Juni 1588 (Text S. 512)
Obwohl Rat und Magistrat am 14. Mai 1575 nur die Freistellung des evangelischen Glaubens und die
Einrichtung des evangelischen Gottesdienstes in Colmar beschlossen hatten, ohne gleichzeitig den katho-
lischen Kultus einzuschränken (s. oben Nr. 1), kam es jedoch bald zu Entscheidungen, die in diese Richtung
gingen. Dazu gehörte etwa die Weisung an den Präzeptor der Lateinschule, Andreas Meyenbrunn, mit
seinen Schülern nicht mehr an den Messen in St. Martin teilzunehmen. Meyenbrunn sollte stattdessen mit
den Schülern das Singen von Psalmen üben und sie im Katechismus unterweisen. Als er sich weigerte, den
Anordnungen der städtischen Führung Folge zu leisten, wurde er entlassen und durch den Straßburger
Christoph Scherer (Tonsorius) ersetzt108. Am 17. August 1575 beschwerten sich die Kleriker des Stiftes
St. Martin, daß sie, weil der neue Schulmeister die Kinder in den evangelischen Gottesdienst führe, im chor
mangelhafftig stunden und den cultum divinum, wie der althergebrachte brauch, so statlich an Sontagen und
feirtagen wie zuvor nit mer haben könnten109.
1576 verbot der Rat im Martinsmünster den Gebrauch der Orgel und des Geläuts mit Ausnahme zweier
kleiner Glocken. Im folgenden Jahr wurde die erst kurz zuvor errichtete Pfründe des Organisten an St. Mar-
tin (s. oben S. 475) wieder aufgehoben110. Die evangelische Gemeinde erhielt dagegen 1582 einen Turm und
eine dritte Glocke, 1588 dann eine Orgel111. Auch einige bauliche Veränderungen konnten als Maßnahmen
gegen die alte Kirche interpretiert werden. So wurde 1588 die Kapelle auf dem Münsterplatz abgerissen, in
der ein Priester morgens jeweils die Totenmesse las, die Michaelskapelle wurde in ein Pulvermagazin, die
Eloykapelle in ein Ziegellager umgewandelt112.
Nachdem es 1588 bei den Prozessionen in der Kreuzwoche zu Unruhen in der Stadt gekommen war,
untersagte der Rat die Durchführung solcher Prozessionen. Diese sollten fortan nurmehr in der Kirche
stattfinden. Die Ratsherren argumentierten damit, daß die creitzgang anzuordenen auch schon früher allein
in ihre Kompetenz gefallen sei.

8a. Deklarationsschrift. Erläuterung zu den Artikeln 10 und 13 der Confessio Augustana, [22. Dezember
1589] (Text S. 513) / 8b. Gutachten der Weißenburger Prädikanten zur Colmarer Deklarationsschrift, 25.
Juli 1590 (Text S. 519)
Eine Fortsetzung des Konflikts um die Konkordienformel (s. oben Nr. 5) bildete der in den Jahren 1589 und
1590 in Colmar ausgetragene Streit über das richtige Verständnis der Confessio Augustana, wobei es hier

105 Zu Ambrosius Socinus vgl. die Einleitung zu Nr. 13.
106 Die Aufzeichnungen von Socinus befinden sich in BM
Colmar Fonds Chauffour 23, Nr. 1.
107 Vgl. Greyerz, City reformation, S. 157-159.
108 Ebd., S. 159. Zu Andreas Meyenbrunn, der später in
Ensisheim tätig war, vgl. Ludwig Gombert, Johannes
Aals Spiel von Johannes dem Täufer und die älteren
Johannesdramen, ND Hildesheim 1977, S. 63-68; zu

Christoph Scherer (Tonsorius) vgl. Bopp, Geistliche,
Nr. 5255.
109 Vgl. Adam, Kirchengeschichte Elsaß, S. 473.
110 Vgl. Vogeleis, Quellen, S. 331.
111 Vgl. Billing, Chronik, S. 89 und 91.
112 Vgl. Adam, Kirchengeschichte Elsaß, S. 474f. mit
Anm. 1 (dort finden sich die Hinweise auf die entspre-
chenden Stellen in Billings Chronik).

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