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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0057
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2. Analyse des Forschungsstands | 53

strebten, war die Sorge um religiöse Einrichtungen daher letztlich auch eine Frage
des Ranges und des Prestiges innerhalb der adligen Gesellschaft.188
Das Verhältnis zwischen Kloster und adligem Umfeld war nicht zuletzt auch
immer wieder durch Spannungen und Konflikte geprägt. Patzold konnte zeigen,
dass innerklösterliche Konflikte mitunter auf die engen Verbindungen der Gemein-
schaften mit ihrer Umwelt zurückzuführen waren. Da beispielsweise Fragen der
»Klosterreform« eng mit personellen und strukturellen Veränderungen in und um
das Kloster einhergingen und damit auch die Interessen der Großen jenseits der
Klostermauern tangierten, hatten diese direkt oder indirekt Anteil an den inner-
klösterlichen Konflikten.189
Vor allem die sogenannte gregorianische Kirchenreform und ihre Forderung
nach der libertas ecclesiae führten bei den Laien zu einer zunehmenden Angst vor
Machtverlust und schwindendem Einfluss und erhöhten damit die Spannungen im
Beziehungsgeflecht zwischen Klöstern und weltlichen Herren.190 Während die ei-
nen ihre Stellung beispielsweise durch Vogteirechte weitgehend wahren konnten,191
wandten sich andere Familien von den entsprechenden Klöstern ab, was für diese
durch die sinkende Zahl von Schenkungen mitunter deutlich spürbar wurde.192 Eine
dritte Möglichkeit war freilich die Konfrontation. Die Beilegung von Konflikten
diente letztlich aber nicht dazu, den Gegner zu schwächen, sondern dazu, das Ver-
hältnis zwischen den Streitparteien in Erinnerung zu rufen oder neu zu definieren.193
Stephen White konnte in seiner Studie in ganz ähnlicher Weise herausarbeiten, dass
auch Schenkungen als hoch symbolische Akte nicht nur zum Zweck hatte, Adlige,
Kloster und Klosterheilige miteinander zu verbinden, sondern auch die innerfami-
liären Verhältnisse neu zu definieren und zu strukturieren.194 Ganz ähnliche Ziele
konnten auch »Klosterreformen« verfolgen. Bereits Hermann Jakobs Studie zur
»Reform« von Sankt-Blasien und dem Adel wies nach, dass die Unterstützung der
188 E Mazel, Monachisme et aristocratie, S. 74 hegt Zweifel an der These, dass die Unterhaltung guter
Beziehungen zu einem Kloster im 10. und 11. Jahrhundert als Strategie aufstrebender Familien gesehen
werden kann, die Legitimierung und Integration in die adlige Gesellschaft suchten: »[...] car je ne crois
guere ä l’existence d’une forte mobilite sociale ascendante aux XC-XIC siecles.« Für das 12. Jahrhundert
lässt sich für den Raum Flandern eine derartige »mobilite sociale ascendante« durchaus feststellen. Vgl.
dazu S. Vanderputten, Fulcard’s Pigsty.
189 S. Patzold, Konflikte im Kloster; für die Karolingerzeit Ders., Konflikte im Kloster Fulda. Zu den engen
familiären Banden zwischen Mönchen und adligen Laien und der zeitgenössischen Kritik vgl. J. H. Fou-
lon, Strategies lignagieres. Zur Frage nach der Öffentlichkeit von Konflikten im Kloster vgl. W. Jezierski,
Verba volant, scripta manent.
190 G. Constable, Monasticism, Lordship; F. Mazel, Seigneurs, moines et chanoines.
191 Zu den Vögten vgl. den Sammelband L’avouerie en Lotharingie; S. Vanderputten, Fulcard’s Pigsty.
192 F. Mazel, Amitie et rupture.
193 Für Flandern vgl. S. Vanderputten, A Compromised Inheritance; Ders., Monachos hujus ecclesie; Ders.,
Penitential Discourse; Ders., Monks, Knights, and the Enactment.
194 S. D. White, Custom, Kinship, and Gifts.
 
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