Metadaten

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2008 — 2009

DOI Kapitel:
I. Das Geschäftsjahr 2008
DOI Kapitel:
Antrittsreden
DOI Artikel:
Michaels, Axel: Antrittsrede vom 25. Januar 2008
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.67591#0115
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
128 | ANTRITTSREDEN

dem ich nachzuweisen versuchte, dass die alten Inder bereits im 5. Jahrhundert
v. Chr. zu anwendungsfreien Formulierungen der Euklidischen Geometrie gekom-
men sind. Sie kamen darauf, weil sie bei den rituellen Schichten von äußerst groß-
formatigen Altären mit Backsteinen unterschiedlicher Form und Größe Deckungs-
gleichheiten von Flächen feststellten. Das Buch hat auch in mathematikhistorischen
Kreisen Zustimmung und Anerkennung gefunden, worauf ich ein wenig stolz bin,
wenngleich von der Verbindung aus Ritual und Mathematik nur das Ritual als For-
schungsthema übrig blieb.
Nach meiner Promotion ging ich zunächst an das Hamburgische Völkerkun-
demuseum, wo ich asiatische Musikinstrumente und Waffen — was für eine
Mischung! — zu beschreiben und zu katalogisieren hatte, dann als Assistent nach
Münster und schließlich zu Bernhard Kölver nach Kiel. Dort blieb ich zehn Jahre,
aber zwischenzeitlich ging ich mit meiner Frau Annette als Leiter des von der
Deutschen Morgenländischen Gesellschaft getragenen Nepal-German Manuskript
Preservation Projects für zwei Jahre nach Nepal und ein Jahr alsVisiting Fellow an
das Wolfson College in Oxford. 1991 habilitierte ich mich mit einer Schrift über die
Geschichte und Ritualpraxis des Pashupatinath-Tempels in Nepal. Die Beschäfti-
gung mit diesem weitläufigen Tempelareal hält an: gerade erst habe ich die Fahnen
für mein neues Buch über die dortigen Feste an die Oxford University Press nach
New York geschickt.
Nach der Habilitation — inzwischen hatten meine Frau und ich drei Kinder
bekommen — wurde mir von der Deutschen Forschungsgemeinschaft ein Heisen-
bergstipendium zugesprochen. Leider konnte ich es nur drei Monate in Anspruch
nehmen, denn 1992 erhielt ich einen Ruf nach Stockholm und zeitgleich nach
Bern. Es war nicht nur die Entscheidung zwischen Norden und Süden, sondern
auch zwischen Indologie und Religionswissenschaft. Ich entschied mich nicht
zuletzt aus familiären Gründen für Bern, obwohl mir mein Sohn Elias die für einen
Hamburger schwierige Frage mit auf den Weg gab, ob denn Schafe in der Schweiz
hinten längere Beine haben müssen, wenn sie bergauf grasen.
In Bern war ich Mitglied der Philosophischen und der Evangelisch-theologi-
schen Fakultät. Die Begegnung mit meinen theologischen Kolleginnen und Kolle-
gen, aber auch die Öffnung hin zu religionswissenschaftlichen Fragestellungen und
die vergleichsweise ruhige akademische Atmosphäre hat mich menschlich unge-
wöhnlich bereichert und wissenschaftlich produktiv sein lassen. Aufgefordert durch
den Verleger Wolfgang Beck, den ich vermittelt durch den Neutestamentler Ulrich
Luz kennen lernte, machte ich mich an die Herausgabe eines Bandes zu den Klas-
sikern der Religionswissenschaft und an eine Gesamtdarstellung der Geschichte und
Praxis des Hinduismus. Das Buch wurde viel beachtet und sehr gut aufgenommen,
auch in seiner englische Fassung, die 2004 in der Princeton University Press erschien.
Ein Jahr später gab es dann noch einen Nachdruck in Indien. Die Times of India
schrieb daraufhin: “Zwei Dinge können die Deutschen: Panzer bauen und Indolo-
gie.“ Mit einer solchen Durchschlagkraft hatte ich nicht gerechnet.
Trotz guter Bedingungen verließ ich Bern nach vier Jahren, denn inzwischen
hatte ich einen Ruf nach Heidelberg an das Südasien-Institut erhalten, um wieder zur
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften