Einleitung
vor allem um die Lehre vom Abendmahl und damit zusammenhängend die Lehre von der Person Christi
ging. Das durch die Ablehnung der Unterschrift unter die Konkordienformel belastete Verhältnis zu Würt-
temberg erhielt dabei einen weiteren Dämpfer; aber aueh die Beziehungen zur Reichsstadt Straßburg wur-
den über längere Zeit empfindlich gestört. Eine aus dem Blickwinkel der lutherischen Orthodoxie verfaßte
ausführliche Darstellung der Ereignisse in Colmar bietet die Schrift „Gründliche und unvermeidentliche
Widerlegung“113 des Professors der Theologie und Präsidenten des Straßburger Kirchenkonvents Johannes
Schmidt, der 1632 nach der Einnahme Colmars durch die schwedischen Truppen auf Einladung des Gene-
rals Gustav Horn die erste evangelische Predigt in der Stadt hielt114.
Als Nachfolger des verstorbenen Emanuel Betuleius wurde 1589 auf die Empfehlung Herzog Ludwigs
von Württemberg der aus Winnenden (Württemberg) stammende Johann Georg Magnus (Groß) zum
Diakon in Colmar berufen. Magnus hatte an der Universität Tübingen studiert und war vor seiner Anstel-
lung in Colmar einige Jahre Pfarrer in Gerlingen bei Leonberg gewesen115. In Colmar bemühte er sich von
Beginn seiner Tätigkeit an um eine stärkere Ausrichtung der Gemeinde an der lutherischen Lehre. Nach der
Darstellung von Schmidt hatte Magnus in einer Predigt am Himmelfahrtstag den Mißbrauch der Perikope
über die Himmelfahrt durch die Zwinglianer, die das Sitzen Christi zur Rechten Gottes als Argument gegen
dessen leibliche Gegenwart im Abendmahl anführten, beklagt und mit Hilfe der Ubiquitätslehre die Auf-
fassungen der Zwinglianer und Calvinisten zu widerlegen versucht. Wegen der Predigt war er vom Magi-
strat vorgeladen und ermahnt worden, derartige „Subtilitäten“ fortan nicht mehr auf die Kanzel zu brin-
gen, auch die Verwendung der Bezeichnungen „Zwinglianer“ und „Calvinisten“ zu unterlassen. Magnus
hatte sich mit dem Hinweis verteidigt, daß die Verwendung dieser Namen den Prädikanten in den anderen
Reichsstädten nicht verboten sei116. Als der Pfarrer Christian Serinus in einer Predigt am 24. Sonntag nach
Trinitatis (9. November) die Lehre von der leiblichen Gegenwart Christi in Brot und Wein als Infragestel-
lung der Glorie Christi bezeichnete und in diesem Zusammenhang auch die Ubiquitätslehre kritisierte,
scheint Magnus dies zu einer heftigen Entgegnung veranlaßt zu haben. Auf Bitten von Serinus wurde
Magnus daraufhin erneut vor den Magistrat geladen117. Bei dieser Sitzung am 22. November wurde Mag-
nus wohl auch auf die aus dem von ihm geleisteten Eid entspringenden Verpflichtungen hingewiesen (s.
oben S. 479f.). Am letzten Adventssonntag griff Serinus das Thema Abendmahl erneut in einer Predigt auf.
Nach Schmidt soll Serinus die Sakramente „äußerliche Zeichen“ genannt und sich dabei auf die Artikel 10
und 13 der Confessio Augustana berufen haben. Dies veranlaßte wiederum Magnus noch am gleichen
Abend, der Gemeinde sein Verständnis des Abendmahls und der entsprechenden Artikel des Bekenntnisses
darzulegen118.
Nach diesem neuerlichen Zwischenfall bestellte der Magistrat die Geistlichen der Stadt ein und legte
ihnen einen Entwurf mit Erläuterungen zu den umstrittenen Artikeln 10 und 13 der Confessio Augustana
vor. Dieses „Concept“ war vom Stadtschreiber Andreas Sandherr verfaßt worden, wobei der Pfarrer Chri-
stian Serinus wohl einige Änderungen daran vornahm119. Später erhielt es den Namen „Deklarations-
113 Gründliche und unvermeidentliche Widerlegung der giff-
tigen Lästerschrifft, welche ein ungenannter Calvinist
Anno 1634 wider die in Anno 1632 in deß Heil. Reichs
Stadt Colmar von Johanne Schmidt [...] gehaltene
Christliche Danckpredigt unter dem Titul: Kurtze Ver-
antwortung und Erklärung uber die Predigt etc., feind-
seliger weise außgesprenget. Warinnen [...] erwiesen, daß
nicht D. Johannis Schmidten in Colmar gehaltene Pre-
digt eine Schmachpredigt, sondern deß unbefugten heim-
tückischen Calvinisten genannte Verantwortung eine
schändliche Famosschrifft [...] sey [...], Straßburg 1637
(VD 17, 1:082019S). Ein weiterer Druck der Schrift
erschien ebenda 1638.
114 Vgl. RGG4 7, Sp. 933fBopp, Geistliche, Nr. 4622.
115 Vgl. Bopp, Geistliche, Nr. 1823.
116 Vgl. Schmidt, Widerlegung, S. 134f.
117 Ebd., S. 136f.
118 Ebd., S. 139f.
119 Vgl. Greyerz, City reformation, S. 134 mit Anm. 49
(hier wird auf einen Brief von Andreas Beck an Johann
Jakob Grynäus verwiesen, in welchem die Autorschaft
Sandherrs bezeugt ist). Nach Schmidt, Widerlegung,
S. 148 hatte Sandherr Serinus den Entwurf privatim [...]
vorgelesen und zu ubersehen [...] zugestellet.
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vor allem um die Lehre vom Abendmahl und damit zusammenhängend die Lehre von der Person Christi
ging. Das durch die Ablehnung der Unterschrift unter die Konkordienformel belastete Verhältnis zu Würt-
temberg erhielt dabei einen weiteren Dämpfer; aber aueh die Beziehungen zur Reichsstadt Straßburg wur-
den über längere Zeit empfindlich gestört. Eine aus dem Blickwinkel der lutherischen Orthodoxie verfaßte
ausführliche Darstellung der Ereignisse in Colmar bietet die Schrift „Gründliche und unvermeidentliche
Widerlegung“113 des Professors der Theologie und Präsidenten des Straßburger Kirchenkonvents Johannes
Schmidt, der 1632 nach der Einnahme Colmars durch die schwedischen Truppen auf Einladung des Gene-
rals Gustav Horn die erste evangelische Predigt in der Stadt hielt114.
Als Nachfolger des verstorbenen Emanuel Betuleius wurde 1589 auf die Empfehlung Herzog Ludwigs
von Württemberg der aus Winnenden (Württemberg) stammende Johann Georg Magnus (Groß) zum
Diakon in Colmar berufen. Magnus hatte an der Universität Tübingen studiert und war vor seiner Anstel-
lung in Colmar einige Jahre Pfarrer in Gerlingen bei Leonberg gewesen115. In Colmar bemühte er sich von
Beginn seiner Tätigkeit an um eine stärkere Ausrichtung der Gemeinde an der lutherischen Lehre. Nach der
Darstellung von Schmidt hatte Magnus in einer Predigt am Himmelfahrtstag den Mißbrauch der Perikope
über die Himmelfahrt durch die Zwinglianer, die das Sitzen Christi zur Rechten Gottes als Argument gegen
dessen leibliche Gegenwart im Abendmahl anführten, beklagt und mit Hilfe der Ubiquitätslehre die Auf-
fassungen der Zwinglianer und Calvinisten zu widerlegen versucht. Wegen der Predigt war er vom Magi-
strat vorgeladen und ermahnt worden, derartige „Subtilitäten“ fortan nicht mehr auf die Kanzel zu brin-
gen, auch die Verwendung der Bezeichnungen „Zwinglianer“ und „Calvinisten“ zu unterlassen. Magnus
hatte sich mit dem Hinweis verteidigt, daß die Verwendung dieser Namen den Prädikanten in den anderen
Reichsstädten nicht verboten sei116. Als der Pfarrer Christian Serinus in einer Predigt am 24. Sonntag nach
Trinitatis (9. November) die Lehre von der leiblichen Gegenwart Christi in Brot und Wein als Infragestel-
lung der Glorie Christi bezeichnete und in diesem Zusammenhang auch die Ubiquitätslehre kritisierte,
scheint Magnus dies zu einer heftigen Entgegnung veranlaßt zu haben. Auf Bitten von Serinus wurde
Magnus daraufhin erneut vor den Magistrat geladen117. Bei dieser Sitzung am 22. November wurde Mag-
nus wohl auch auf die aus dem von ihm geleisteten Eid entspringenden Verpflichtungen hingewiesen (s.
oben S. 479f.). Am letzten Adventssonntag griff Serinus das Thema Abendmahl erneut in einer Predigt auf.
Nach Schmidt soll Serinus die Sakramente „äußerliche Zeichen“ genannt und sich dabei auf die Artikel 10
und 13 der Confessio Augustana berufen haben. Dies veranlaßte wiederum Magnus noch am gleichen
Abend, der Gemeinde sein Verständnis des Abendmahls und der entsprechenden Artikel des Bekenntnisses
darzulegen118.
Nach diesem neuerlichen Zwischenfall bestellte der Magistrat die Geistlichen der Stadt ein und legte
ihnen einen Entwurf mit Erläuterungen zu den umstrittenen Artikeln 10 und 13 der Confessio Augustana
vor. Dieses „Concept“ war vom Stadtschreiber Andreas Sandherr verfaßt worden, wobei der Pfarrer Chri-
stian Serinus wohl einige Änderungen daran vornahm119. Später erhielt es den Namen „Deklarations-
113 Gründliche und unvermeidentliche Widerlegung der giff-
tigen Lästerschrifft, welche ein ungenannter Calvinist
Anno 1634 wider die in Anno 1632 in deß Heil. Reichs
Stadt Colmar von Johanne Schmidt [...] gehaltene
Christliche Danckpredigt unter dem Titul: Kurtze Ver-
antwortung und Erklärung uber die Predigt etc., feind-
seliger weise außgesprenget. Warinnen [...] erwiesen, daß
nicht D. Johannis Schmidten in Colmar gehaltene Pre-
digt eine Schmachpredigt, sondern deß unbefugten heim-
tückischen Calvinisten genannte Verantwortung eine
schändliche Famosschrifft [...] sey [...], Straßburg 1637
(VD 17, 1:082019S). Ein weiterer Druck der Schrift
erschien ebenda 1638.
114 Vgl. RGG4 7, Sp. 933fBopp, Geistliche, Nr. 4622.
115 Vgl. Bopp, Geistliche, Nr. 1823.
116 Vgl. Schmidt, Widerlegung, S. 134f.
117 Ebd., S. 136f.
118 Ebd., S. 139f.
119 Vgl. Greyerz, City reformation, S. 134 mit Anm. 49
(hier wird auf einen Brief von Andreas Beck an Johann
Jakob Grynäus verwiesen, in welchem die Autorschaft
Sandherrs bezeugt ist). Nach Schmidt, Widerlegung,
S. 148 hatte Sandherr Serinus den Entwurf privatim [...]
vorgelesen und zu ubersehen [...] zugestellet.
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