Einleitung
Hebammen, Kranken- und Gefangenenbesuch, Benediktionen, Pro-pace-Läuten, Kirchenbibliothek,
Gesang der Schüler in den Gottesdiensten, Bilder in den Kirchen, Studenten an den Universitäten, Feier-
tagsheiligung, Nottaufen und Begräbnissen. Demgegenüber weist die Herforder Ordnung mit dem Kapitel
zu den Bettlern eine eigenständige Passage auf.
Dreyers Rückgriff auf Bugenhagens Ordnungen lag insofern nahe, als diese im norddeutschen Raum
weite Verbreitung fanden und auch im westfälischen Raum rezipiert wurden. So gingen auch die Mindener
Kirchenordnung von 1530 und die Soester von 1532 auf Bugenhagens Vorlagen zurück.
Der Schlussabschnitt der Herforder Kirchenordnung gibt darüber Auskunft, dass die Ordnung am
7. April 1532 zum einem auf dem Rathaus der ganzen Stadtgemeinde verlesen und zum anderen von den
Kanzeln beider Stadtpfarrkirchen verkündet und somit in Geltung gebracht werden sollte. Die Durchset-
zung der Kirchenordnung verlief jedoch nicht ohne Schwierigkeiten, denn Anna von Limburg-Styrum, die
Äbtissin des Herforder Reichsstifts, intervenierte erneut bei Herzog Wilhelm V. von Kleve gegen die Refor-
mationseinführung in der Stadt.24 Anfang September 1533 hielten sich die herzoglichen Visitatoren in der
die Stadt umgebenden und zum Herzogtum Jülich-Kleve-Berg gehörigen Grafschaft Ravensberg auf. Auf-
grund der herzoglichen Vogteirechte am Reichsstift Herford wurden auch die Herforder Pfarrer zur Befra-
gung ins ravensbergische Bielefeld bestellt. Da Johann Dreyer nicht erschienen war, untersagte der Herzog
die Verwendung der Herforder Kirchenordnung und ordnete stattdessen die Einführung seiner eigenen, der
Klever Kirchenordnung25 vom 11. Januar 1532, an. In Herford hielt man sich jedoch nur so lange an diese
Weisung, bis die herzoglichen Visitatoren Bielefeld wieder verlassen hatten, und kehrte anschließend zu
Dreyers Ordnung zurück.26
Die Kirchenordnung wurde bereits 1532 in Herford eingeführt, aber erst zwei Jahre später gedruckt.
Der Grund für die Verzögerung war, dass der Herforder Magistrat zunächst das Urteil eines namhaften
Theologen einholen woilte. Man wandte sich hierfür an Johannes Bugenhagen, dessen Gutachten vom
11. August 1533 durchweg positiv ausfiel. Er zeigte sich mit der Ordnung einverstanden, monierte aber
„einen groten Feyl“, dass in der Ordnung nämlich keine Angaben über die materielle Versorgung der Pre-
diger und übrigen Kirchen- und Schuldiener gemacht worden seien.27 Im Druck der Herforder Kirchenord-
nung findet sich zwar ein Abschnitt zur „Vorsorginge der Predicanten“, hier werden jedoch nur generelle
Aussagen zum Unterhalt der Geistlichen gemacht, für die Angabe konkreter Beträge, die die einzelnen
Geistlichen erhalten sollten, wurden hingegen Lücken gelassen. Bugenhagens Gutachten wurde dem Druck
der Ordnung schließlich, gewissermaßen als zweite Vorrede, vorangestellt.
Der Druck der Herforder Kirchenordnung von 1534 ist nur in einem einzigen Exemplar überliefert, das
in der Stadtbibliothek Hannover aufbewahrt wird. Dort ist es in einem Sammelband mit Luthers Tauf-
büchlein, der Braunschweiger Kirchenordnung von 1528 und der ebenfalls von dieser beeinflussten Göttin-
ger Kirchenordnung von 153128 zusammengebunden. Diese Kompilation war 1534 von Georg Scarabäus,
dem ersten Pfarrer an der Marktkirche in Hannover, erworben worden, dessen umfangreiche Bibliothek
schließlich in den Besitz der Stadt Hannover überging.29
24 Stupperich, Bugenhagen und Westfalen, S. 382; Co-
hausz, Anmerkungen, S. 208; Brandt/Hengst, Ge-
schichte 2, S. 30.
25 Siehe oben, S. 34ff.
26 Brandt/Hengst, Geschichte 2, S. 31f.; Stupperich,
Eigenart, S. 138f.; ders., Bugenhagen und Westfalen,
S. 382f.; ders., Herforder Kirchenordnung, S. 14 Anm. 13;
Richter, Herford, S. 23f.; Korte, Staatsrechtliche
Stellung, S. 63f.; Hölscher, Reformationsgeschichte,
S. 29f.; Culemann, Kirchenvisitation, S. 70-72, 74f.
27 Vgl. Stupperich, Herforder Kirchenordnung, S. 9f.;
ders., Eigenart, S. 136; ders., Bugenhagen und Westfalen,
S. 382; Hölscher, Reformationsgeschichte, S. 30.
28 Abdruck in Sehling, EKO VI/1, S. 906-915.
29 Am Anfang und Ende des Sammelbandes finden sich
handschriftlich eingetragene liturgische Stücke, vorne
außerdem der Besitzvermerk: „Hunc librum emit Geor-
gius Scarabaeus Hannoveranus, Hannovriae anno 1534“,
Geisenhof, Bibliotheca Bugenhagiana, S. 332 Anm. 1,
Nr. 284. Vgl. Hölscher, Reformationsgeschichte,
S. 28f.; Reu, Quellen I / III 1, 2, S. 1111*; Borchling/
Claussen, Bibliographie 1, Nr. 1190.
