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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band: Niedersachsen ; 2. Hälfte): Die welfischen Lande: Halbbd. 2, Die Fürstentümer Calenberg-Göttingen und Grubenhagen mit den Städten Göttingen, Northeim, Hannover, Hameln und Einbeck. Die Grafschaften Hoya und Diepholz. Anhang: Das freie Reichsstift Loccum — Tübingen, 1957

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https://doi.org/10.11588/diglit.30041#0430
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aufstellte (vgl. Staatsarchiv Hannover, Cal. Br. Arch. Des. 9 Stadt Einbeck Nr. 80) deutlich,
welche kirchlichen Rechte der Rat seit der Einführung der Reformation beanspruchte.
Demnach hatte der Rat seit etwa 1529 Pfarrer und Kirchendiener gewählt und berufen. Das
Patronatsrecht an den beiden Stadtkirchen (St. Jacobi = Marktkirche und St. Marien = Neu-
städterkirche) besaß vom Mittelalter her das Stift S. Alexandri. Als im Vertrage von 1529 dem
Rat zugestanden wurde, diese beiden Kirchen mit evangelischen Predigern zu besetzen, wurde
daraus ein Gewohnheitsrecht. Erst im Jahre 1644 wurde das Patronatsrecht des Rates offiziell
festgelegt (vgl. Weizsäcker, S. 22).
Ferner behauptete der Syndikus 1624 in Punkt 21, daß der Rat neue Prediger ohne Zutun des
Landesherrn oder des fürstlichen Konsistoriums durch die eigenen Stadtprediger habe ordinie-
ren lassen. Von da aus darf man auf das Vorhandensein eines Stadtministeriums schließen.
Einen Superintendenten hat man in Einbeck im 16. Jh. allem Anschein nach nicht gekannt.
Der Prediger der Stiftskirche St. Alexandri, vom Landesherrn als Stiftspatron bestellt, rechnete
nicht zu den Stadtpredigern.
Es scheint, als ob die städtischen Kirchengemeinden auch ein besonderes Pfarrwahlrecht aus-
geübt hätten; denn der Stadtsyndikus sagte 1624 in Punkt 40, daß ,,den sonderbaren christ-
lichen gemeinden ihre stimm in der wahl und berufung der prediger nicht benommen . . .“.
Ebenso wurde in den Punkten 42—48 behauptet, daß die Einbecker Stadtprediger sich niemals
dem herzoglichen Generalsuperintendenten unterstellt gefühlt hätten und daß man gegen jed-
weilige Zitierung vor ihn protestiert, auch niemals eine fürstliche Visitation in der Stadt zu-
gelassen habe. Die Stadtprediger hätten sich stets nach den Geboten des Rates gerichtet und
täten es noch.
Diese Angabe wird bestätigt durch noch erhaltene urkundliche Nachrichten von 1581. Der Her-
zog übersandte der Stadt damals seine KO mit der Forderung der Annahme. Einbeck pro-
testierte dagegen, hat sich auch niemals nach dieser KO gerichtet (vgl. Stadtarch. Einbeck
E A Nr. 2).
In Lehrstreitigkeiten hatte der Rat nach der gleichen Aussage (Punkt49—51) stets nach eige-
nem Ermessen Bestimmungen getroffen, so z.B. 1547 zwei des Calvinismus verdächtige Stadt-
prediger abgesetzt (vgl. hierzu Max II, S. 226) und sonstige Meinungsverschiedenheiten zwi-
schen Predigern und Schuldienern etc. durch Ratsentscheid beigelegt. Auf Befehl des Rates
nahm der damalige Senior der Stadtpfarrer, Magister Johann Velius, an den Beratungen zum
Konkordienwerk teil. Ebenso unterschrieben alle städtischen Kirchen- und Schuldiener die
Konkordienformel, die auf dem Rathaus in Verwahrung genommen wurde, um weiterhin jedem
neueintretenden Stadtprediger zur Unterschrift vorgelegt zu werden (Punkt 52—54).
Im März 1577 habe der Rat die bisher nur in der Marktkirche übliche Nachmittagspredigt
auch in der Neustädterkirche eingeführt (Punkt 56).
Der Rat sorge allein für die „Stipendien“ der Prediger und Schuldiener (Punkt 57).
Ehesachen würden seit „undenklichen Zeiten“ allein vor dem Stadtsyndikus ausgetragen ohne
Einfluß des Landesherrn oder seines Konsistoriums (Punkt 60).
Die hier behaupteten Vorrechte wurden dem Rat durch einen Vergleich mit dem Landesherrn
von 1644 beträchtlich beschnitten; vor allem galt fortan die KO des Fürstentums Lüneburg
von 1643 (vgl. Harland 11. S. 385 ff., Weizsäcker, S. 21 f., ferner Max II, S. 258 f.).

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