Die Vereinigten Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg
sich der Herzog jedoch, weniger strikt mit den Anhängern Luthers zu verfahren, denn am 3. Juli folgte eine
moderater gehaltene Ordnung, in der er Regelungen zu Pfarramt, Send und Klosterwesen traf. Die Pfarrer
sollten die Seelsorge persönlich versehen, das Wort Gottes „klairlich, oen alle uffrore, ergerniß ader eygen
nutz“ predigen, die Sakramente ohne Forderung von Stolgebühren reichen und niemanden zum Besuch von
Seelmessen und zur Teilnahme an Prozessionen drängen. Hinsichtlich der Klöster wurden überwiegend
güterrechtliche Bestimmungen getroffen.22
Herzog Johann III., der mit dieser Ordnung die bisher erlassenen Einzelmaßnahmen in einem Regel-
werk zusammenfasste und erstmals in den Bereich von Theologie und Dogmatik vordrang, führte hiermit
sein bisheriges reformorientiertes landesherrliches Kirchenregiment fort.23 Die Ordnung umreißt die Grund-
züge der Klever Kirchenpolitik zu Beginn der reformatorischen Bewegung: Sie kritisiert Missstände und
sucht diese abzuschaffen, strebt aber - um Unruhe im Land zu vermeiden - nach einer Reform, die keine
echten Veränderungen zulässt, sondern der bestehenden kirchlichen Ordnung verhaftet bleibt. Mit dieser
Kirchenpolitik suchte der Herzog das Heft des Handelns in der Hand zu behalten und die reformatorische
Bewegung „von unten“ als überflüssig hinzustellen.24
2. Kirchenordnung 1532/1533
2a. Kirchenordnung 11. Januar 1532 (Text S. 52)
An den Reichstagen der 1520er Jahre nahm Johann III. nicht persönlich teil,25 auch 1530 ließ er sich von
seinen Gesandten vertreten. Obwohl der Herzog auf dem Augsburger Reichstag keine aktive Rolle spielte,
muss seine Religionspolitik als Antwort auf diese Zusammenkunft und insbesondere auf die Übergabe der
Confessio Augustana durch die evangelischen Stände verstanden werden, denn noch 1530 nahm er selbst
eine grundlegende Reform seines Kirchenwesens in Angriff.
Am 18. Juli 1530 erließ er zunächst ein Mandat, in dem er gegen Missstände vorging und erneut seine
Sorge vor Aufständen unter der Bevölkerung zum Ausdruck brachte. Die herzoglichen Beamten sollten den
Klerus ermahnen, keine Neuerungen einzuführen und in den Predigten alles zu unterlassen, was Häresie
oder gar Rebellion hervorrufen könnte. Ferner stellte Johann III. den Erlass einer neuen Kirchenordnung in
Aussicht.26
Hintergrund des Mandats war vermutlich das Auftreten der sogenannten Wassenberger Prädikanten,
einer zwinglianisch-spiritualistisch orientierten Gruppe, die in Wassenberg, einem Ort im Jülicher Landes-
teil, predigten und radikal für Laienkelch und deutsche Kirchengesänge eintraten.27 Am 24. Oktober 1530
22 Flüchter, Zölibat, S. 122-127; Becker, Duldung,
S. 64-69; Smolinsky, Jülich-Kleve-Berg, S. 92; ders.,
Kirche in Jülich-Kleve-Berg, S. 106; ders., Docendus,
S. 543f.; Biermann, Erasmus, S. 16; Hashagen, Eras-
mus, S. 191; Goeters, Kirchenordnungen, S. 121;
Schulte, Neutralität, S. 21f.; Forsthoff, Zur Ge-
schichte 1922, S. 37; Janssen, Statuten, S. 292; Gail,
Vlatten, S. 39-42; Arand, Heresbach, S. 38; Coenen,
Katholische Kirche, S. 7 Anm. 9; Molitor, Mehr mit
den Augen, S. 93; Redlich, Staat und Kirche, S. 17f.;
Helbich, Van allem schelden, S. 16-20; Kloosterhuis,
Erasmusjünger, S. 362f.
23 Becker, Duldung, S. 57-64; Biermann, Erasmus,
S. 17f.; Hashagen, Erasmus, S. 193; Smolinsky, Kir-
chenpolitik, S. 310; Molitor, Politik, S. 47; Janssen,
Gute Ordnung, S. 38.
24 Flüchter, Zölibat, S. 124-126; Janssen, Vereinigte
Herzogtümer, S. 15f., 18.
25 Siehe die Instruktionen für seine Räte, LAV NRW R,
Jülich-Berg II, Nr. 241, vgl. Redlich, Staat und Kirche,
S. 13f., 24f.; Flüchter, Zölibat, S. 130-134.
26 Redlich, Jülich-Bergische Kirchenpolitik I, Nr. 235 und
Scotti, Sammlung ... Cleve ... Mark 1, Nr. 25. Vgl.
Redlich, Staat und Kirche, S. 27; Hashagen, Eras-
mus, S. 192; Biermann, Erasmus, S. 19f.; Goeters,
Kirchenordnungen, S. 121; Schröer, Reformation 1,
S. 232; Deckers, Hermann von Wied, S. 53f.; Forst-
hoff, Zur Geschichte 1922, S. 37; Gail, Vlatten, S. 48;
Stupperich, Der innere Gang, S. 26.
