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Arno
Scutum canonicorum: Edition, Übersetzung, Kommentar — Klöster als Innovationslabore, Band 11: Regensburg: Schnell + Steiner, 2022

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https://doi.org/10.11588/diglit.72133#0057
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2. Scutum canonicorum

Christusnachfolge verkörpert, stellt für ihn das Bindeglied zwischen ordo monasti-
cus und ordo canonicus dar. Insgesamt vertritt Arno eine vermittelnde, gemäßigtere
Linie vor allem in Fragen zur übermäßigen Askese bei Essensvorschriften und Klei-
dung. Ein entscheidendes Kriterium für das Gelingen der vita communis im Klerus
stellt für Arno die Übereinstimmung zwischen innerer und äußerer Haltung dar.
Nicht das gegenseitige Überbieten mit immer neuen Erlassen zum harten Umgang
mit dem Körper seien entscheidend, sondern die Kraft der geistlichen Lebensweise,
die in der Einhaltung des Schweigens, der Arbeit, des Lesens, des Gehorsams gegen-
über den Vorstehern, des Verzichts auf Eigentum, der Verrichtung der Gebete zur
angemessenen Zeit und der Heiligmäßigkeit der Lebensführung liege.265
Insgesamt stellt das Scutum canonicorum eine wichtige Grundlage für den Pro-
zess der Institutionalisierung der Salzburger Regularkanonikerbewegung dar. Nicht
nur durch die mit der Verschriftlichung verbundenen Bewusstwerdung der Rei-
chersberger Consuetudines, sondern auch durch die Betonung der Gleichberechti-
gung der beiden apostolischen ordines ist diesem Werk eine zentrale Stellung in den
zeitgenössischen Diskursen zum Übertritt aus dem ordo canonicus in den ordo mo-
nasticus und zur Wertigkeit der beiden Stände zuzurechnen. Die Unterschiede zwi-
schen der im Salzburger Reformraum überlieferten längeren Version A und der kür-
zeren Version B, die wohl im späten 15. Jahrhundert in der Halberstädter Diözese
entstanden ist, weisen auf die konkrete Benutzung des Scutum als Consuetudinari-
um hin. In den meisten Fällen fehlen in Version B kleinere Passagen, die die Ausfüh-
rungen über die verschiedenen Gewohnheiten bezüglich des Schweigens, der Klei-
dung oder der Tonsur noch detaillierter erklären beziehungsweise Ausnahmefälle
definieren. Ebenfalls fehlen in Version B kritische Bemerkungen, die Arno direkt
gegen die „Verleumder" der Regularkanoniker richtet, welche eine Entstehung die-
ser Abschrift im prämonstratensischen Kontext vermuten ließ.266 Version B endet
nach der Charakterisierung der beiden Stände und dem Hinweis, dass die Entschei-
dung über die Höherwertigkeit des jeweiliges Standes Gott überlassen werden müs-
se. In Version A folgt anschließend noch eine längere Schlusspassage über die Not-
wendigkeit des Zusammengehens der beiden ordines sowie die Vollkommenheit
eines jeden dieser apostolischen Stände auf seine Art. Deutlich betont wird in der
längeren Fassung die Gleichwertigkeit der beiden apostolischen Lebensweisen durch
die Ausrichtung auf ein gemeinsames Ziel in der Person Christi.

265 ... non utsemper ad non parcendum corpori nova edicta prodeant, sed ne illa, in quibus religionis
vigor est, videlicet silencium, opus et lectio, obedientia prioribus exhibenda, proprietatum abdi-
catio, orationum suo tempore instantia et vite sanctimonia... Ebd., S. 242.

266 Et nostra quidem defesio apud eos qui nobis calumniantur, hec est... und ... Hoc, patres et do-
mini, vestrf sanctitati, contra inportunos, defensionis scutum... Arno von Reichersberg, Scutum
canonicorum, S. 188 und S. 242. Vgl. hierzu Classen, Gerhoch, S. 446 (Opus 1).
 
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