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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Editor]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0029
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1. Flandern und die vita religiosa | 25

Frauenkloster umgewandelt.28 Ab der Mitte des 11. Jahrhunderts setzte, parallel zu
dem von Meijns beobachteten Anstieg der Zahl von Kanonikerstiften, eine Grün-
dungswelle von Klöstern ein - ein Phänomen, das sowohl mit dem Herrschaftsaus-
bau des Grafen als auch mit dem religiösen Aufbruch jener Zeit in Verbindung zu
bringen ist.29
Ab der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts ist auch in der Grafschaft Flan-
dern und ihren benachbarten Gebieten der religiöse Aufbruch deutlich zu spüren.30
Ludo Milis betont, dass in dieser Gegend der Wunsch nach einem Leben in eremo
eng mit dem Wunsch nach einem Leben in freiwilliger Armut verbunden war.31 In
einer Gegend und einer Zeit, in der vor allem in den Städten der Reichtum und seine
Folgen immer deutlicher zu spüren waren, stellte ein Leben in der sequela Christi
eine bewusste Alternative dar.32 Vor allem Kanoniker aber auch Mönche und Laien
entschlossen sich daher für ein eremitisches Leben, das in vielen Fällen in ein ge-
meinschaftliches Leben überführt wurde. So gehen beispielsweise die Gründungen
von Anchin (1079) und dem in Brabant gelegenen Affligem (1083) auf eine Gruppe
von bekehrten Rittern zurück, die bedeutende Gemeinschaft von Arrouaise (1090)
auf einen Eremiten namens Roger.33 Neben den Eremiten kam aber in dieser Ge-
gend auch den Wanderpredigern, wie beispielsweise Norbert von Xanten, Wederi-
cus oder dem als Häretiker verurteilten Tanchelm eine besondere Bedeutung zu.34

28 Zu Marchiennes vgl. K. Uge, Creating the Monastic Past the Monastic Past; zu Bergues-Saint-Winnoc vgl.
B. Meijns, Aken of Jeruzalem?, S. 326-332; zu Denain vgl. J. P. Gerzaguet, L’abbaye feminine de Denain.
29 S. Vanderputtem Crises of Cenobitisme, S. 263 liefert eine Karte mit den wichtigsten benediktinischen
Klöstern und nennt in Anm. 14 folgende Gründungen: Bourbourg, Ename, Geraardsbergen (Grand-
mont), Hasnon, Messines, Oudenburg, Saint-Jean-au-Mont in Therouanne, Saint-Martin in Tournai;
zudem im weiteren Sinne Affligem, Anchin, Andres, Auchy-les-Moines, Etrun, Ham, Hesdin, La Beu-
viere, Pommeroeul, Saint-Denis-en-Broquerie, Saint-Sepulchre in Cambrai. Zur politischen Komponente
dieser Entwicklung vgl. ebd.; B. Meijns, La reorientation du paysage.
30 L. Milis, The Church in the Low Countries, S. 99 bemerkt, dass es in dieser Gegend im Frühmittelalter
durchaus eine eremitische Tradition gegeben habe, die vor allem im Einfluss des iroschottischen Mönch-
tums stand, dass diese Lebensweise bis ins 11. Jahrhundert aber nahezu vollständig vom benediktinischen
Mönchtum verdrängt worden sei. Zu den Eremiten des Frühmittelalters vgl. J. Heuclin, Aux origines
monastiques.
31 L. Milis, The Church in the Low Countries, S. 99-100.
32 Ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Reichtum der Städte und der Konversion zahlreicher
Menschen, wie er für Italien vermutet wird, ist in Flandern ebenfalls denkbar. Vgl. hierzu L. Genicot,
L’eremitisme du XE siede, der das Eremitentum im wirtschaftlichen und sozialen Kontext betrachtet.
33 Zu Anchin J. P. Gerzaguet, L’abbaye d’Anchin, zu Affligem vgl. die Kontroverse zwischen Despy und
Dereine (siehe unten Anm. 1768); zur Gründung von Arrouaise vgl. L. Milis, L’ordre des chanoines
d’Arrouaise; Ders., Een religieuze orde van eigen bodem.
34 Ch. Dereine, Ermites, reclus et recluses; Ders., Les predicateurs »apostoliques«; Ders., Odon de Tournai;
zu Norbert: K. Halder, Nobert von Xanten; F. J. Felten, Norbert von Xanten, die Gründung von Pre-
montre; Ders., Norbert von Xanten - vom Wanderprediger; L. Horstkötter, Norbert von Xanten; W. M.
Grauwen, Vitalis van Savigny en Norbert »Wanderprediger«; zu Wedericus von Gent vgl. Ch. Dereine,
La spiritualite apostolique; zu Tanchelm: M. Oberweis, Grenzverschiebung und Häresievorwurf; S. Beu-
 
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