Einleitung
3. Das Reformationsvorhaben und die Kirchenordnung Bischof Franz’ von Waldeck
1542/43
Franz von Waldeck, seit 1532 Administrator des Bistums Minden und gleichzeitig Bischof von Münster und
Osnabrück, sah sich in den 1540er Jahren zum Handeln gegenüber der sich in seinem Herrschaftsbereich
immer weiter verbreitenden neuen Lehre gezwungen. Möglicherweise unter dem Eindruck des Reforma-
tionsversuchs im Erzbistum Köln, dessen Suffragane seine drei Diözesen waren, wandte er sich schließlich
selbst der neuen Lehre zu. Franz’ Haltung geht aus einem Brief hervor, den Landgraf Philipp von Hessen
am 9. September 1542 an Martin Bucer sandte: „Weiter konnen wir euch auch nit pergen, das der bischove
von Munster von wegen seiner selbst und dan der stifft Osnaprug und Minden bei unß ein vertrauete
botschaft gehapt, das Evangelion und seligmachende gotteswort auch anzunemen“.63
Wenige Wochen darauf bemühte sich Franz von Waldeck darum, Antonius Corvinus zur Ausarbeitung
einer Kirchenordnung für seine drei Bistümer zu bewegen. Am 14. Oktober wandte er sich an Herzogin
Elisabeth von Braunschweig-Lüneburg und bat sie, Corvinus nach Petershagen zu entsenden.64 Elisabeth
wies Franz’ Bitte jedoch zurück, da Corvinus mit der Visitation ihres Herzogtums befasst sei.65
1543 führte Franz von Waldeck die Reformation auch ohne Corvinus’ Hilfe im Fürstbistum Osnabrück,
im Niederstift Münster sowie in der Herrschaft Delmenhorst ein. Wie aus seinem Schreiben an Landgraf
Philipp vom 31. August 1543 hervorgeht, bezogen sich Franz’ Reformationspläne auch auf das Fürstbistum
Minden, denn er berichtete, dass er „dat gotlige wort hillige evangelion in unsen beiden stifften Osenbrugge
und Minden, ock an etligen orden im stifft Munster angenomen [habe] und predigen“66 lasse.
Im gleichen Jahr beauftragte Franz von Waldeck den Lübecker Superintendenten Hermann Bonnus67
(1504-1548) damit, eine Kirchenordnung für das Bistum Osnabrück auszuarbeiten.68 Von dieser Ordnung
sind vier handschriftliche Exemplare bekannt69, darunter eines, dessen Titel auch auf das Bistum Minden
verweist, das jedoch als Kriegsverlust gilt.70 Ob die Osnabrücker Ordnung tatsächlich im Fürstbistum
63 Lenz, Briefwechsel 2, S. 94. Vgl. Wolgast, Hochstift,
S. 106; Behr, Franz von Waldeck, Fürstbischof 1, S. 286.
64 Tschackert, Briefwechsel, Nr. 154; Behr, Franz von
Waldeck, Fürstbischof 2, S. 325f. Nr. 257.
65 Tschackert, Briefwechsel, Nr. 156. Vgl. Krieg, Ein-
führung, S. 63; Minden 1530, S. 52 Nr. 14; Nordsiek,
Einführung, S. 46; ders., Glaube und Politik, S. 27f.;
Wolgast, Hochstift, S. 107.
66 Behr, Franz von Waldeck, Fürstbischof 2, S. 339f.
Nr. 275. Vgl. ebd. Bd. 1, S. 290f.; Nordsiek, Entste-
hung, S. 72; Gillner, Freie Herren, S. 75-79; Hoff-
mann, Adel, S. 128-132. Ein päpstlicher Berichterstatter
beurteilte die Verhältnisse im Hochstift Minden am 10.
August 1543 ähnlich: „Non possum sine lacrimis haec
pauca significare, episcopum nostrum in dies magis curare
rem lutheranam quam suas ecclesias. Non audeo calamo
committere, velim D.V. [= Franz von Waldeck] sciret, sed
non ex me; fiunt omnia violentissime per suos consiliarios.
Hoc autem credo, quod non omnia sciat episcopus, quae
faciant, suique sunt peiores Lutheranis“, Behr, Franz
von Waldeck, Fürstbischof 2, S. 338 Nr. 272.
67 Zu Bonnus siehe Spiegel, Bonnus, S. 77-104; Bautz,
Art. Bonnus, in: BBKL 1 (1990), Sp. 696; Flaskamp,
Bonnus, S. 8-15.
