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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (21. Band = Nordrhein-Westfalen, 1): Die Vereinigten Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg - das Hochstift und die Stadt Minden - das Reichsstift und die Stadt Herford - die Reichsstadt Dortmund - die Reichsabtei Corvey - die Grafschaft Lippe - das Reichsstift und die Stadt Essen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.30663#0510
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Das Reichsstift und die Stadt Essen

3. Die Einführung der lutherischen Reformation 1561/1563
Während der Laienkelch in Essen unter Verweis auf Erasmus von Rotterdam von einzelnen Pfarrern
gereicht wurde, blieben andere evangelische Forderungen weiterhin offen. Erst zu Beginn der 1560er Jahre
war die Gruppe der Protestanten in der Stadt so groß geworden, dass Veränderungen herbeigeführt werden
mussten.
1. Ratsbeschluss zum deutschen Psalmengesang in St. Gertrud 19. Januar 1561 (Text S. 497)
An Weihnachten 1560 sang die Essener Gemeinde in St. Gertrud - gegen den Willen des Pfarrers Heinrich
Saldenberg25 - deutsche Kirchenlieder26 und bekannte sich damit offen zur neuen Lehre. Obwohl bereits im
Spätmittelalter volkssprachliche Lieder in den Gottesdiensten gesungen wurden, gewannen Kirchenlieder
im Zuge der Reformation besondere Bedeutung. In bisher nicht gekanntem Maße wurden sie als Medium
des evangelischen Bekenntnisses, als Propaganda für den neuen Glauben sowie zur religiösen Erziehung
eingesetzt.27
Der Essener Rat, dessen Mitglieder um 1560 überwiegend evangelisch waren, beschloss am 19. Januar
1561, dass in St. Gertrud künftig deutsche Psalmen, Hymnen und andere geistliche Lieder gemäß „duyt-
scher psalmgesangkboeker“ gesungen werden sollten. Gesänge, die zu Aufruhr unter der Bevölkerung füh-
ren könnten, wurden jedoch ausdrücklich untersagt.28

Exkurs: Zur Einführung der Pfalz-Zweibrücker Kirchenordnung von 1557
Heinrich Saldenberg, der Pfarrer an St. Gertrud, stand dem Protestantismus ablehnend gegenüber. Er soll
einige Neuerungen seiner Vorgänger wieder rückgängig gemacht haben, darunter auch den Laienkelch. Die
evangelische Bürgerschaft begehrte dagegen auf, und im Dezember 1561 beschloss der Rat, Saldenberg
einen Prediger zur Seite zu stellen, der das Evangelium predigen und das Abendmahl unter beiderlei Gestalt
austeilen sollte.29 Hierfür nahm man mit Heinrich Barenbroich,30 der aus Kempen am Niederrhein
stammte, Kontakt auf. Barenbroich stand seit Anfang 1562 in Diensten Herzog Wolfgangs von Pfalz-

Zweibrücken und war als Prediger in Kastellaun tätig.

25 Zu Saldenberg siehe Helbich, Pax et Concordia,
S. 168-174, 197; Müller, Reformation, S. 168-174;
Arens, Kapitel, S. 161; Rotscheidt, Essener Chronik,
S. 268-272.
26 Helbich, Pax et Concordia, S. 210, 222f.; Jahn, Ge-
schichte, S. 218f.; Rotscheidt, Essener Chronik, S. 268;
Kettering, Musik, S. 22f.; Engelhardt, Gesangbü-
cher, S. 76f.; Greyerz, City Reformation, S. 175.
27 Zur Funktion des Kirchenliedes in der Reformationszeit
siehe Mager, Inge, Lied und Reformation, Beobach-
tungen zur reformatorischen Singbewegung in norddeut-
schen Städten, in: Dürr, Alfred/Killy, Walther (Hg.), Das
protestantische Kirchenlied im 16. und 17. Jahrhundert,
Text-, musik- und theologiegeschichtliche Probleme (Wol-
fenbütteler Forschungen 31), Wiesbaden 1986, S. 25-38;
Moisi, Stephanie, Die Medialität des geistlichen Lie-

31 Nachdem erste Versuche, ihn nach Essen zu holen,

des im Zeitalter der Reformation (1517-1555) am Beispiel
deutschsprachiger Psalmlieder, in: Fischer, Michael u. a.
(Hg.), Musik in neuzeitlichen Konfessionskulturen
(16.-19. Jahrhundert). Räume - Medien - Funktionen,
Ostfildern 2014, S. 31-51.
28 Vgl. Jahn, Geschichte, S. 219; Helbich, Pax et Concor-
dia, S. 228.
29 Vgl. Helbich, Pax et Concordia, S. 209; Hegel, Ver-
gangenheit, S. 166; Forsthoff, Kirchengeschichte,
S. 299f.
30 Zu Barenbroich siehe Rosenkranz, Barenbroch, S. 18-
69; Back, Heinrich von Kempen, S. 322-337; Bock-
mühl, Vorgeschichte, S. 301-307; Müller, Reforma-
tion, S. 99-123.
31 Helbich, Pax et Concordia, S. 226-228.

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