27 Im Laufe der 1530er Jahre verschwand diese Gruppierung
wieder, Rembert, Wiedertäufer, S. 160-343; Smo-
linsky, Kirche in Jülich-Kleve-Berg, S. 106; ders., Kir-
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sich der Herzog jedoch, weniger strikt mit den Anhängern Luthers zu verfahren, denn am 3. Juli folgte eine
moderater gehaltene Ordnung, in der er Regelungen zu Pfarramt, Send und Klosterwesen traf. Die Pfarrer
sollten die Seelsorge persönlich versehen, das Wort Gottes „klairlich, oen alle uffrore, ergerniß ader eygen
nutz“ predigen, die Sakramente ohne Forderung von Stolgebühren reichen und niemanden zum Besuch von
Seelmessen und zur Teilnahme an Prozessionen drängen. Hinsichtlich der Klöster wurden überwiegend
güterrechtliche Bestimmungen getroffen.22
Herzog Johann III., der mit dieser Ordnung die bisher erlassenen Einzelmaßnahmen in einem Regel-
werk zusammenfasste und erstmals in den Bereich von Theologie und Dogmatik vordrang, führte hiermit
sein bisheriges reformorientiertes landesherrliches Kirchenregiment fort.23 Die Ordnung umreißt die Grund-
züge der Klever Kirchenpolitik zu Beginn der reformatorischen Bewegung: Sie kritisiert Missstände und
sucht diese abzuschaffen, strebt aber - um Unruhe im Land zu vermeiden - nach einer Reform, die keine
echten Veränderungen zulässt, sondern der bestehenden kirchlichen Ordnung verhaftet bleibt. Mit dieser
Kirchenpolitik suchte der Herzog das Heft des Handelns in der Hand zu behalten und die reformatorische
Bewegung „von unten“ als überflüssig hinzustellen.24
2. Kirchenordnung 1532/1533
2a. Kirchenordnung 11. Januar 1532 (Text S. 52)
An den Reichstagen der 1520er Jahre nahm Johann III. nicht persönlich teil,25 auch 1530 ließ er sich von
seinen Gesandten vertreten. Obwohl der Herzog auf dem Augsburger Reichstag keine aktive Rolle spielte,
muss seine Religionspolitik als Antwort auf diese Zusammenkunft und insbesondere auf die Übergabe der
Confessio Augustana durch die evangelischen Stände verstanden werden, denn noch 1530 nahm er selbst
eine grundlegende Reform seines Kirchenwesens in Angriff.
Am 18. Juli 1530 erließ er zunächst ein Mandat, in dem er gegen Missstände vorging und erneut seine
Sorge vor Aufständen unter der Bevölkerung zum Ausdruck brachte. Die herzoglichen Beamten sollten den
Klerus ermahnen, keine Neuerungen einzuführen und in den Predigten alles zu unterlassen, was Häresie
oder gar Rebellion hervorrufen könnte. Ferner stellte Johann III. den Erlass einer neuen Kirchenordnung in
Aussicht.26
Hintergrund des Mandats war vermutlich das Auftreten der sogenannten Wassenberger Prädikanten,
einer zwinglianisch-spiritualistisch orientierten Gruppe, die in Wassenberg, einem Ort im Jülicher Landes-
teil, predigten und radikal für Laienkelch und deutsche Kirchengesänge eintraten.27 Am 24. Oktober 1530
22 Flüchter, Zölibat, S. 122-127; Becker, Duldung,
S. 64-69; Smolinsky, Jülich-Kleve-Berg, S. 92; ders.,
Kirche in Jülich-Kleve-Berg, S. 106; ders., Docendus,
S. 543f.; Biermann, Erasmus, S. 16; Hashagen, Eras-
mus, S. 191; Goeters, Kirchenordnungen, S. 121;
Schulte, Neutralität, S. 21f.; Forsthoff, Zur Ge-
schichte 1922, S. 37; Janssen, Statuten, S. 292; Gail,
Vlatten, S. 39-42; Arand, Heresbach, S. 38; Coenen,
Katholische Kirche, S. 7 Anm. 9; Molitor, Mehr mit
den Augen, S. 93; Redlich, Staat und Kirche, S. 17f.;
Helbich, Van allem schelden, S. 16-20; Kloosterhuis,
Erasmusjünger, S. 362f.
23 Becker, Duldung, S. 57-64; Biermann, Erasmus,
S. 17f.; Hashagen, Erasmus, S. 193; Smolinsky, Kir-
chenpolitik, S. 310; Molitor, Politik, S. 47; Janssen,
Gute Ordnung, S. 38.
24 Flüchter, Zölibat, S. 124-126; Janssen, Vereinigte
Herzogtümer, S. 15f., 18.
25 Siehe die Instruktionen für seine Räte, LAV NRW R,
Jülich-Berg II, Nr. 241, vgl. Redlich, Staat und Kirche,
S. 13f., 24f.; Flüchter, Zölibat, S. 130-134.
26 Redlich, Jülich-Bergische Kirchenpolitik I, Nr. 235 und
Scotti, Sammlung ... Cleve ... Mark 1, Nr. 25. Vgl.
Redlich, Staat und Kirche, S. 27; Hashagen, Eras-
mus, S. 192; Biermann, Erasmus, S. 19f.; Goeters,
Kirchenordnungen, S. 121; Schröer, Reformation 1,
S. 232; Deckers, Hermann von Wied, S. 53f.; Forst-
hoff, Zur Geschichte 1922, S. 37; Gail, Vlatten, S. 48;
Stupperich, Der innere Gang, S. 26.
27 Im Laufe der 1530er Jahre verschwand diese Gruppierung
wieder, Rembert, Wiedertäufer, S. 160-343; Smo-
linsky, Kirche in Jülich-Kleve-Berg, S. 106; ders., Kir-
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