68 Abdruck in Sehling, EKO VII/1, S. 222-226. Bonnus’
Ordnung für das Stift Osnabrück war angelehnt an die
ebenfalls von ihm stammende Kirchenordnung für die
Stadt Osnabrück von 1543 (Abdruck ebd., S. 247-264)
sowie an Bugenhagens Kirchenordnungen für Braun-
schweig 1528, Hamburg 1529 und Lübeck 1531. Vgl. Seh-
ling, EKO VII/1, S. 215; Grosse-Dresselhaus, Ein-
führung, S. 80-82; Behr, Franz von Waldeck (um
1491-1553), S. 50. Zum Vergleich einzelner Passagen der
Mindener Kirchenordnung von 1530 mit der Stadt-
Osnabrücker von 1543 siehe Sehling, EKO VII/1,
S. 248-261 in den Anmerkungen.
69 Eines, das im Staatsarchiv Münster aufbewahrt wird und
das dem Abdruck in Sehling, EKO VII/1, S. 222-226
zugrunde liegt, eine stark beschädigte Abschrift, die im
Groninger Gemeindearchiv verwahrt wird, eine Abschrift,
die im Staatsarchiv Osnabrück überliefert ist, und ein
Exemplar, das in der Universitätsbibliothek in Münster
vorhanden war, aber im Zweiten Weltkrieg vernichtet
wurde.
70 „Kerckenordeninge vor de Stade und Landtkerken der
Stiffte Münster, Ossenbrugk und Mynden, gestellet dorch
den Ehrwerdigen und der hilligen schrift hoch unnd wol-
gelerten Hern Magistrum Hermannum Bonnum [...] uth
bevele dess hochwerdigen, hochvormogenden Fürsten und
Heren, Frantzen, Bisschopf tho Münster und Osenbrugk,
Administrator tho Mynden, Grave tho Waldegk Anno
1543“, zitiert nach Spiegel, Bonnus, S. 182 Anm. 1,
ebenso bei Flaskamp, Bonnus, S. 15 Anm. 58. Vgl. Seh-
ling, EKO VII/1, S. 216, 222 Anm. 1, S. 224. Spiegel,
113
3. Das Reformationsvorhaben und die Kirchenordnung Bischof Franz’ von Waldeck
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Franz von Waldeck, seit 1532 Administrator des Bistums Minden und gleichzeitig Bischof von Münster und
Osnabrück, sah sich in den 1540er Jahren zum Handeln gegenüber der sich in seinem Herrschaftsbereich
immer weiter verbreitenden neuen Lehre gezwungen. Möglicherweise unter dem Eindruck des Reforma-
tionsversuchs im Erzbistum Köln, dessen Suffragane seine drei Diözesen waren, wandte er sich schließlich
selbst der neuen Lehre zu. Franz’ Haltung geht aus einem Brief hervor, den Landgraf Philipp von Hessen
am 9. September 1542 an Martin Bucer sandte: „Weiter konnen wir euch auch nit pergen, das der bischove
von Munster von wegen seiner selbst und dan der stifft Osnaprug und Minden bei unß ein vertrauete
botschaft gehapt, das Evangelion und seligmachende gotteswort auch anzunemen“.63
Wenige Wochen darauf bemühte sich Franz von Waldeck darum, Antonius Corvinus zur Ausarbeitung
einer Kirchenordnung für seine drei Bistümer zu bewegen. Am 14. Oktober wandte er sich an Herzogin
Elisabeth von Braunschweig-Lüneburg und bat sie, Corvinus nach Petershagen zu entsenden.64 Elisabeth
wies Franz’ Bitte jedoch zurück, da Corvinus mit der Visitation ihres Herzogtums befasst sei.65
1543 führte Franz von Waldeck die Reformation auch ohne Corvinus’ Hilfe im Fürstbistum Osnabrück,
im Niederstift Münster sowie in der Herrschaft Delmenhorst ein. Wie aus seinem Schreiben an Landgraf
Philipp vom 31. August 1543 hervorgeht, bezogen sich Franz’ Reformationspläne auch auf das Fürstbistum
Minden, denn er berichtete, dass er „dat gotlige wort hillige evangelion in unsen beiden stifften Osenbrugge
und Minden, ock an etligen orden im stifft Munster angenomen [habe] und predigen“66 lasse.
