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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0022
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18 | Einleitung

ge Wiederkehr von »Niedergang« und »Erneuerung« dargestellt wird. Die conditio
h umana, aber auch veränderte Bedingungen und Situationen führten dazu, dass sich
die Mönche von ihren ursprünglichen Idealen entfernten und daher in regelmäßigen
Abständen wieder an diese erinnert werden mussten. Eine Rückführung zu den ur-
sprünglichen Idealen stand daher stets im Spannungsfeld zwischen Bewahren und
Anpassen und wurde von den Zeitgenossen als Verbesserung gewertet.
Der eingangs zitierte Bericht über Saint-Nicolas-aux-Bois ist durchaus typisch
für die mittelalterliche Beschreibung dieses Phänomens. Hermann von Tournai und
viele andere Autoren beschränken sich in ihren Darstellungen auf vage Formulie-
rungen, die die konkreten Veränderungen in den Klöstern nur vermuten lassen und
nicht selten als stereotyp abgetan werden.5 So bemerken die Gesta abbatum von
Sint-Truiden in ähnlicher Weise wie Hermann von Tournai, dass unter Abt Thiet-
fried die religio des Klosters erblühte und ihr Besitz anwuchs.6 Der Autor der Vita
Dietrichs von Angers erinnert daran, dass dieser den ordo religionis monasticae, der
nahezu ausgelöscht war, in diesem Kloster wieder korrigierte und zum Besseren
wandte.7 Und auch das Nekrolog von Sankt Maximin in Trier bemerkt, dass Abt
Oger das darniederliegende Kloster wiederherstellte, dass die Zahl der Brüder unter
seiner Führung wieder anstieg und die religio verbessert wurde.8 Weitere derartige
Beispiele ließen sich beliebig aufzählen. Ihnen allen gemein ist jedoch neben einer
sehr unspezifischen Sprache der Verzicht auf nähere Details: Entscheidend ist für
die Autoren das Ergebnis, das meist interius et exterius, das heißt in der Gemein-
schaft und in ihrem Besitz deutlich sichtbar war. Nur wenige mittelalterliche Texte
führen dem Leser vor Augen, welche konkreten Veränderungen in einer Gemein-
schaft durchgeführt wurden, wer daran beteiligt war, wie es dazu kommen konnte
und welche Schwierigkeiten dabei zu Tage traten.
Die Gesta abbatum aus Lobbes berichten so beispielsweise äußerst detailliert,
wie das Kloster zur Annahme des ordo cluniacensis gezwungen wurde, wie es sich
zunächst dagegen wehrte und schließlich die neue Lebensweise akzeptierte.9 Noch
weit berühmter sind freilich Rudolfs Gesta abbatum aus Sint-Truiden, die unter
5 Für die »Reformen« von Klöstern in der Karolingerzeit und ihre stereotype Schilderung in den zeitgenös-
sischen Quellen vgl. I. Rose, Les moines et leur vie, S. 34-37.
6 Gestorum abbatum Trudonensium. Continuatio tertia, III, c. 13, S. 378: »Anno gratie eodem domnus
Thietfridus huic loco abbas preficitur, qui annis 30 prefuit, sub quo religio floruit et possessionum accre-
vit.«
7 Vita Theoderici abbatis Andaginensis, c. 6, S. 40: »ordinem religionis monasticae, quae paene anihilata erat,
in eodem monasterio correxit et in melius reparavit.«
8 E X. Kraus, Das Nekrologium von St. Maximin, S. 110: »Ogo abbas huius loci postea Tungrensis episcopus
qui hoc monasterium a fundamentis reparavit et locum istum pene pessundatum renovavit et numerum
fratrum ad LX et religionem ampliavit.«
9 Gesta abbatum Lobbiensium; siehe dazu unten S. 504-508.
 
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