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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (21. Band = Nordrhein-Westfalen, 1): Die Vereinigten Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg - das Hochstift und die Stadt Minden - das Reichsstift und die Stadt Herford - die Reichsstadt Dortmund - die Reichsabtei Corvey - die Grafschaft Lippe - das Reichsstift und die Stadt Essen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.30663#0130
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Das Hochstift und die Stadt Minden

katholisch geltendes, verfassungsmäßiges Organ der landesherrlichen Mitregierung bis 1648, als Landstand
ohne Regierungsbefugnisse aber bis 1806 fungierte; erst 1810 wurde es aufgelöst“.55
Krages Nachfolger in der Posititon des Mindener Stadtsuperintendenten wurde der von Urbanus Rhe-
gius empfohlene Gerd Oemeken,56 der von 1535 bis 1540 in Minden wirkte. 1536 wurde Minden Mitglied des
Schmalkaldischen Bundes und im Jahr darauf unterzeichnete Oemeken im Namen der Stadt die Schmal-
kaldischen Artikel.57
1538 holte der Rat Urbanus Rhegius nach Minden, der bereits in früheren Jahren als Schlichter in einer
Auseinandersetzung zwischen Rat und Gilden tätig gewesen war. Auch jetzt sollte er die erneut aufgetre-
tenen innerstädtischen Spannungen lösen. Der Chronist Heinrich Piel, der selbst Ratsherr und Syndikus in
Minden gewesen war, berichtet über Rhegius’ Aufenthalt in der Stadt58 und erwähnt, dass dieser eine
Kirchenordnung für Minden entworfen habe, die jedoch nicht in Geltung gesetzt worden sei.59 Gerd Oeme-
ken geriet schließlich ebenfalls mit dem Rat in Konflikt und wurde seines Superintendentenamts enthoben.
Daraufhin berief der Magistrat 1540 Johann Dreyer aus Herford, der bis 1544 in Minden tätig war.60
Ende der 1530er Jahre zeitigte der Prozess, den die Vertreter der exilierten Mindener Stifte und Klöster
gegen die Stadt angestrengt hatten, Wirkung. Da sich die Stadt trotz mehrerer Aufforderungen seitens des
Kaisers und des Reichskammergerichts weigerte, die Klostergüter zu restituieren, wurde am 9. Oktober
1538 die Reichsacht über Minden verhängt.61 Sie konnte jedoch nicht vollstreckt werde, da die Stadt als
Mitglied des Schmalkaldischen Bundes in ein engmaschiges Netz politischer Beziehungen eingebunden war.
Auf Intervention des Bundes wurde die Acht 1541 schließlich suspendiert.62

55 Nordsiek, Vom Fürstbistum, S. 253. Vgl. ders., Glaube
und Politik, S. 24; Minden 1530, S. 30, Nr. 30.
56 Gert Oemeken (um 1500-1562) stammte aus Kamen. Er
war in Wittenberg, Lübeck, Büderich und Lippstadt als
Prediger tätig und hielt sich 1532 für einige Monate in
Soest auf, wo er eine Kirchenordnung entwarf. Anschlie-
ßend wirkte er erneut in Lübeck sowie in Lemgo und Min-
den. Nach 1540 stand er in Diensten der Herzöge von
Braunschweig-Lüneburg und seit 1547 war er Superinten-
dent in Güstrow, Knodt, Omeken, S. 125-142; Stup-
perich, Oemekens Wirksamkeit, S. 151-158; Krafft,
Oemiken, S. 267-273; Goeters, Oemeken, S. 67-90;
Wilhelm-Schaffer, Art. Oemeken, in: BBKL 6
(1993), Sp. 1150f.; Bauks, Pfarrer, Nr. 4581.
57 BSELK S. 782. Vgl. Nordsiek, Glaube und Politik,
S. 19-23; ders., Anfänge, S. 85; Schröer, Reformation 2,
S. 285f.; Schulte, Macht auf Zeit, S. 122.
58 Krieg, Chronicon, S. 129f. Rhegius berichtete auch sei-
nem Landesherrn, Herzog Ernst von Braunschweig-Lü-
neburg, von seinen Erfahrungen in Minden, siehe Nord-
siek, Von Lüchow, S. 64-66.
59 Krieg, Chronicon, S. 130: „Darunter ist gesecht, daß
doctor Urbanus Regius eine ordenunge gemacht, die vor-
loren wurden, welches dan geschehen aus anstiftunge des
predicanten, davon zu mehren malen gesecht ist. Den

deme muchte dieselbige aller dinge nicht gefallen, seiner
besoldunge halber, so ihme darinne vorendert. Auch
waren zwei puncta dareine von annemunge und abset-
zunge der predicanten, also daß die unterpredicanten sol-
ten angenomen werden aus rade des superintendenten und
dero eltesten des capitals [=caspels] und auch, so dar
gebreche einfellen, von denen abgesetzet, der superatten-
dente aber gleiches fals mit rade des ganzen rades, alt und
neuwe“. Vgl. Stupperich, Urbanus Rhegius, S. 28-30;
Schröer, Reformation 2, S. 288f.
60 Brecht, Reformation, S. 35f.; Schröer, Reforma-
tion 2, S. 284f., 289f.; Stupperich, Entstehungsge-
schichte, S. 40; ders., Geistige Strömungen, S. 207; ders.,
Reformation im Weserraum, S. 265f.; Nordsiek, Von
Lüchow, S. 62-64; Rothert, Kirchengeschichte, S. 24-
27; Ehbrecht, Form und Bedeutung, S. 149.
61 LAV NRW W, St. Martini Minden, Urkunden, Nr. 322.
62 Hölscher, Ludwig, Die Geschichte der Mindener
Reichsacht 1538 bis 1541, in: ZGNKG 9 (1904),
S. 192-202; Nordsiek, Glaube und Politik, S. 16f.;
Stupperich, Oemekens Wirksamkeit, S. 153-158;
Schröer, Reformation 2, S. 286-288; Kühn, Religions-
prozesse, S. 103-107; Ditt, Stadteinzugsbereich, S. 199-
215.

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