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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]; Arend, Sabine [Oth.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (21. Band = Nordrhein-Westfalen, 1): Die Vereinigten Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg - das Hochstift und die Stadt Minden - das Reichsstift und die Stadt Herford - die Reichsstadt Dortmund - die Reichsabtei Corvey - die Grafschaft Lippe - das Reichsstift und die Stadt Essen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.30663#0281
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3. Kirchenordnung für das Corveyer Stiftsdorf Bruchhausen 1603

2. Soll der Pfarherr ein kurtze erinnerung und ver-
manung thun vom Abentmahl des Herrn Jhesu
Christi auff ein viertel oder zum lengsten auff ein
halbe stunde, da dann auffs aller kürtzeste und ein-
feltigste soll erkleret werden, was das Abentmal des
Herrn sey, worzu es vom Herrn Christo gestifftet
und verordnet, wie es Gottseliglich und fruchtbar-
lich gebraucht und genossen werden müge, und soll
man in sonderheit mit allem fleiß darauff dringen,
daß dem Volck die gemeine heuchlische opinion de
opere operato79, daß mans mit der eusserlichen Ce-
remonien und werck, wann das vollnbracht, für
gnugsam halten wil, auß dem Sinne und Hertzen
außgeredt, und das ein jeder vor dem mißbrauch
dieses thewren, hochwirdigen Sacraments, darauß
zeitlicher und ewiger jammer erfolget, trewlich und
mit besonderm ernste und eiffer gewarnet und abge-
schrecket werde, dann solcher mißbrauch ist leider
zu diesen letzten zeiten bey dieser rohen, si-
chern80 Welt zu viel gemein beyde, bey Alten und
Jungen Leuten; darumb gehört ein besonders auff-
sehens, ernstliche warnung und trauwung81 Göttli-
ches zorns darzu, damit sich nicht beyde, Lehrer
und Zuhörer, vergreiffen und schüldig werden am
Leib und Blut des Herrn und ihnen selbs essen und
trincken das Gericht82.
3. Auff itzt gedachte erinnerung und vermahnung
soll sich ein jedere Person in sonderheit, so das
Abentmahl zugebrauchen bedacht ist, dem Pfarher
praesentiren, ihme ihre Sünde beichten, ihn das
Abentmahl des Herrn zu reichen und mitzutheilen
bitten und die Absolution von dem Pfarher entpfan-
gen. Der Pfarher aber soll fleissig acht darauff ge-
ben, wer sich anzeige, und ein- |H2r | ner jeden Per-
sonen gelegenheit wol betrachten.
[4.] Befindet er, das etliche kommen, welche zu ex-
ploriren sein oder unterrichts, Vermanung, Straff,
Trosts etc. von nöten haben, die soll er heissen war-
ten biß zum ende dieser Action und auffs aller
79 Opus operatum, unmittelbare, automatische Wirkungs-
fähigkeit der Gnadenmittel, bei der die bloße Tatsache
des Vollzugs genügt, um den Zweck zu erreichen.
80 Sorglosen, Grimm, DWb 16, Sp. 727.

freundtlichste mit ihnen, was ihr notturfft erfordern
wil, reden; die da nicht gnugsam bericht haben, mit
guten, sanfftmütigen worten, sonderlich aber die
Alten, welche solche gedechtnus nicht haben wie die
Jungen, underweisen, die nachlessigen auß Gottes
wort ermahnen, die straffwürdigen mit erinnerung
Göttliches zorn vom bösen abweisen, die kleinmü-
tigen, bekümmerten Hertzen mit verheissung Gött-
licher gnaden trösten und sich also jegen einem je-
dern verhalten, das er sehen und spüren, auch selbst
sagen und bekennen müsse, es werde anderst nicht
dann seine eigene wolfahrt und seiner Seelen heyl
und seligkeit gesucht, und sol der Pfarher sich wol
vorsehen, daß er alle privat hendel und affecten83
wie sonsten in seinem gantzen Ampt, also in sonder-
heit in diesem privato colloquio, Daß ein Christliche
vorbereitung zur seligen Communion des Leibs und
Bluts des Herrn Christi sein soll, hindan setzte und
allein auff die ehre Gottes und auff die erbauwung
seiner Gemeine und jedern Gliedmaß der Gemeine
besserung sehe und dahin alle seine gedancken, alle
seine wort und wercke allein richte.
[5.] Man soll aber für allen dingen auff das junge
Volck sehen und sie so offtmals, wann sie sich an-
zeigen, das Abentmahl zugeniessen, in ihrem Cate-
chismo Examiniren, damit sie nicht allein die
Heupstück Christliches Glaubens wol lernen, Son-
dern, wann sie die einmahl gelehrnet haben, auch in
stetigem gedechtnuß und ubung behalten. Solches
aber soll der Pfarher also anstellen, daß er eine jede
Person, so noch nicht ehelich ist, groß und klein,
wann sie sich ihm praesentirt, ihre Sünde gebeichtet
und die Absolution entpfangen, an einen orth beson-
der von den alten abestellen, biß so lange er sie alle
absolvirt, und als |H2v| dann sie alle semptlich für-
nehmen und sie mit fleiß in ihrem Catechismo ex-
aminiren, die jenigen, so als den in solchem examine
wol bestehen werden, zulassen, die, so aber gar
nichts von ihrem Christenthumb gefasset, heissen
wider hin gehen biß zum negsten und sie vermanen,
81 Androhung.
82 1Kor 11,29.
83 Begierden.

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