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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0055
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2. Analyse des Forschungsstands | 51

Studien in diesem Zusammenhang keine belastbaren Ergebnisse, zum anderen sei
auch der mittelalterlichen Historiographie der Klöster kritisch zu begegnen.175
Das Verhältnis zwischen Mönchen und adligen Familien hatte ferner eine durch-
aus funktionale Dimension, die auf dem Prinzip des gegenseitigen Gebens und
Nehmens basierte. Klöster verdankten ihre Existenz zu großen Teilen den welt-
lichen und geistlichen Herren ihrer Umgebung, fungierten diese doch als Kloster-
gründer, bedachten die Mönche mit Schenkungen und setzten sich nicht selten für
die »Reform« der Gemeinschaften ein. Gleichzeitig wurde dieses Verhältnis immer
wieder durch starke Konflikte zwischen Mönchen und Laien auf die Probe gestellt.
Nach Florian Mazel prägte vor allem die Kirchenreform des 11. Jahrhunderts die-
ses Verhältnis maßgeblich dahingehend, dass es zwischen zwei Polen hin und her
oszillierte: Zum einen war es durch eine gewisse Faszination der Adligen für die
Klöster geprägt, zum anderen durch große Spannungen.176
Die von den Klöstern ausgehende Faszination wird vor allem in der bereits ge-
nannten Trias von Klostergründung, Schenkungen und »Reform« deutlich. In der
Forschung hat man sich daher wiederholt die Frage gestellt, welche Motive es ge-
geben haben könnte, weshalb vor allem Laien zu großen Förderern der Mönche
wurden. Vorrangig der Forschungszweig, der sich mit den Schenkungspraktiken
befasst, betont in diesem Zusammenhang das Prinzip des Do ut des.177 Was die
Stifter von den Mönchen als Gegenleistung für ihre vielfältige Unterstützung er-
warteten, konnte ganz unterschiedlich sein, zentral war aber sicher der Memoria-
gedanke. Unter Memoria ist zum einen das liturgische Gedenken zu verstehen, das
seinerseits wiederum die unterschiedlichsten Ausprägungen haben konnte.178 Zum
anderen umgreift die Memoria auch die gesamte klösterliche Erinnerungskultur.
Vor allem seit den Arbeiten Otto-Gerhard Oexles befassten sich Historiker daher
intensiv mit den unterschiedlichen Trägern von Memoria.179 Anhand des klöster-
lichen Schriftguts konnte so beispielsweise gezeigt werden, dass das Nennen von
175 E J. Felten, Wie adelig waren Kanonissenstifte; Ders., Zum Problem der sozialen Zusammensetzung.
176 E Mazel, Monachisme et aristocratie, S. 72-73.
177 Einen konzisen Abriss der Forschungsgeschichte bis Ende der 1990er Jahre liefert L. S. Benkmann,
Schenken als historisches Phänomen. Eine Synthese der jüngeren Forschung findet sich bei F. Mazel.
Monachisme et aristocratie, S. 60-63 und bei A. Wilkin, Communautes benedictines et environnement,
S. 123-133; vgl. zudem A. J. Bijsterveld, Do ut des. Th. Kohl, Artikel »Landschenkung« weist darauf
hin, dass eine Schenkung eigentlich keine Gegenleistung verlangt, was im Falle von Schenkungen an die
Kirche aber nicht zutrifft.
178 Eine zunehmende Individualisierung der Gebetsleistungen stellt D. logna Prat, Des morts tres speciaux
fest. Für den Raum Flandern vgl. A. J. Bijsterveld, In mei memoriam, S. 163-172; vgl. auch den Sammel-
band, F. Bougard u. a. (Hgg.), Sauver son äme. Nur geringes Interesse der Stifter an der Art der Memoria
konnten M. McLaughlin, Consorting With Saints, S. 155-177; E. Magnani Soares-Christen, Monasteres
et aristocratie; R. Keyser, La transformation feststellen.
179 Grundlegende Aspekte werden thematisiert im Sammelband D. Geuenich, O. G. Oexle (Hgg.), Memo-
ria in der Gesellschaft; O. G. Oexle, Die Gegenwart der Lebenden und der Toten.
 
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