Einleitung
Die im Augsburger Religionsfrieden von 1555 enthaltene Bestimmung, dass ein katholischer Bischof im
geistlichen Herrschaftsbereich seiner Diözese keine Machtbefugnisse über protestantische Diözesanen besit-
zen sollte, hatte für das Bistum Minden weitreichende Konsequenzen. Da sich dieses über weite Teile der
evangelischen Territorien Braunschweig-Lüneburg, Braunschweig-Calenberg, Hoya, Ravensberg und Diep-
holz erstreckte, hatte der Bischof hier jeglichen Einfluss verloren. Das Bistum Minden in seiner bisherigen
Ausdehnung existierte folglich nicht mehr. Geistliche Macht besaß der Diözesan nur noch innerhalb der
engen Grenzen seines Fürstbistums.78
4. Polizeiordnung 18. Februar 1566 (Text S. 149)
Zu den wenigen erhaltenen Quellen, die Auskunft über Angelegenheiten der Kirchen- und Sittenzucht in der
Stadt Minden geben, gehören zwei Polizeiordnungen aus den Jahren 1566 (Nr. 4) und 1604 (Nr. 7). Die
ältere ist in zwei Fassungen überliefert, zum einen als Konzept, zum anderen als unvollständige Rein-
schrift.79 Letztere trägt auf der Rückseite den Vermerk „Bruchhern Rülle, abgeschrieben, doch incorrect“.
Die Polizeiordnung von 1566 stellte also das für die Bruchherren geschaffene Verzeichnis der Bußgelder dar.
Der Inhalt der Ordnung reicht von Kirchenzucht und Sittenaufsicht, über ordnungs- und sicherheits-
polizeiliche Anweisungen, bis hin zu Luxusverordnungen. Die meisten der 47 Artikel80 befassen sich mit
Handel und Eichwesen sowie feld-, forst-, bau- und feuerpolizeilichen Maßnahmen.81 Die Ordnung weist
nur wenige für unsere Edition relevante Abschnitte auf, nämlich Verbote von Gotteslästerung, Fluchen und
Beschwörungen, außerehelichem Beischlaf und Ehebruch sowie die Einschärfung der Sonntagsheiligung.
5. Lübbecker Rezess 15. April 1573 (Text S. 151)
Nach dem Tod Bischof Georgs am 4. Dezember 1566 wählte das Domkapitel Hermann von Schaum-
burg82 zu dessen Nachfolger. Hermann stammte aus einer evangelischen Familie, und Pius V. verweigerte
ihm die päpstliche Bestätigung, da er fürchtete, Hermann verhelfe dem Protestantismus im Stift Minden
zur vollständigen Durchsetzung. Erst nachdem Hermann 1572 ein demonstratives Bündnis mit der katho-
lischen Geistlichkeit in Minden geschlossen hatte, erhielt er am 29. Mai 1573 von Papst Gregor XIII. die
Approbation seiner Wahl.83
Der alte Konflikt zwischen der evangelischen Stadt und der katholischen Geistlichkeit um Rechte und
Verfassung in Minden, den man bereits 1535 mit einem Vertrag (Nr. 3) beizulegen versucht hatte, wurde
jedoch Anfang der 1570er Jahre, also Jahrzehnte später, wieder virulent. Die Stadt Minden konnte die
Auseinandersetzung vermutlich auch deshalb so scharf führen, weil Hermanns Bischofswahl zu dieser Zeit
noch nicht bestätigt war.84
1573 wurde ein neuer Versuch unternommen, den Dauerkonflikt aus der Welt zu schaffen: Auf Vermitt-
lung einiger Mitglieder der Ritterschaft unterzeichneten die Streitparteien am 15. April 1573 in Lübbecke
einen Rezess, in dem die Rechte von Bischof, Domkapitel und Stadt detailliert festgelegt wurden. Dieses
Dokument, das in erster Linie weltliche Belange betraf, hatte jedoch auch für konfessionelle Fragen Bedeu-
78 Nordsiek, Vom Fürstbistum, S. 257; ders., Entstehung,
S. 76; ders., 450 Jahre, S. 103.
79 Siehe unten, S. 149 Anm. a.
80 Die Artikel 48 und 49 wurden 1576 ergänzt.
81 Zum Inhalt siehe auch Linnemeier, Obrigkeit,
S. 214-228. Ebd., S. 210-214 sind einige inhaltliche Par-
allelen zu Polizeiordnungen aus Bremen, Hannover und
Bielefeld aufgezeigt.
82 Zu Hermann von Schaumburg siehe Bernstorf, Her-
mann, S. 73-145; Aschoff, Hermann, S. 285-287; Bei
der Wieden, Hermann, S. 41-59; Nordsiek, Glaube
und Politik, S. 109 Anm. 177; Olpp, Stellung, S. 40;
Brandt/Hengst, Victrix Mindensis ecclesia, S. 61.
83 Vgl. Nordsiek, Vom Fürstbistum, S. 259; ders., Entste-
hung, S. 77; ders., Glaube und Politik, S. 51; Schröer,
Kirche in Westfalen 1, S. 51-56; Olpp, Stellung, S. 40;
Rogge, Miteinander, S. 30; Bernstorf, Hermann,
S. 75-87.
84 Vgl. Rogge, Miteinander, S. 33.
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Die im Augsburger Religionsfrieden von 1555 enthaltene Bestimmung, dass ein katholischer Bischof im
geistlichen Herrschaftsbereich seiner Diözese keine Machtbefugnisse über protestantische Diözesanen besit-
zen sollte, hatte für das Bistum Minden weitreichende Konsequenzen. Da sich dieses über weite Teile der
evangelischen Territorien Braunschweig-Lüneburg, Braunschweig-Calenberg, Hoya, Ravensberg und Diep-
holz erstreckte, hatte der Bischof hier jeglichen Einfluss verloren. Das Bistum Minden in seiner bisherigen
Ausdehnung existierte folglich nicht mehr. Geistliche Macht besaß der Diözesan nur noch innerhalb der
engen Grenzen seines Fürstbistums.78
4. Polizeiordnung 18. Februar 1566 (Text S. 149)
Zu den wenigen erhaltenen Quellen, die Auskunft über Angelegenheiten der Kirchen- und Sittenzucht in der
Stadt Minden geben, gehören zwei Polizeiordnungen aus den Jahren 1566 (Nr. 4) und 1604 (Nr. 7). Die
ältere ist in zwei Fassungen überliefert, zum einen als Konzept, zum anderen als unvollständige Rein-
schrift.79 Letztere trägt auf der Rückseite den Vermerk „Bruchhern Rülle, abgeschrieben, doch incorrect“.
Die Polizeiordnung von 1566 stellte also das für die Bruchherren geschaffene Verzeichnis der Bußgelder dar.
Der Inhalt der Ordnung reicht von Kirchenzucht und Sittenaufsicht, über ordnungs- und sicherheits-
polizeiliche Anweisungen, bis hin zu Luxusverordnungen. Die meisten der 47 Artikel80 befassen sich mit
Handel und Eichwesen sowie feld-, forst-, bau- und feuerpolizeilichen Maßnahmen.81 Die Ordnung weist
nur wenige für unsere Edition relevante Abschnitte auf, nämlich Verbote von Gotteslästerung, Fluchen und
Beschwörungen, außerehelichem Beischlaf und Ehebruch sowie die Einschärfung der Sonntagsheiligung.
5. Lübbecker Rezess 15. April 1573 (Text S. 151)
Nach dem Tod Bischof Georgs am 4. Dezember 1566 wählte das Domkapitel Hermann von Schaum-
burg82 zu dessen Nachfolger. Hermann stammte aus einer evangelischen Familie, und Pius V. verweigerte
ihm die päpstliche Bestätigung, da er fürchtete, Hermann verhelfe dem Protestantismus im Stift Minden
zur vollständigen Durchsetzung. Erst nachdem Hermann 1572 ein demonstratives Bündnis mit der katho-
lischen Geistlichkeit in Minden geschlossen hatte, erhielt er am 29. Mai 1573 von Papst Gregor XIII. die
Approbation seiner Wahl.83
Der alte Konflikt zwischen der evangelischen Stadt und der katholischen Geistlichkeit um Rechte und
Verfassung in Minden, den man bereits 1535 mit einem Vertrag (Nr. 3) beizulegen versucht hatte, wurde
jedoch Anfang der 1570er Jahre, also Jahrzehnte später, wieder virulent. Die Stadt Minden konnte die
Auseinandersetzung vermutlich auch deshalb so scharf führen, weil Hermanns Bischofswahl zu dieser Zeit
noch nicht bestätigt war.84
1573 wurde ein neuer Versuch unternommen, den Dauerkonflikt aus der Welt zu schaffen: Auf Vermitt-
lung einiger Mitglieder der Ritterschaft unterzeichneten die Streitparteien am 15. April 1573 in Lübbecke
einen Rezess, in dem die Rechte von Bischof, Domkapitel und Stadt detailliert festgelegt wurden. Dieses
Dokument, das in erster Linie weltliche Belange betraf, hatte jedoch auch für konfessionelle Fragen Bedeu-
78 Nordsiek, Vom Fürstbistum, S. 257; ders., Entstehung,
S. 76; ders., 450 Jahre, S. 103.
79 Siehe unten, S. 149 Anm. a.
80 Die Artikel 48 und 49 wurden 1576 ergänzt.
81 Zum Inhalt siehe auch Linnemeier, Obrigkeit,
S. 214-228. Ebd., S. 210-214 sind einige inhaltliche Par-
allelen zu Polizeiordnungen aus Bremen, Hannover und
Bielefeld aufgezeigt.
82 Zu Hermann von Schaumburg siehe Bernstorf, Her-
mann, S. 73-145; Aschoff, Hermann, S. 285-287; Bei
der Wieden, Hermann, S. 41-59; Nordsiek, Glaube
und Politik, S. 109 Anm. 177; Olpp, Stellung, S. 40;
Brandt/Hengst, Victrix Mindensis ecclesia, S. 61.
83 Vgl. Nordsiek, Vom Fürstbistum, S. 259; ders., Entste-
hung, S. 77; ders., Glaube und Politik, S. 51; Schröer,
Kirche in Westfalen 1, S. 51-56; Olpp, Stellung, S. 40;
Rogge, Miteinander, S. 30; Bernstorf, Hermann,
S. 75-87.
84 Vgl. Rogge, Miteinander, S. 33.
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