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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (21. Band = Nordrhein-Westfalen, 1): Die Vereinigten Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg - das Hochstift und die Stadt Minden - das Reichsstift und die Stadt Herford - die Reichsstadt Dortmund - die Reichsabtei Corvey - die Grafschaft Lippe - das Reichsstift und die Stadt Essen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.30663#0509
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Einleitung

Mitte der 1540er Jahre hatte sich unter der Essener Bürgerschaft ein Kreis von Anhängern der neuen
Lehre gebildet, der reformatorische Forderungen durchzusetzen versuchte. Nach dem Tod des Pfarrers
Johann Steinhuis im Frühjahr 1543 besetzten die Kanoniker die Pfarrstelle an St. Gertrud mit einem
Predigermönch.18 Die Bürgerschaft empörte sich gegen diesen Akt und forderte die Anstellung eines Welt-
geistlichen sowie eines evangelischen Predigers.19 Der Rat wich diesen Forderungen aus und verwies auf die
Entscheidung der Religionsfrage auf künftigen Reichstagen. Die Essener Bürgerschaft ertrotzte sich die
Anstellung des Predigers schließlich mit Gewalt. Dieser Entwicklung suchte Äbtissin Sibylla mit Unter-
stützung Wilhelms V. von Kleve (reg. 1539-1592) entgegenzuwirken und infolge ihrer Intervention musste
der evangelische Prediger die Stadt am 28. Oktober 1543 wieder verlassen. Schließlich wurde auch der als
Pfarrer angestellte Predigermönch seines Amts enthoben. Am 8. November 1543 forderte Herzog Wil-
helm V. die Stadt auf, sämtliche Neuerungen rückgängig zu machen und der Äbtissin Gehorsam zu lei-
sten.20
In ihrem Bemühen, Einfluss auf die Besetzung der Pfarrstelle an St. Gertrud zu erlangen, war die
Essener Bürgerschaft also gescheitert, der Marktkirchenpfarrer wurde weiterhin von den Kanonikern des
Stifts bestellt. Der seit 1547 an der Gertrudenkirche amtierende Pfarrer Hermann Weißmann (Wisch-
mann)21 († 1558) reichte den Essener Bürgern jedoch den Laienkelch,22 ebenso, wie es Herzog Wilhelm V.
von Kleve 1546 in seinem Herrschaftsbereich zugelassen hatte. Und ebenso wie in Jülich-Kleve-Berg ver-
zichtete man auch in Essen auf Prozessionen und Heiligenumgänge.23 Weder in den Vereinigten Herzogtü-
mern noch in Essen vollzog man mit diesen Maßnahmen jedoch den grundsätzlichen Bruch mit der römi-
schen Kirche.
Äbtissin Katharina von Tecklenburg (reg. 1551-1560) hing zwar vermutlich selbst der neuen Lehre an,
die Umwandlung des Stifts in eine evangelische Anstalt lag ihr jedoch fern, nicht zuletzt aufgrund der
Beschlüsse des Augsburger Religionsfriedens von 1555, nach denen geistliche Fürsten, die die Reformation
in ihren Territorien einführten, ihren Herrschertitel einbüßten.24

principis Clevensis Julie etc. ducis per superiores oppidi
Assindensis in sua forma etiam acceptata“. Vgl. das
Regest bei Schaefer/Arens, Urkunden und Akten
Nr. 315, S. 170f.; siehe auch Küppers-Braun, Katho-
lisch, S. 29; Müller, Reformation, S. 69-71, 80; Red-
lich, Staat und Kirche, S. 24-43, 50-55; Helbich, Pax
et Concordia, S. 196, 202, 207; ders., Van allem schelden,
S. 37; Arens, Kapitel, S. 161; Ribbeck, Katharina,
S. 180; Horstkemper, Spaltungen, S. 183.
18 Vgl. StadtA Essen 100/2245, fol. 2r-4v.
19 Müller, Reformation, S. 56f.; Wächtler, Geschichte,
S. 6f.; Helbich, Pax et Concordia, S. 181-183; Kuhlen-
dahl, Einführung, S. 39; Ascherfeld, Entstehung,
S. 102; Horstkemper, Spaltungen, S. 184.
20 Das Schreiben des Herzogs an die Stadt ist nicht erhalten,
siehe Ribbeck, Katharina, S. 186; Müller, Reforma-
tion, S. 57-59, 89. Am 18. Dezember desselben Jahres
erhielt Essen eine gleichlautende Anweisung von Kaiser
Karl V., Abdruck in Grevel, Anfang, S. 97-101.
21 Zu Weißmann siehe Helbich, Pax et Concordia, S. 196;
Müller, Reformation, S. 83.

22 Bei der Anstellung Hermann Weißmanns an St. Gertrud
am 28. Februar 1547 wurden dessen Amtspflichten
beschrieben, zu denen auch die Beschaffung von Kom-
munionwein für die Laien, zumindest an den vier Hoch-
festen, gehörte, Essen, MünsterA, Urkunde Nr. 342. Das
Dokument ist durch einen Wasserschaden so stark
beschädigt, dass es nicht aufgefaltet werden kann.
Schaefer/Arens, Urkunden und Akten, S. 182 Nr. 342
zitieren die betreffende Stelle: „onera ... vini tam pro
infirmis quam sanis in quattuor principalibus festivitati-
bus et alias communicantibus sustinere“, vgl. Helbich,
Pax et Concordia, S. 207f. und Anm. 187; Müller,
Reformation, S. 59; Arens, Kapitel, S. 161.
23 Müller, Reformation, S. 68; Helbich, Rezeption,
S. 38; ders., Pax et Concordia, S. 245-248; Ribbeck,
Katharina, S. 180; Gerchow, Bürger, S. 179f.
24 Siehe § 18 des Augsburger Religionsfriedens, DRTA.JR
20/4, S. 3109f. Vgl. Küppers-Braun, Reichsstadt,
S. 103.

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