Im gleichen Jahr beauftragte Franz von Waldeck den Lübecker Superintendenten Hermann Bonnus67
(1504-1548) damit, eine Kirchenordnung für das Bistum Osnabrück auszuarbeiten.68 Von dieser Ordnung
sind vier handschriftliche Exemplare bekannt69, darunter eines, dessen Titel auch auf das Bistum Minden
verweist, das jedoch als Kriegsverlust gilt.70 Ob die Osnabrücker Ordnung tatsächlich im Fürstbistum
63 Lenz, Briefwechsel 2, S. 94. Vgl. Wolgast, Hochstift,
S. 106; Behr, Franz von Waldeck, Fürstbischof 1, S. 286.
64 Tschackert, Briefwechsel, Nr. 154; Behr, Franz von
Waldeck, Fürstbischof 2, S. 325f. Nr. 257.
65 Tschackert, Briefwechsel, Nr. 156. Vgl. Krieg, Ein-
führung, S. 63; Minden 1530, S. 52 Nr. 14; Nordsiek,
Einführung, S. 46; ders., Glaube und Politik, S. 27f.;
Wolgast, Hochstift, S. 107.
66 Behr, Franz von Waldeck, Fürstbischof 2, S. 339f.
Nr. 275. Vgl. ebd. Bd. 1, S. 290f.; Nordsiek, Entste-
hung, S. 72; Gillner, Freie Herren, S. 75-79; Hoff-
mann, Adel, S. 128-132. Ein päpstlicher Berichterstatter
beurteilte die Verhältnisse im Hochstift Minden am 10.
August 1543 ähnlich: „Non possum sine lacrimis haec
pauca significare, episcopum nostrum in dies magis curare
rem lutheranam quam suas ecclesias. Non audeo calamo
committere, velim D.V. [= Franz von Waldeck] sciret, sed
non ex me; fiunt omnia violentissime per suos consiliarios.
Hoc autem credo, quod non omnia sciat episcopus, quae
faciant, suique sunt peiores Lutheranis“, Behr, Franz
von Waldeck, Fürstbischof 2, S. 338 Nr. 272.
67 Zu Bonnus siehe Spiegel, Bonnus, S. 77-104; Bautz,
Art. Bonnus, in: BBKL 1 (1990), Sp. 696; Flaskamp,
Bonnus, S. 8-15.
68 Abdruck in Sehling, EKO VII/1, S. 222-226. Bonnus’
Ordnung für das Stift Osnabrück war angelehnt an die
ebenfalls von ihm stammende Kirchenordnung für die
Stadt Osnabrück von 1543 (Abdruck ebd., S. 247-264)
sowie an Bugenhagens Kirchenordnungen für Braun-
schweig 1528, Hamburg 1529 und Lübeck 1531. Vgl. Seh-
ling, EKO VII/1, S. 215; Grosse-Dresselhaus, Ein-
führung, S. 80-82; Behr, Franz von Waldeck (um
1491-1553), S. 50. Zum Vergleich einzelner Passagen der
Mindener Kirchenordnung von 1530 mit der Stadt-
Osnabrücker von 1543 siehe Sehling, EKO VII/1,
S. 248-261 in den Anmerkungen.
69 Eines, das im Staatsarchiv Münster aufbewahrt wird und
das dem Abdruck in Sehling, EKO VII/1, S. 222-226
zugrunde liegt, eine stark beschädigte Abschrift, die im
Groninger Gemeindearchiv verwahrt wird, eine Abschrift,
die im Staatsarchiv Osnabrück überliefert ist, und ein
Exemplar, das in der Universitätsbibliothek in Münster
vorhanden war, aber im Zweiten Weltkrieg vernichtet
wurde.
70 „Kerckenordeninge vor de Stade und Landtkerken der
Stiffte Münster, Ossenbrugk und Mynden, gestellet dorch
den Ehrwerdigen und der hilligen schrift hoch unnd wol-
gelerten Hern Magistrum Hermannum Bonnum [...] uth
bevele dess hochwerdigen, hochvormogenden Fürsten und
Heren, Frantzen, Bisschopf tho Münster und Osenbrugk,
Administrator tho Mynden, Grave tho Waldegk Anno
1543“, zitiert nach Spiegel, Bonnus, S. 182 Anm. 1,
ebenso bei Flaskamp, Bonnus, S. 15 Anm. 58. Vgl. Seh-
ling, EKO VII/1, S. 216, 222 Anm. 1, S. 224. Spiegel,
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