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2. Analyse des Forschungsstands
2.1. »Reform« und »Reformbewegungen«
Das hochmittelalterliche Mönchtum wurde in der Geschichtsschreibung des 19.
und 20. Jahrhunderts als »Reformmönchtum« verstanden und unter diesem Blick-
winkel intensiv erforscht.82 Von besonderer Bedeutung ist diesbezüglich die 1950/51
erschienene Dissertation Kassius Hallingers mit dem Titel Gorze-Kluny, da sie
mit bestehenden Ansichten brach und methodisch neue Wege beschritt.83 Während
Ernst Sackur im 19. Jahrhundert noch weitgehend die Vorstellung prägte, hoch-
mittelalterliche »Reform« sei ausschließlich mit Cluny in Verbindung zu bringen,
konnte zu Beginn des 20. Jahrhunderts in vereinzelten Arbeiten gezeigt werden,
dass es im hohen Mittelalter neben Cluny noch weitere bedeutende »Reformzen-
tren« gegeben habe.84 Während der Begriff »Reform« bis dahin »ziemlich aus-
schließlich asketisch« verstanden und ihm somit eine »ethische« Wertung gegeben
wurde, versuchte Hallinger ihn durch das »Moment des Verfassungskampfes«
zu ergänzen.85 Sein verfassungsgeschichtlicher Ansatz begnügte sich somit nicht
mehr nur damit, wie es bis dahin in der Forschung immer wieder geschehen war,
»Reformzentren« zu benennen, sondern wollte die davon ausgehenden »Reform-
richtungen« erfassen.86
In seiner Studie versuchte Hallinger, das hochmittelalterliche Mönchtum über
das Phänomen der monastischen »Reformen« in feste, quasi-nationale Kategorien
einzuteilen. Hallinger sah eine große »Reformbewegung« nicht nur von der bur-
gundischen Abtei Cluny ausgehend, sondern auch vom lothringischen Gorze und
vertrat die These, dass ein klarer »Reformgegensatz« zwischen beiden bestanden
habe. Hallingers Studie liegt somit die Vorstellung zu Grunde, dass Klöster grö-
ßeren »Bewegungen« zugeordnet werden können.
Über die Zugehörigkeit einer klösterlichen Gemeinschaft zu der einen oder
anderen »Reformbewegung« entschied Hallinger mithilfe des »monarchischen
82 Kritik an dieser Bezeichnung äußerte bereits G. Tellenbach, Die westliche Kirche, S. 95 ff. Ein Überblick
über die deutsche Reformforschung bietet H. Sellner, Les communautes religieuses.
83 K. Hallinger, Gorze-Kluny.
84 E. Sackur, Die Cluniazenser; W. Hoffmann, Hirsau und die Hirsauer Bauschule; E. Sabbe, Notes sur la
reforme; Ders., La reforme clunisienne; W. Schröder, Mönchische Reformbewegung; zusammenfassend
K. Hallinger, Neue Fragen.
85 K. Hallinger, Neue Fragen, S. 12; Ders., Gorze-Kluny, S. 14-18.
86 K. Hallinger, Neue Fragen, S. 13. Die Tendenz in größeren »Bewegungen« zu denken findet sich bereits
zuvor, u. a. bei H. Grundmann, Religiöse Bewegungen.
2. Analyse des Forschungsstands
2.1. »Reform« und »Reformbewegungen«
Das hochmittelalterliche Mönchtum wurde in der Geschichtsschreibung des 19.
und 20. Jahrhunderts als »Reformmönchtum« verstanden und unter diesem Blick-
winkel intensiv erforscht.82 Von besonderer Bedeutung ist diesbezüglich die 1950/51
erschienene Dissertation Kassius Hallingers mit dem Titel Gorze-Kluny, da sie
mit bestehenden Ansichten brach und methodisch neue Wege beschritt.83 Während
Ernst Sackur im 19. Jahrhundert noch weitgehend die Vorstellung prägte, hoch-
mittelalterliche »Reform« sei ausschließlich mit Cluny in Verbindung zu bringen,
konnte zu Beginn des 20. Jahrhunderts in vereinzelten Arbeiten gezeigt werden,
dass es im hohen Mittelalter neben Cluny noch weitere bedeutende »Reformzen-
tren« gegeben habe.84 Während der Begriff »Reform« bis dahin »ziemlich aus-
schließlich asketisch« verstanden und ihm somit eine »ethische« Wertung gegeben
wurde, versuchte Hallinger ihn durch das »Moment des Verfassungskampfes«
zu ergänzen.85 Sein verfassungsgeschichtlicher Ansatz begnügte sich somit nicht
mehr nur damit, wie es bis dahin in der Forschung immer wieder geschehen war,
»Reformzentren« zu benennen, sondern wollte die davon ausgehenden »Reform-
richtungen« erfassen.86
In seiner Studie versuchte Hallinger, das hochmittelalterliche Mönchtum über
das Phänomen der monastischen »Reformen« in feste, quasi-nationale Kategorien
einzuteilen. Hallinger sah eine große »Reformbewegung« nicht nur von der bur-
gundischen Abtei Cluny ausgehend, sondern auch vom lothringischen Gorze und
vertrat die These, dass ein klarer »Reformgegensatz« zwischen beiden bestanden
habe. Hallingers Studie liegt somit die Vorstellung zu Grunde, dass Klöster grö-
ßeren »Bewegungen« zugeordnet werden können.
Über die Zugehörigkeit einer klösterlichen Gemeinschaft zu der einen oder
anderen »Reformbewegung« entschied Hallinger mithilfe des »monarchischen
82 Kritik an dieser Bezeichnung äußerte bereits G. Tellenbach, Die westliche Kirche, S. 95 ff. Ein Überblick
über die deutsche Reformforschung bietet H. Sellner, Les communautes religieuses.
83 K. Hallinger, Gorze-Kluny.
84 E. Sackur, Die Cluniazenser; W. Hoffmann, Hirsau und die Hirsauer Bauschule; E. Sabbe, Notes sur la
reforme; Ders., La reforme clunisienne; W. Schröder, Mönchische Reformbewegung; zusammenfassend
K. Hallinger, Neue Fragen.
85 K. Hallinger, Neue Fragen, S. 12; Ders., Gorze-Kluny, S. 14-18.
86 K. Hallinger, Neue Fragen, S. 13. Die Tendenz in größeren »Bewegungen« zu denken findet sich bereits
zuvor, u. a. bei H. Grundmann, Religiöse Bewegungen.