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Arno
Scutum canonicorum: Edition, Übersetzung, Kommentar — Klöster als Innovationslabore, Band 11: Regensburg: Schnell + Steiner, 2022

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https://doi.org/10.11588/diglit.72133#0021
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2. Scutum canonicorum

Einheit in Christus und die Liebe zu Gott vor Augen zu führen.54 Die Zusammen-
fassung der gültigen Gewohnheiten der Reichersberger Regularkanoniker macht ei-
nen großen Teil der Streitschrift aus und dieses Consuetudinarium dient der eigenen
Identitätsfindung und ihrer Verteidigung gegenüber anderen apostolischen Gemein-
schaften, die Arno am Ende des Scutum zu Solidarität aufruft: „Herren und Brüder
des Kanonikerstandes, Väter und Söhne, erbarmt euch, erbarmt euch eurer und un-
ser, erbarmt wenigstens ihr euch des Kanonikerstandes, ihr, dessen Freunde!"55
Das Scutum richtet sich vor allem gegen die Konkurrenz der Zisterzienser und
Prämonstratenser in der Salzburger Diözese, also gegen diejenigen Mönche und Ka-
noniker, die laut Arno „heiliger, besser, weiser und umsichtiger als Augustinus und
Benedikt sein" wollten.56 Aus diesem Grund benötigten die Regularkanoniker klare
Regeln bezüglich ihrer Lebens-, Ess- und Kleidungsgewohnheiten. Diesen widmet
Arno daher den ersten Teil des Scutum, hier beschreibt und begründet er ausführlich
die Gewohnheiten und Vorschriften der Reichersberger Kanoniker bezüglich Klei-
dung, Tonsur, Schweigen, Enthaltsamkeit und Fastenregeln sowie den Gebetszeiten,
an denen sich der Tagesablauf im Stift orientierte. Grundsätzlich lässt sich im Scutum
canonicorum eine Anlehnung an die Consuetudines Rodenses erkennen, die von
Propst Richer von Klosterrath ausgearbeitet wurden und im Salzburger Reformraum
verbreitet waren. Hier ist besonders auf den Wiener Codex 1482 aus dem 12. Jahr-
hundert, der aus dem Salzburger Domkapitel stammte und zahlreiche für die Re-
formkanonikerbewegung grundlegende Texte beinhaltete, zu verweisen.57 Vor allem
bei der Betonung der Handarbeit sowie bei den Regelungen zum Strafkapitel und
Schweigen fallen direkte Anklänge an die Klosterrather Consuetudines ins Auge.58
Stefan Weinfurter folgerte aus diesen Übereinstimmungen, dass „die Klosterrather
Gewohnheiten tatsächlich die Leitlinien für den Observanzbereich des Salzburger
Regularkanoniker-Kreises abgegeben haben."59
Der Einfluss der Marbacher Consuetudines, die ab dem Jahr 1126 durch die Besie-
delung des Stifts Indersdorf durch Regularkanoniker aus Marbach im bayrischen
Raum bekannt waren, dürfte gering sein, direkte Zitate finden sich im Scutum keine,

54 Etenim, quamlibet diversarum tramitum seu consuetudinem aut professionum varietate tenditur
non tamen in diversum, sed ad unum in uno et sub uno tendatur... Arno von Reichersberg, Scutum
canonicorum, S. 112.

55 Domini et fratres ordinis canonici, patres et filii, miseremini, miseremini vestri et nostri, miser-
emini ordinis canonici saltem vos amici eius! Arno von Reichersberg, Scutum canonicorum, S. 114.

56 Nam esse velle quempiam nostri temporis hominem Augustino et Benedicto sanctiorem, meliorem,
sapientiorem ac discretiorem supersticioni potius quam religioni deputabitur ... Arno von Rei-
chersberg, Scutum, S. 160. Vgl. hierzu Weinfurter, Vita canonica, S. 155.

57 Vgl. hierzu Grasl, Lebensgewohnheiten, S. 44-46; Weinfurter, Salzburger Bistumsreform, S. 274.
Zu Entstehungsort, Abfassungszeit und Überlieferung der Consuetudines vgl. Consuetudines cano-
nicorum regularium Springirsbacenses-Rodenses, ed. Weinfurter, CCCM 48, S. X-XIX.

58 Vgl. Grasl, Lebensgewohnheiten, S. 50; Weinfurter, Salzburger Bistumsreform, S. 274.

59 Weinfurter, Salzburger Bistumsreform, S. 278.
 
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