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Hebammen, Kranken- und Gefangenenbesuch, Benediktionen, Pro-pace-Läuten, Kirchenbibliothek,
Gesang der Schüler in den Gottesdiensten, Bilder in den Kirchen, Studenten an den Universitäten, Feier-
tagsheiligung, Nottaufen und Begräbnissen. Demgegenüber weist die Herforder Ordnung mit dem Kapitel
zu den Bettlern eine eigenständige Passage auf.
Dreyers Rückgriff auf Bugenhagens Ordnungen lag insofern nahe, als diese im norddeutschen Raum
weite Verbreitung fanden und auch im westfälischen Raum rezipiert wurden. So gingen auch die Mindener
Kirchenordnung von 1530 und die Soester von 1532 auf Bugenhagens Vorlagen zurück.
Der Schlussabschnitt der Herforder Kirchenordnung gibt darüber Auskunft, dass die Ordnung am
7. April 1532 zum einem auf dem Rathaus der ganzen Stadtgemeinde verlesen und zum anderen von den
Kanzeln beider Stadtpfarrkirchen verkündet und somit in Geltung gebracht werden sollte. Die Durchset-
zung der Kirchenordnung verlief jedoch nicht ohne Schwierigkeiten, denn Anna von Limburg-Styrum, die
Äbtissin des Herforder Reichsstifts, intervenierte erneut bei Herzog Wilhelm V. von Kleve gegen die Refor-
mationseinführung in der Stadt.24 Anfang September 1533 hielten sich die herzoglichen Visitatoren in der
die Stadt umgebenden und zum Herzogtum Jülich-Kleve-Berg gehörigen Grafschaft Ravensberg auf. Auf-
grund der herzoglichen Vogteirechte am Reichsstift Herford wurden auch die Herforder Pfarrer zur Befra-
gung ins ravensbergische Bielefeld bestellt. Da Johann Dreyer nicht erschienen war, untersagte der Herzog
die Verwendung der Herforder Kirchenordnung und ordnete stattdessen die Einführung seiner eigenen, der
Klever Kirchenordnung25 vom 11. Januar 1532, an. In Herford hielt man sich jedoch nur so lange an diese
Weisung, bis die herzoglichen Visitatoren Bielefeld wieder verlassen hatten, und kehrte anschließend zu
Dreyers Ordnung zurück.26
Die Kirchenordnung wurde bereits 1532 in Herford eingeführt, aber erst zwei Jahre später gedruckt.
Der Grund für die Verzögerung war, dass der Herforder Magistrat zunächst das Urteil eines namhaften
Theologen einholen woilte. Man wandte sich hierfür an Johannes Bugenhagen, dessen Gutachten vom
11. August 1533 durchweg positiv ausfiel. Er zeigte sich mit der Ordnung einverstanden, monierte aber
„einen groten Feyl“, dass in der Ordnung nämlich keine Angaben über die materielle Versorgung der Pre-
diger und übrigen Kirchen- und Schuldiener gemacht worden seien.27 Im Druck der Herforder Kirchenord-
nung findet sich zwar ein Abschnitt zur „Vorsorginge der Predicanten“, hier werden jedoch nur generelle
Aussagen zum Unterhalt der Geistlichen gemacht, für die Angabe konkreter Beträge, die die einzelnen
Geistlichen erhalten sollten, wurden hingegen Lücken gelassen. Bugenhagens Gutachten wurde dem Druck
der Ordnung schließlich, gewissermaßen als zweite Vorrede, vorangestellt.
Der Druck der Herforder Kirchenordnung von 1534 ist nur in einem einzigen Exemplar überliefert, das
in der Stadtbibliothek Hannover aufbewahrt wird. Dort ist es in einem Sammelband mit Luthers Tauf-
büchlein, der Braunschweiger Kirchenordnung von 1528 und der ebenfalls von dieser beeinflussten Göttin-
ger Kirchenordnung von 153128 zusammengebunden. Diese Kompilation war 1534 von Georg Scarabäus,
dem ersten Pfarrer an der Marktkirche in Hannover, erworben worden, dessen umfangreiche Bibliothek
schließlich in den Besitz der Stadt Hannover überging.29
24 Stupperich, Bugenhagen und Westfalen, S. 382; Co-
hausz, Anmerkungen, S. 208; Brandt/Hengst, Ge-
schichte 2, S. 30.
25 Siehe oben, S. 34ff.
26 Brandt/Hengst, Geschichte 2, S. 31f.; Stupperich,
Eigenart, S. 138f.; ders., Bugenhagen und Westfalen,
S. 382f.; ders., Herforder Kirchenordnung, S. 14 Anm. 13;
Richter, Herford, S. 23f.; Korte, Staatsrechtliche
Stellung, S. 63f.; Hölscher, Reformationsgeschichte,
S. 29f.; Culemann, Kirchenvisitation, S. 70-72, 74f.
27 Vgl. Stupperich, Herforder Kirchenordnung, S. 9f.;
ders., Eigenart, S. 136; ders., Bugenhagen und Westfalen,
S. 382; Hölscher, Reformationsgeschichte, S. 30.
28 Abdruck in Sehling, EKO VI/1, S. 906-915.
29 Am Anfang und Ende des Sammelbandes finden sich
handschriftlich eingetragene liturgische Stücke, vorne
außerdem der Besitzvermerk: „Hunc librum emit Geor-
gius Scarabaeus Hannoveranus, Hannovriae anno 1534“,
Geisenhof, Bibliotheca Bugenhagiana, S. 332 Anm. 1,
Nr. 284. Vgl. Hölscher, Reformationsgeschichte,
S. 28f.; Reu, Quellen I / III 1, 2, S. 1111*; Borchling/
Claussen, Bibliographie 1, Nr. 1190.
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