Einleitung
Mark verpfändet worden, seit 1445 befand sie sich als Samtherrschaft in der Hand der Edelherren zur Lippe
und der Herzöge von Jülich-Kleve-Berg.17
Die evangelische Lehre wurde in Lippstadt durch den Lippstädter Augustinerpater Johann Wester-
mann18 verbreitet, der in Wittenberg persönliche Bekanntschaft mit Martin Luther gemacht hatte und
dessen Anhänger geworden war. Westermanns Fastenpredigt, die er 1524 drucken ließ, gilt als erstes refor-
matorisches Zeugnis in Westfalen, so dass Lippstadt auch als älteste evangelische Stadt in dieser Region
bezeichnet wird.19 Die beiden altgläubigen Stadtherren versuchten gegen die reformatorische Bewegung in
Lippstadt vorzugehen und verpflichteten Bürgermeister und Rat am 3. Mai 1532, die wenige Monate zuvor
erlassene, im Geiste des Erasmus von Rotterdam stehende Klever Kirchenordnung einzuführen.20 In einem
Vertrag vom 24. August 1535 zwangen sie den Lippstädter Rat schließlich, die vorreformatorischen Ver-
hältnisse wieder herzustellen. Die Prediger mussten die Stadt zwar verlassen, langfristig blieb die evange-
lische Gemeinde jedoch bestehen, zumal Graf Bernhard VIII. zur Lippe nach 1536 ebenfalls die Reforma-
tion einführte.21
Während sich die reformatorische Bewegung in der zweiherrischen Exklave Lippstadt fernab des lip-
pischen Territoriums formierte, wurde innerhalb des Landes die Stadt Lemgo zum frühen Zentrum der
Reformation. Die Landstadt, die sich etwa im geographischen Mittelpunkt der Grafschaft befand, besaß
seit dem Mittelalter einen besonderen Status gegenüber den lippischen Edelherren als ihren Stadtherren,
der auf ihrer wirtschaftlichen Macht und einem daraus erwachsenen Selbstbewusstsein beruhte. Lemgo war
seit 1324 Mitglied der Hanse und im Spätmittelalter zu einem Handels- und Finanzplatz von überregio-
nalem Rang aufgestiegen.22 Bis zum 16. Jahrhundert war es der Stadt gelungen, sich von den politischen
und rechtlichen Bindungen an die lippischen Grafen zu lösen, so dass sie seitens des Kaisers mehrfach als
Reichsstadt angesprochen wurde, wogegen sie sich jedoch - nicht zuletzt aus finanziellen Gründen - ver-
wahrte.23
Lemgo war die größte Stadt der Grafschaft, im 16. Jahrhundert lebten hier rund 4.000 Menschen,
überwiegend zünftisch organisierte Handwerker mit ihren Familien, wohingegen Detmold nur ca. 400 Ein-
wohner besaß. Die städtische Macht in Lemgo lag in den Händen einer Oberschicht, die sich aus Fernhänd-
lern, Grundbesitzern und Trägern hoher städtischer Ämter zusammensetzte.24 Auch hinsichtlich der kirch-
lichen Organisation nahm Lemgo innerhalb der Grafschaft eine besondere Stellung ein, denn es war der
einzige Ort mit drei Pfarrkirchen, St. Johannes extra muros, St. Nicolai in der Altstadt und St. Marien in
der Neustadt. Daneben beherbergte die Stadt drei Klöster, das Dominikanerinnen-, das Augustinerinnen-
und das Franziskanerkloster. Ferner gab es vier Beginenhäuser, einige Hospitäler sowie neun geistliche
Bruder- und Schwesternschaften.25
17 Kittel, Samtherrschaft, S. 96-116.
18 Johann Westermann († 1542) studierte 1521/22 in Witten-
berg und wurde 1523 zum Dr. theol. promoviert, anschlie-
ßend war er Augustinerprior in Lippstadt. 1526 führte er
die Reformation in Lippstadt ein, im gleichen Jahr verließ
er das Kloster. 1533 wirkte er in Münster und im Jahr
darauf in Hofgeismar, Hütteroth/Milbradt, Pfarrer,
S. 400f.; von Fritschen, Johann Westermann,
S. 37-45; Elm/Rüther, Lippstadt - Augustiner-Eremi-
ten, S. 537-541.
19 Schilling, Konfessionskonflikt, S. 74; Hamelmann,
Reformationsgeschichte, S. 326-348; von Fritschen,
Johann Westermann, S. 37-43.
20 Stupperich, Reformation in Lippstadt, S. 25; Niemöl-
ler, Reformationsgeschichte, S. 38. Entgegen der An-
gabe bei Wolf, Einfluß, S. 61 war es Gert Oemeken in
Lippstadt nicht gelungen, eine evangelische Kirchenord-
nung zu etablieren, siehe Stupperich, Reformation in
Lippstadt, S. 27f. Abdruck der Klever Kirchenordnung
von 1532 oben, S. 52ff.
21 Niemöller, Reformationsgeschichte, S. 50; Stuppe-
rich, Reformation in Lippstadt, S. 15-37; ders., Refor-
mation im Weserraum, S. 268; Remling, Entwicklung,
S. 281-299; Reineke, Katholische Kirche, S. 91f.;
Wolf, Einfluß, S. 62 und Anm. 98.
22 Schilling, Politische Elite, S. 248-258; Vogelsang,
Bielefeld, S. 52f.
23 Wolf, Einfluß, S. 51.
24 Schilling, Konfessionskonflikt, S. 59 und Anm. 23;
Materialien zur lippischen Landesgeschichte, S. 37;
Haase, Reformieren, S. 14. Zur Lemgoer Stadt- und
Ratsverfassung siehe Schilling, Konfessionskonflikt,
S. 60f., 83-89.
25 Zu den Lemgoer Klöstern siehe Hengst, Klosterbuch 1,
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Mark verpfändet worden, seit 1445 befand sie sich als Samtherrschaft in der Hand der Edelherren zur Lippe
und der Herzöge von Jülich-Kleve-Berg.17
Die evangelische Lehre wurde in Lippstadt durch den Lippstädter Augustinerpater Johann Wester-
mann18 verbreitet, der in Wittenberg persönliche Bekanntschaft mit Martin Luther gemacht hatte und
dessen Anhänger geworden war. Westermanns Fastenpredigt, die er 1524 drucken ließ, gilt als erstes refor-
matorisches Zeugnis in Westfalen, so dass Lippstadt auch als älteste evangelische Stadt in dieser Region
bezeichnet wird.19 Die beiden altgläubigen Stadtherren versuchten gegen die reformatorische Bewegung in
Lippstadt vorzugehen und verpflichteten Bürgermeister und Rat am 3. Mai 1532, die wenige Monate zuvor
erlassene, im Geiste des Erasmus von Rotterdam stehende Klever Kirchenordnung einzuführen.20 In einem
Vertrag vom 24. August 1535 zwangen sie den Lippstädter Rat schließlich, die vorreformatorischen Ver-
hältnisse wieder herzustellen. Die Prediger mussten die Stadt zwar verlassen, langfristig blieb die evange-
lische Gemeinde jedoch bestehen, zumal Graf Bernhard VIII. zur Lippe nach 1536 ebenfalls die Reforma-
tion einführte.21
Während sich die reformatorische Bewegung in der zweiherrischen Exklave Lippstadt fernab des lip-
pischen Territoriums formierte, wurde innerhalb des Landes die Stadt Lemgo zum frühen Zentrum der
Reformation. Die Landstadt, die sich etwa im geographischen Mittelpunkt der Grafschaft befand, besaß
seit dem Mittelalter einen besonderen Status gegenüber den lippischen Edelherren als ihren Stadtherren,
der auf ihrer wirtschaftlichen Macht und einem daraus erwachsenen Selbstbewusstsein beruhte. Lemgo war
seit 1324 Mitglied der Hanse und im Spätmittelalter zu einem Handels- und Finanzplatz von überregio-
nalem Rang aufgestiegen.22 Bis zum 16. Jahrhundert war es der Stadt gelungen, sich von den politischen
und rechtlichen Bindungen an die lippischen Grafen zu lösen, so dass sie seitens des Kaisers mehrfach als
Reichsstadt angesprochen wurde, wogegen sie sich jedoch - nicht zuletzt aus finanziellen Gründen - ver-
wahrte.23
Lemgo war die größte Stadt der Grafschaft, im 16. Jahrhundert lebten hier rund 4.000 Menschen,
überwiegend zünftisch organisierte Handwerker mit ihren Familien, wohingegen Detmold nur ca. 400 Ein-
wohner besaß. Die städtische Macht in Lemgo lag in den Händen einer Oberschicht, die sich aus Fernhänd-
lern, Grundbesitzern und Trägern hoher städtischer Ämter zusammensetzte.24 Auch hinsichtlich der kirch-
lichen Organisation nahm Lemgo innerhalb der Grafschaft eine besondere Stellung ein, denn es war der
einzige Ort mit drei Pfarrkirchen, St. Johannes extra muros, St. Nicolai in der Altstadt und St. Marien in
der Neustadt. Daneben beherbergte die Stadt drei Klöster, das Dominikanerinnen-, das Augustinerinnen-
und das Franziskanerkloster. Ferner gab es vier Beginenhäuser, einige Hospitäler sowie neun geistliche
Bruder- und Schwesternschaften.25
17 Kittel, Samtherrschaft, S. 96-116.
18 Johann Westermann († 1542) studierte 1521/22 in Witten-
berg und wurde 1523 zum Dr. theol. promoviert, anschlie-
ßend war er Augustinerprior in Lippstadt. 1526 führte er
die Reformation in Lippstadt ein, im gleichen Jahr verließ
er das Kloster. 1533 wirkte er in Münster und im Jahr
darauf in Hofgeismar, Hütteroth/Milbradt, Pfarrer,
S. 400f.; von Fritschen, Johann Westermann,
S. 37-45; Elm/Rüther, Lippstadt - Augustiner-Eremi-
ten, S. 537-541.
19 Schilling, Konfessionskonflikt, S. 74; Hamelmann,
Reformationsgeschichte, S. 326-348; von Fritschen,
Johann Westermann, S. 37-43.
20 Stupperich, Reformation in Lippstadt, S. 25; Niemöl-
ler, Reformationsgeschichte, S. 38. Entgegen der An-
gabe bei Wolf, Einfluß, S. 61 war es Gert Oemeken in
Lippstadt nicht gelungen, eine evangelische Kirchenord-
nung zu etablieren, siehe Stupperich, Reformation in
Lippstadt, S. 27f. Abdruck der Klever Kirchenordnung
von 1532 oben, S. 52ff.
21 Niemöller, Reformationsgeschichte, S. 50; Stuppe-
rich, Reformation in Lippstadt, S. 15-37; ders., Refor-
mation im Weserraum, S. 268; Remling, Entwicklung,
S. 281-299; Reineke, Katholische Kirche, S. 91f.;
Wolf, Einfluß, S. 62 und Anm. 98.
22 Schilling, Politische Elite, S. 248-258; Vogelsang,
Bielefeld, S. 52f.
23 Wolf, Einfluß, S. 51.
24 Schilling, Konfessionskonflikt, S. 59 und Anm. 23;
Materialien zur lippischen Landesgeschichte, S. 37;
Haase, Reformieren, S. 14. Zur Lemgoer Stadt- und
Ratsverfassung siehe Schilling, Konfessionskonflikt,
S. 60f., 83-89.
25 Zu den Lemgoer Klöstern siehe Hengst, Klosterbuch 1,
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