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Arno
Scutum canonicorum: Edition, Übersetzung, Kommentar — Klöster als Innovationslabore, Band 11: Regensburg: Schnell + Steiner, 2022

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https://doi.org/10.11588/diglit.72133#0024
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2.2 Quellen und Regeltexte

23

Lebensweise der Kanoniker lehrt uns die Heilige Schrift vieles, und wir könnten
vieles sagen, denn die Lebensweise der Kanoniker ist die Lebensweise der Apostel,
da ja die Apostel nach Aufgabe von allem [Besitz] in dieser Lebensweise mit dem
Herrn lebten, und nach seiner Himmelfahrt mit der Menge der Gläubigen, die ein
Herz und eine Seele waren, in dieser Lebensweise lebten und durch ihr Vorbild den
Nachkommenden deren Einhaltung auftrugen."71 Innozenz II. hebt die Verbindlich-
keit der einmal abgelegten Profess auf die Augustinusregel hervor und verweist dar-
auf, dass die Einhaltung der apostolischen und gemeinschaftlichen Lebensweise
ohne Eigentum für die Kleriker in den Mutterkirchen bereits durch eine Dekretale
Papst Urbans I. (amt. 222-230) festgesetzt worden war.72
Diese fälschlicherweise Urban I. zugewiesene Pseudoisidor-Dekretale über das
gemeinschaftliche Leben der Kleriker gehörte zu den Kerntexten der Kanoniker-
bewegung, wurde von Anselm von Lucca in das siebte Buch seiner Collectio cano-
num aufgenommen und fand von dort Eingang in die Privilegien Urbans II. und In-
nozenz' II.73 Auch Gerhoch hat das Schreiben Urbans I. zweimal im Opusculum de
aedificio Dei unter den Autoritätenzitaten aufgeführt.74 Der Brief von Papst Inno-
zenz II. De dignitate et excellentia vit^ canonicorum ist außer in Arnos Scutum nur
noch im Kommentar Gerhochs zum Psalm 64 überliefert.75 Arno und Gerhoch konn-
ten damit auf ein zentrales Schriftstück der Bewegung zur vita apostolica zurück-
greifen, das anscheinend nur in den Salzburger Reformkreisen verbreitet war und
rezipiert wurde.76
Arno zitiert im Scutum beide im Salzburger Reformkreis verbreiteten Fassungen
der Augustinusregel, sowohl die allgemeinere und gemäßigtere Form des Praecep-
tum als auch die kürzere Variante des Ordo monasterii, der strengere und konkretere
Vorschriften hinsichtlich Abstinenz, Schweigen und Handarbeit beinhaltete. Beide
Regeltexte wurden Augustinus zugeschrieben, aber ihre Authentizität war lange Zeit
umstritten und wurde gerade unter den Regularkanonikern heftig diskutiert.77 Infol-

71 De dignitate et excellentia vite canonicorum multa nos docet divina scriptura et multa possemus
dicere, quod vita canonicorum vita est apostolica, quoniam apostoli contemptis omnibus hac vita
cum Domino vixerunt et post ascensionem cum multitudine credentium, cuius erat anima una et cor
unum, hac vita viventes eam posteris suo exemplo tenendam reliquerunt. Arno von Reichersberg,
Scutum canonicorum, S. 196-198.

72 Siehe hierzu auch Einleitung, Kap. 2.3.2.

73 Decretales pseudo-isidorianae, Decreta Urbani papae (Epistola prima), ed. Hinschius, cap. I,
S. 143-144; Anselm von Lucca, Collectio canonum, ed. Thaner, lib. VII, cap. 4, S. 364. Vgl. hierzu
Fuhrmann, Papst Urban II., S. 4, Anm. 3.

74 Gerhoch von Reichersberg, Opusculum de aedificio Dei, ed. Becker, Bd. 2, S. 24-26 (fol. 9r),
S. 112-114 (fol. 44v).

75 Gerhoch von Reichersberg, Commentarius in Psalmum LXIV, ed. Sackur, MGH Ldl 3, S. 456-457.

76 Vgl. Andenna, Mortariensis Ecclesiae, S. 450.

77 Hierzu siehe grundlegend Verheijen, Regle, der beide Regelfassungen auch kritisch ediert hat: Re-
gula Augustini: Ordo monasterii, ed. Verheijen, S. 148-152; Regula Augustini: Praeceptum, ed.
 
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