25. April 2008
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zu kultivieren, können gezielt sexuell induziert werden und besitzen eine kurze und
sehr gut zugängliche Embryonalentwicklung mit einer klassischen Invaginations-
gastrula. Aus Nematostella-Embryonen wurden 11 der 12 bekannten Wnt-Genfami-
lien identifiziert. Damit sind bereits auf dieser frühen Stufe der Metazoenevolution
nahezu alle Wnt-Genfamilien vertreten. Dies ist in mehrfacher Hinsicht erstaunlich:
Zum einen besitzen die Cnidaria damit mehrWnt-Gene als die abgeleiteten Insek-
ten und Nematoden, bei denen bis zu fünf Wnt-Genfamilien fehlen. Anders als
bisher angenommen gibt es damit auch keinen direkten Zusammenhang zwischen
der Anzahl der Gene und der morphologischen Komplexität tierischer Organismen.
Dies bedeutet auch, dass bereits der gemeinsame Vorfahre aller Metazoen vermutlich
über einen kompletten Satz an Wnt-Liganden verfügte. Bei einzelligen Organismen
und solchen, die zwar Zellkolonien bilden können, sich aber nicht zu echten Viel-
zellern entwickelt haben, sind bisher keine Wnt-Gene nachgewiesen worden. Daher
dürfte das Auftreten der Wnt-Gene vor 650 Millionen Jahren eng gekoppelt mit dem
Entstehen mehrzelliger tierischer Mehrzeller gewesen sein oder gar die Vorrausset-
zung dafür gewesen sein.
Expressionsanalysen der Wnt-Gene bei Nematostella zeigen außerdem, dass
nahezu alle Wnt-Gene früh in der Embryonalentwicklung exprimiert sind. Nahezu
alle Wnt-Gene sind am Blastoporus der Gastrula exprimiert, und zwar in sich über-
lappenden, vom oralen zum aboralen Pol reichenden Expressionsdomänen. Dieses
charakteristische Expressionsmuster am Blastoporus der Gastrula war unerwartet und
ähnelt eher einem Muster, wie es aus den Bilateria für die Hox-Gene bekannt ist.
Die Komplexität der Hox-Gene bei Cnidariern ist jedoch sehr begrenzt und ihre
Expression zeichnet sich nur durch eine anteriore und eine posteriore Expressions-
domäne aus. Ähnliche überlappende Expressionsmuster der Wnt-Gene werden auch
bei Hydra gefunden. In Hydra werden sie in der Knospenbildung und der Regene-
ration schrittweise exprimiert, wobei Wnt3 an der Spitze der Kasakade steht. Wir
gehen daher davon aus, dass die Wnt-Gene eine fundamentale Funktion in der
Musterbildung der Körperachse der Cnidaria besitzen, und dass diese durch Wnt-
Liganden gebildete Gradienten die Spezifität der verschieden Körperregionen
bestimmen.
Die Vollständigkeit des Repertoires an Wnt-Genen auf dieser frühen Evolu-
tionsstufe deutete auf eine unerwartet hohe Komplexität des Genoms der Cnidaria
hin. Die beiden Genomprojekte der Cnidaria, bei Hydra und bei Nematostella bestäti-
gen die Komplexität des Genoms der Cnidaria, wie sich dies bereits bei der Identi-
fikation der Nematostella Wnt-Gene und in den EST-Analysen abzeichnete. Das
Genom von Nematostella enthält etwa 18.000 bona ßtde proteinkodierende Gene.
