Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (21. Band = Nordrhein-Westfalen, 1): Die Vereinigten Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg - das Hochstift und die Stadt Minden - das Reichsstift und die Stadt Herford - die Reichsstadt Dortmund - die Reichsabtei Corvey - die Grafschaft Lippe - das Reichsstift und die Stadt Essen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2015

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.30663#0056
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0, 5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die Vereinigten Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg

2c. Deklaration zur Kirchenordnung 8. April 1533 (Text S. 60)
In der Kirchenordnung waren viele Punkte nur knapp skizziert worden, was angesichts der geplanten
Visitation, bei der den Pfarrern und Gemeinden klare Richtlinien an die Hand gegeben werden sollten,
Probleme aufwarf. Im Sommer 1532 kamen die Räte mit dem Herzog in Düsseldorf zusammen und
beschlossen, eine Erläuterungsschrift zu den einzelnen Punkten der Kirchenordnung zu erarbeiten.58 Etwa
zur gleichen Zeit plante man auch, Erasmus von Rotterdam um Rat zu fragen.59 Im September reiste
Konrad von Heresbach mit einem Entwurf der Erläuterungsschrift zu ihm nach Freiburg.60 Die endgültige
Fassung der Deklaration muss am 6. Januar 1533 vorgelegen haben, denn an diesem Tag wurde sie anläss-
lich der Visitation in Wesel verlesen. Der Weseler Rat bat um eine Abschrift, worauf die Visitatoren ent-
gegneten, dass sie den Text zunächst zum Druck bringen wollten.61 Vor der Drucklegung fertigte Karl Harst
eine lateinische Übersetzung an, die Erasmus vorgelegt62 und von diesem gebilligt wurde.63 Mit Datum des
8. April erschien die Erläuterungsschrift in zwei sprachlich unterschiedlichen Fassungen im Druck. Die eine
Version orientiert sich am ripuarischen Dialekt, wie er in den südlichen Landesteilen der Herzogtümer
Jülich und Berg gebräuchlich war.64 Die andere ist in einem geldrisch-kleverländischen,65 ins Mittelnieder-
ländische weisenden, Dialekt abgefasst, der im äußersten Westen der Vereinigten Herzogtümer gesprochen
wurde.66 Die sprachlich unterschiedlichen, inhaltlich aber identischen Drucke gehen also vermutlich auf die
dialektale Differenzierung in den Vereinigten Herzogtümern zurück.67
Die Deklaration umfasst zehn Punkte, die sich strikt an den Inhalten der Kirchenordnung von 1532
orientieren.68 Die Kirchenordnung und die Deklaration bilden somit ein zusammengehöriges Ordnungs-
werk, das als Kirchenordnung von 1532/33 bezeichnet werden kann. Dieses Regelwerk vertritt eine Dog-

58 Redlich, Jülich-Bergische Kirchenpolitik I, Nr. 244.
Vgl. ders., Staat und Kirche, S. 30f.; Becker, Duldung,
S. 139f.; Hashagen, Erasmus, S. 184f.; Biermann,
Erasmus, S. 29; Smolinsky, Kirche in Jülich-Kleve-
Berg, S. 106f.; Maurenbrecher, Geschichte, S. 356;
Schulte, Neutralität, S. 37f.; Gail, Vlatten, S. 53f.
59 Brief Heresbachs an Vlatten vom 15. August 1532, Red-
lich, Freundesbriefe, Nr. VII: „Deliberatum fuit de arti-
culis ad Erasmum mittendis, ut ille de religione pro
harum ditionum ratione aliquid consuleret, stabatque
sententia D. Olichsleger et me eo mittere“. Vgl. Red-
lich, Jülich-Bergische Kirchenpolitik I, S. 255 Anm. 1;
ders., Staat und Kirche, S. 30f.; Szameitat, Heresbach,
S. 166f.
60 Biermann, Erasmus, S. 30; Wolters, Heresbach, S. 67
und Anm. 3; Hashagen, Erasmus, S. 184f.; Schulte,
Neutralität, S. 38; Forsthoff, Zur Geschichte 1922,
S. 42; Gail, Vlatten, S. 54.
61 Biermann, Erasmus, S. 35f.
62 Dies geht aus einer Bemerkung am Schluss der Überset-
zung hervor: „Hanc ordinationem illustrissimi nostri prin-
cipis ego Carolus Harst ex iussu d. Erasmi Roderodami,
cum apud illum Friburgi Brisgoia essem, verti in linguam
latinam, ut Erasmus illam ordinationem intelligeret, nam
ipse in lingua Germanica non erat adeo perfectus, et
deinde suum iuditium indicaret“, LAV NRW R, Jülich-
Berg II, Nr. 239a, fol. 62r-74v. Abbildung der Seite mit
Harsts Notiz bei Janssen, Kleve-Mark-Jülich-Berg-
Ravensberg, S. 37, S. 479 Nr. J 6. Vgl. Redlich, Jülich-
Bergische Kirchenpolitik I, S. 278; ders., Staat und Kir-
che, S. 31; Hashagen, Erasmus, S. 186f.; Biermann,
Erasmus, S. 30; Wolters, Heresbach, S. 67 und Anm. 3;
Schulte, Neutralität, S. 38f.

63 Allen, Opus epistolarum 10, Nr. 2845.
64 Zu den Abdrucken dieser Fassung siehe unten, Anm. 67.
65 Abdrucke dieser Fassung bei Scotti, Sammlung ... Cleve
... Mark 1, Nr. 33; Berg, Reformationsgeschichte,
S. 193-216; Richter, Kirchenordnungen I, S. 212-220;
Rotscheidt, Kirchenordnungen, S. 193-208. Stenger,
Quellen, S. 86-99 druckt das Exemplar, das an die Stadt
Soest geschickt worden war, vgl. Stupperich, Der
innere Gang, S. 30f.
66 Für die Identifizierung der Dialekte beider Fassungen
danke ich Prof. Ingrid Schröder von der „Arbeitsstelle
Mittelniederdeutsches Wörterbuch“ an der Universität
Hamburg.
67 Redlich, Jülich-Bergische Kirchenpolitik I, S. 278;
Finger, Reformation, S. 25, 59. Unser Abdruck folgt der
ripuarischen Version, die bereits abgedruckt wurde von
Redlich, Jülich-Bergische Kirchenpolitik I, Nr. 249.
Eine lateinische Übertragung bei Hamelmann, Opera
genealogico-historica de Westphalia et Saxonia,
S. 992-1001. Textlich leicht veränderte Übertragungen
drucken Teschenmacher, Annales, S. 26-47 und von
Steinen, Beschreibung, S. 105-147. Eine neuhochdeut-
sche Übertragung findet sich in Deckers, Hermann von
Wied, S. 167-187. Vgl. auch Borchling/Claussen,
Bibliographie 1, Nr. 1149.
68 Zum Inhalt siehe Dolan, Influence, S. 4-10; Schröer,
Reformation 1, S. 233f.; Redlich, Staat und Kirche,
S. 32-34; Deckers, Hermann von Wied, S. 55f.; Forst-
hoff, Zur Geschichte 1922, S. 49-52; Szameitat, Heres-
bach, S. 168-172; Becker, Duldung, S. 141-143; Stup-
perich, Der innere Gang, S. 27.

38
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften