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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]; Arend, Sabine [Oth.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (21. Band = Nordrhein-Westfalen, 1): Die Vereinigten Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg - das Hochstift und die Stadt Minden - das Reichsstift und die Stadt Herford - die Reichsstadt Dortmund - die Reichsabtei Corvey - die Grafschaft Lippe - das Reichsstift und die Stadt Essen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.30663#0241
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6. Armenordnung 1596

Wie dan auch in jeder kerßpelskirchen und im swar-
ten monnich closter11 somma zusamen drittehalb-
hundert almisse schottelen fundirt und von den vür-
alteren seinn ufgerichtet worden, alle sondage uf je-
der schottele 1/2 lb botteren und 3 d, über welche
almisse schottelen besondere vürstender geordnet;
und welche von den ufgezeichneten haußarmen ge-
melter schottelen haben und für ufrichtung dießer
armen ordnungh gehabt haben, dennen ist desto-
geringer beigelagt, im hilligen geiste woechentlich
zuempfangen.
So hait man auch den christlichen brauch, weiln
vast viell außlendische vom adell dießer ortt heuser,
lenderey und erbgütter haben, das man an dieselben
pflegt jarlichs ein schreiben gelangen zulassen und
ihrer stewr und almissen zubehouff dießer stadt
haußarmen bege- |4r| rende ist, die dan auch auß
christlichem gemütt einer zwey, der ander drey,
auch etzliche vier malter korns oder was eines jeden
sein gutter will ist, den provisoren der armen auß-
zuspenden, zustellen lassen.
Als aber zu außspendungh dießer almissen ange-
melte angezeichnete haußarmen keine bequemere
platz konnen gefunden werden, haitt man in des hil-
ligen geistes kirchen dieß wirch, alle freitage zu ze-
hen uhren, daselbst dan, die provisoren beieinander
zuschreien, ein klein klockeßken gelüdet wirtt, ange-
stalt. Angesehen, diese heilige geists kirche mitten
in der stadt und allen armen nit ungelegen, dar man
ein spense12 oder schäff13 ferdigh haitt, darinnen die
broder verschlossen werden.
Wan statien14 oder bettemissen gehaltten und als-
tann ein jeder bürger, Gott zu danck, seine spinde in
die kirche zubrengen pflegt, diese wegk oder sim-
mels15 werden gleichfals in das hilligen geists kirchen
in einer kisten verschlossen beß uf darnachfolgenden
negsten freittagh, alstan ufgeschriebenen, algemei-
nen haußarmen baven ir woechentlich zugeordnete
11 Dominikanerkloster.
12 Speisekammer?
13 Gefäß, Grimm, DWb 14, Sp. 2013f.
14 Prozessionen, Grimm, DWb 17, Sp. 940.
15 Semmeln, Grimm, DWb 16, Sp. 559ff.

almissen, brott und geltz, jeder personen ein simmell
mitgedeilt wirtt.
Alle monatt gaen die provisoren ein jeder in sei-
nem kerßpell umb an alle heuser zu samblungh der
almissen, einen dheiner mit sich hebbende, welcher
die broder, die guthertzigh leuth gieben, in einen
dragerkorff empfenget und, wan derselb beladen,
pflegt irgens wer in ein hauß binnenn kerßpels ab-
zusetzen. Und wan dieselben von den umbgaenden
provisoren angeschrieben, können nach gehaltenem
umbgangk zur verordneter platz an den heiligen
geist vom dheiner gebragt werden. Welche leuthe
aber |4v| korn im umbgange gieben, wirtt daßelb an-
getzeichnet von den umbgaenden provisoren, und
folgentz, anderen oder dritten tags wirtt es dürch
den dheiner gesammelt. Wan aber die monatt ver-
floßen und die provisoren, wie vurgerurt, widder-
umb zu samblungh der almissen, ein jeder in seinem
kerßpell, umbgaen wollen, wirtt in den veer kerßpel-
kirchen16 von der cantzell durch den prediger gekün-
diget, das die vürstender der armen werden, weiln
die monatt ubermall verflossen, morgens dages
umbgaen mit vermanungh, das ein jeder frommer
christ denselben nach seinem vermügen wolle mil-
diglich mittheilen und, die nicht inheimsch, seinen
nachburen ire almisse, umb dieselb den provisoren
zubehanden, thuen wolle.
Weilnn auch zu behoff dieses im umbgangh ge-
sammelten, wie auch ferners korns, ufkumpsten, ein
besonder korn bön17 nöttig gewesen, haitt man auß
gemeinem seckell auß erlöbnuß der herren im hilli-
gen geists kirchen einen ortt zum bönne abgeclei-
det18, darunter dan auch eine wage angeordnet, dar-
uff das korn, wan es zur müllen gesacket, gewegen;
und moß der karendreiber auch, wann es gemalen,
widderumb uf dieselbe wage stellen und ferners, wan
es gewegen, an des beckers hauß fören.
Zu dießer armen ordnungh hait man zwey dheiner
oder klüppeldregers, die degliches die strassen lan-
16 Siehe oben, S. 200.
17 Kornbühne, Kornboden, Grimm, DWb 11, Sp. 1821.
18 Mit einer Zwischenmauer oder einer Scheidewand abge-
teilt, Adelung, Wörterbuch 1, Sp. 58.

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