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Arno
Scutum canonicorum: Edition, Übersetzung, Kommentar — Klöster als Innovationslabore, Band 11: Regensburg: Schnell + Steiner, 2022

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https://doi.org/10.11588/diglit.72133#0022
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2.1 Funktion und Intention

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nur die Vorschriften zur Abstinenz orientieren sich etwas am gemäßigteren Marba-
cher Vorbild.60 Diese können jedoch auch über die Klosterrather Gewohnheiten, die
ebenfalls einige Consuetudines aus Marbach enthalten, ins Scutum gelangt sein.61 Da-
neben waren in Reichersberg die von Petrus Damiani (Petrus de Honestis) verfassten
Consuetudines von 1115/1116 für das Stift Santa Maria in Porto bei Ravenna, die Papst
Paschalis II. im Jahr 1116 bestätigt hatte, bekannt.62 Arno nimmt jedoch auf diese
Regula clericorum im Scutum keinen direkten Bezug, während Gerhoch im Opuscu-
lum de aedificio Dei das gesamte erste Kapitel und im Commentarius in Psalmum
LXIV noch zusätzlich die Kapitel vier und fünf zitiert.63 Diese Consuetudines fanden
über Erzbischof Walther von Ravenna (amt. 1118-1144), der zuvor Propst in Santa
Maria in Porto war und sich stark für die Verbreitung der dortigen Consuetudines
einsetzte, Eingang in den südostbayerischen Raum. Walther stand seit der Legation
von 1130 anläßlich des Häresieprozesses gegen Gerhoch in enger Beziehung mit dem
Gründer von St. Mang, Gebhard (f um 1150), der die Consuetudines Portuenses in
St. Mang einführte.64 Aufgrund der engen Verbindungen zwischen dem von Hirsau
aus reformierten Benediktinerkloster Admont und dem Stift Reichersberg könnte au-
ßerdem ein Einwirken der Hirsauer Consuetudines auf die Reichersberger Gewohn-
heiten vermutet werden.65 Dieses lässt sich an einer Stelle des Scutum canonicorum,
in der bei den Essensvorschriften die „Pietantia" genannt wird, näher fassen.66
In Einklang mit seiner Position als Stiftsdekan, in deren Funktion Arno für die
Einhaltung der Regel und Ausübung der Disziplin zu sorgen hatte, legt er im ersten
Teil des Scutum eine normative Grundlage für die Auslegung und Befolgung der im

60 Vgl. Siegwart, Consuetudines, cap. 96-97, §§ 223-225, S. 204-205. Sicherlich überschätzt Sieg-
wart den Einfluss der Marbacher Consuetudines auf den Salzburger Raum: „In dem um 1147 ge-
schriebenen Werk Arnos von Reichersberg ,Scutum canonicorum' werden die Marbacher Consue-
tudines benützt. Demnach übernahm Reichersberg vor 1147 die Marbacher Consuetudines, also
unter Propst Gerhoch, nicht lange nach Rottenbuch." Siegwart, Consuetudines, S. 81, Anm. 10. Vgl.
hierzu Weinfurter, Salzburger Bistumsreform, S. 277, 282-283.

61 Vgl. Grasl, Lebensgewohnheiten, S. 50-51.

62 Migne PL 163, Sp. 703-707; Italia Pontificia 5, S. 96-97, Nr. 2.

63 Gerhoch von Reichersberg, Opusculum de aedificio Dei, ed. Becker, Bd. 2, S. 34-44; Gerhoch von
Reichersberg, Commentarius in Psalmum LXIV, ed. Sackur, MGH Ldl 3, S. 475-478.

64 Vgl. Weinfurter, Salzburger Bistumsreform, S. 272; Classen, Gerhoch, S. 70; Fuchs, Bildung und
Wissenschaft, S. 81-92. Gebhard geht in seinen Erläuterungen über die Einführung der Regel von
Porto in St. Mang auf eine erzbischöfliche Empfehlung ein, die wohl auf Walther von Ravenna
zurückzuführen ist: Ego Gebhardus fundator Ripensis ecclesiae sancti Magni qua dispensatione
Portuensis ecclesiae regulam prae ceteris elegerim, licet ex praemissa venerabilis archiepiscopi
commendatione et apostolicae auctoritatis probatione coniici potuerit, superest tamen ratio, quae
hoc plenius explanabit. Fuchs, Bildung und Wissenschaft, S. 96.

65 Zu den engen Beziehungen zwischen Admont und Reichersberg vgl. Lutter, Geschlecht & Wissen,
S. 58-59, 109-119; dies., Hof und Kloster, S. 45; Gerhoch von Reichersberg, Opusculum de aedificio
Dei, ed. Becker, Bd. 1, S. 34-38.

66 Wilhelm von Hirsau, Constitutiones Hirsaugienses, ed. Engelbert, lib. I, cap. 59, S. 485-486; Arno
von Reichersberg, Scutum canonicorum, S. 186-187.
 
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