Nahezu 20% aller Gene stellen evolutive Neuheiten dar, die spezifisch für Funktio-
nen in tierischen Organismen sind. Beispiel dafür sind fast alle Gene der Zell-Zell
Kommunikation (wie die Wnt-Gene) und der Zelladhäsion sowie der synaptischen
Transmission im Nervensystem. Die Analyse der verschiedenen Signalwege sugge-
riert außerdem, dass diese Gene Erfindungen waren, die eng an den Übergang von
der einzelligen zur mehrzelligen Organisationsstufe gekoppelt waren. 72% der Gene
lassen sich in den Genomen der drei Hauptlinien der Eumetazoa (Cnidaria, Proto-
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zu kultivieren, können gezielt sexuell induziert werden und besitzen eine kurze und
sehr gut zugängliche Embryonalentwicklung mit einer klassischen Invaginations-
gastrula. Aus Nematostella-Embryonen wurden 11 der 12 bekannten Wnt-Genfami-
lien identifiziert. Damit sind bereits auf dieser frühen Stufe der Metazoenevolution
nahezu alle Wnt-Genfamilien vertreten. Dies ist in mehrfacher Hinsicht erstaunlich:
Zum einen besitzen die Cnidaria damit mehrWnt-Gene als die abgeleiteten Insek-
ten und Nematoden, bei denen bis zu fünf Wnt-Genfamilien fehlen. Anders als
bisher angenommen gibt es damit auch keinen direkten Zusammenhang zwischen
der Anzahl der Gene und der morphologischen Komplexität tierischer Organismen.
Dies bedeutet auch, dass bereits der gemeinsame Vorfahre aller Metazoen vermutlich
über einen kompletten Satz an Wnt-Liganden verfügte. Bei einzelligen Organismen
und solchen, die zwar Zellkolonien bilden können, sich aber nicht zu echten Viel-
zellern entwickelt haben, sind bisher keine Wnt-Gene nachgewiesen worden. Daher
dürfte das Auftreten der Wnt-Gene vor 650 Millionen Jahren eng gekoppelt mit dem
Entstehen mehrzelliger tierischer Mehrzeller gewesen sein oder gar die Vorrausset-
zung dafür gewesen sein.
Expressionsanalysen der Wnt-Gene bei Nematostella zeigen außerdem, dass
nahezu alle Wnt-Gene früh in der Embryonalentwicklung exprimiert sind. Nahezu
alle Wnt-Gene sind am Blastoporus der Gastrula exprimiert, und zwar in sich über-
lappenden, vom oralen zum aboralen Pol reichenden Expressionsdomänen. Dieses
charakteristische Expressionsmuster am Blastoporus der Gastrula war unerwartet und
ähnelt eher einem Muster, wie es aus den Bilateria für die Hox-Gene bekannt ist.
Die Komplexität der Hox-Gene bei Cnidariern ist jedoch sehr begrenzt und ihre
Expression zeichnet sich nur durch eine anteriore und eine posteriore Expressions-
domäne aus. Ähnliche überlappende Expressionsmuster der Wnt-Gene werden auch
bei Hydra gefunden. In Hydra werden sie in der Knospenbildung und der Regene-
ration schrittweise exprimiert, wobei Wnt3 an der Spitze der Kasakade steht. Wir
gehen daher davon aus, dass die Wnt-Gene eine fundamentale Funktion in der
Musterbildung der Körperachse der Cnidaria besitzen, und dass diese durch Wnt-
Liganden gebildete Gradienten die Spezifität der verschieden Körperregionen
bestimmen.
Die Vollständigkeit des Repertoires an Wnt-Genen auf dieser frühen Evolu-
tionsstufe deutete auf eine unerwartet hohe Komplexität des Genoms der Cnidaria
hin. Die beiden Genomprojekte der Cnidaria, bei Hydra und bei Nematostella bestäti-
gen die Komplexität des Genoms der Cnidaria, wie sich dies bereits bei der Identi-
fikation der Nematostella Wnt-Gene und in den EST-Analysen abzeichnete. Das
Genom von Nematostella enthält etwa 18.000 bona ßtde proteinkodierende Gene.
Nahezu 20% aller Gene stellen evolutive Neuheiten dar, die spezifisch für Funktio-
nen in tierischen Organismen sind. Beispiel dafür sind fast alle Gene der Zell-Zell
Kommunikation (wie die Wnt-Gene) und der Zelladhäsion sowie der synaptischen
Transmission im Nervensystem. Die Analyse der verschiedenen Signalwege sugge-
riert außerdem, dass diese Gene Erfindungen waren, die eng an den Übergang von
der einzelligen zur mehrzelligen Organisationsstufe gekoppelt waren. 72% der Gene
lassen sich in den Genomen der drei Hauptlinien der Eumetazoa (Cnidaria, Proto-