Metadaten

Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Editor]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0041
License: Free access  - all rights reserved

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
2. Analyse des Forschungsstands | 37

Prinzips der Filiation«, das den Fokus vor allem auf die Äbte legte, denn »die doc-
trina abbatis formt das geistige Antlitz der jeweiligen Mönchsfamilie«, »der neue
Abt bringt die Lebensform seiner Heimat mit.«87 Hallinger sprach bei der »Re-
form« einer Gemeinschaft also der Person des Abtes und den klösterlichen Ge-
wohnheiten zentrale Bedeutung zu. Seine Studie basierte daher weitgehend auf zwei
Pfeilern, nämlich dem »Prinzip der Nekrologie« und dem »liturgischen Prinzip der
Consuetudo«.88
Mit der Verwendung und Auswertung von Nekrologien glaubte Hallinger, die
Beziehungen zwischen den Klöstern näher beleuchten zu können.89 Ein besonderes
Augenmerk galt dabei den in den Nekrologien verzeichneten Namen von auswär-
tigen Äbten. Der Eintrag oder das Fehlen eines Eintrages wurden als Indiz für die
Zugehörigkeit zu einer »Reformrichtung« oder den Bruch mit dieser interpretiert.90
Dass Hallinger neben den Nekrologien auch die klösterlichen Gewohnheiten
als Quellen heranzog, ist auf seine Vorstellung zurückzuführen, die diesen Texten
gesetzesähnlichen Charakter zusprach.91 Methodisch bedeutete dies, dass er die ein-
zelnen Bestimmungen der Consuetudines auf inhaltlicher und stilistischer Ebene
verglich und dadurch versuchte, Gemeinsamkeiten oder Unterschiede zu ermit-
teln. Mit der Erforschung von »Detailunterschieden« meinte Hallinger aber über
sein Frühwerk Gorze-Kluny hinaus, im Rahmen der Edition der Consuetudines
monasticae, »Reformgruppen« bestimmen und »Reformgegensätze« aufdecken zu
können.92
Auch wenn Hallingers These eines Dualismus zwischen Gorze und Cluny
in der Zwischenzeit längst widerlegt ist, darf sein Werk dennoch als Meilenstein
der deutschen »Reformforschung« angesehen werden.93 Zum einen prägte Hallin-
gers Vorstellung von »Reformbewegungen« und »Reformgruppen« die Forschung
nachhaltig. Bis heute werden Klöster »Reformbewegungen« wie beispielsweise je-

87 K. Hallinger, Gorze-Kluny, S. 13.
88 K. Hallinger, Gorze-Kluny, S. 18-19.
89 K. Hallinger, Gorze-Kluny, S. 25.
90 K. Hallinger, Gorze-Kluny, S. 19-33.
91 Dies wird bereits in seinem Werk Gorze-Kluny deutlich; betont wird dies aber nochmals explizit in
K. Hallinger, Consuetudo, S. 146.
92 P. Engelbrecht, Kassius Hallinger; zum Stand des Corpus consuetudinum monasticarum vgl. Ders., Be-
richt über den Stand.
93 Hallinger selbst hat im Laufe der Zeit Abstand von seiner ursprünglichen These genommen und sie da-
hingehend korrigiert, dass er die einst vermutete Rolle von Gorze nun Fleury zusprach. Vgl. dazu und
zur Widerlegung der ursprünglichen These zusammenfassend P. Engelbrecht, Kassius Hallinger.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften