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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Arend, Sabine [Oth.]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (21. Band = Nordrhein-Westfalen, 1): Die Vereinigten Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg - das Hochstift und die Stadt Minden - das Reichsstift und die Stadt Herford - die Reichsstadt Dortmund - die Reichsabtei Corvey - die Grafschaft Lippe - das Reichsstift und die Stadt Essen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.30663#0125
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Einleitung

der Pfarrkirche St. Martin zeigt sich auch darin, dass zahlreiche Stiftsherren aus ratsfähigen Familien
stammten.
Neben diesen drei Kloster- und Pfarrkirchen wurde Anfang des 13. Jahrhunderts das Chorherrenstift
St. Johannes17 gegründet. 1265 ist erstmals auch das Pauluskloster18 der Dominikaner erwähnt, und die
Predigerbrüder versahen auch die Seelsorge im Mindener Beginenhaus, das 1295 gestiftet worden war und
unter der Verwaltung des städtischen Rats stand.

2. Die evangelische Bewegung und Einführung der Reformation seit 1529/30
Im Jahre 1528 lebten rund 4000 Menschen in Minden, darunter etwa 350 Geistliche mit ihrem Anhang.19
Bereits im 15. Jahrhundert waren Klagen über die Missstände unter den Klerikern laut geworden. Auch
Franz I. von Braunschweig-Wolfenbüttel,20 der 1512 das Bischofsamt übernommen hatte, bot aufgrund
seines ausschweifenden Lebensstils Anlass zu Beschwerden. Seine Interessen waren mehr auf militärische
Manöver und Trinkgelage als auf ein geistliches Leben gerichtet. 1519 zog er Minden in die Hildesheimer
Stiftsfehde hinein, und die damit einhergehende Belagerung der Stadt brachte die Bewohner vollends gegen
ihn auf.21
Ähnlich wie in Soest waren die Anfänge der Mindener Reformation mit Bürgerunruhen verbunden. Bis
1526 kam es zu mehreren Auseinandersetzungen der Bürger mit dem Klerus, der ebenso wie der Bischof ein
provozierend weltliches Leben führte und zahlreiche Privilegien - etwa die Befreiung von der städtischen
Steuerlast - genoss.
Die innerstädtischen Unruhen bereiteten dem reformatorischen Gedankengut in Minden den
Boden.22 Die neue Lehre gelangte vermutlich aus der nördlich angrenzenden Grafschaft Hoya nach Minden.
Graf Jobst II. von Hoya hatte in der Untergrafschaft mit Adrian Buxschot bereits 1525 einen evangelischen
Prediger angestellt, und auch Graf Erich IV. ließ in der Obergrafschaft Stolzenau Nikolaus Krage seit 1526
evangelisch predigen.23 Zu den Wegbereitern der Reformation in Minden gehörte Albert Niese,24 der mög-
licherweise aus Minden stammte, wo er um 1525 an St. Marien das Evangelium verkündigte.

17 Das Chorherrenstift St. Johannes ist erstmals 1216
erwähnt, Nordsiek, Minden - Kollegiatstift St. Johan-
nis, S. 624-629.
18 Lohrum, Minden - Dominikaner, S. 629-632; Schlip-
köther, Klerikerwissen, S. 85-148; Eckert, Domini-
kaner, S. 21-29; Nordsiek, Topographie, S. 39; ders.,
Minden - Beginen, S. 637f. Zur Lage der Kirchen in der
Stadt siehe auch ders., Topographie, S. 22-24, 38-40, 46f.
19 In der Mindener Kirchenordnung von 1530 (Nr. 2) heißt
es: „Sülcke gelerde apen, yck segge Papen, sint unse heren
tho Mynden, der doch schyr bi verdehalff hundert sint“,
siehe unten, S. 141. Vgl. Ditt, Stadteinzugsbereich,
S.188-197.
20 Zu Franz I. siehe Olpp, Stellung, S. 34-37; Aschoff,
Franz, S. 192f.; Brandt/Hengst, Victrix Mindensis
ecclesia, S. 54f.
21 Aschoff, Franz, S. 193; Krieg, Einführung, S. 37f.;
Schröer, Reformation 2, S. 25f.; Olpp, Stellung, S. 34f.;
Pless, Einführung, S. 6-9.
22 Vgl. Ehbrecht, Form und Bedeutung, S. 139-141;
Schulte, Macht auf Zeit, S. 111; Krieg, Einführung,
S. 34-38, 51; ders., Geschichte des Bistums, S. 58; Spei-

tel, Aus der Geschichte, S. 9; Brandt, Reformen,
S. 11-14; Nordsiek, Vom Fürstbistum, S. 252;
Schröer, Reformation 2, S. 269. 1523 erschien die
Schrift „Clawes Buwr“ des Mindener Magisters Bado, die
sich mit der Geldgier des Klerus und den „Mietpfaffen“
auseinandersetzte, Krieg, Margrit, Der Mindener
Dichter M. Bado und sein Streitgedicht „Clawes Buwr“,
in: Mindener Heimatblätter 31 (1959), S. 85-88; Anger-
mann, Volksleben, S. 92f., 95-97; Schröer, Reforma-
tion 2, S. 27.
23 Nordsiek, Glaube und Politik, S. 13; ders., Von
Lüchow, S. 52-55. Die Anfänge der Reformation in der
Stadt Minden sind aufgrund schlechter Quellenlage nur in
groben Zügen bekannt.
24 Zu Albert Niese (1486-1557) siehe Krieg, Einführung,
S. 41-43; Bauks, Pfarrer, Nr. 4519; Speitel, Aus der
Geschichte, S. 10; Nordsiek, Anfänge, S. 52-56;
Wilms, Geschichte, S. 19 Anm. 27, S. 33 Anm. 64; Ha-
melmann, Reformationsgeschichte 2, S. 76, 79;
Schröer, Reformation 2, S. 269f.; Rothert, Kirchen-
geschichte, S. 21f.

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