2. Analyse des Forschungsstands | 59
der Zisterzienser darf hier als wegweisend bezeichnet werden, gelang es ihnen doch
zum einen, ihr ursprüngliches propositum nicht mehr nur auf ein Kloster zu be-
ziehen, sondern auf einen ganzen Verband von Klöstern, und zum anderen dieses
propositum zu verstetigen und kontrolliert an die Veränderungen der Zeit anzupas-
sen.233 Zentral für den großen Erfolg der Zisterzienser war das »gemeinschaftlich
approbierte Verfassungskonzept«234 in Form der carta caritatis, das seine praktische
Umsetzung im jährlich tagenden Generalkapitel, der prospektiven Statutengebung
und den regelmäßigen Visitationen fand.235 Melville sieht den besonderen Erfolg
der Zisterzienser im Vergleich zu anderen eremitischen Gemeinschaften unter an-
derem auch darin begründet, dass sie keinen Charismatiker als Gründer hatten und
von Beginn an auf Schriftlichkeit als Speichermedium setzten.236
Schon unter den Zeitgenossen galten die genannten »Instanzen« der Zisterzien-
ser als Garant für die Verstetigung eines propositum und führten nicht zuletzt dazu,
dass sich die anderen Klosterverbände mitunter stark an den Zisterziensern orien-
tierten.237 In ihren exemplarischen Studien verfolgen Melville und seine Schüler
daher einen stark komparativen Ansatz. Neben den Zisterziensern gilt ihr besonde-
res Interesse den Prämonstratensern, den Grandmontensern, den Kartäusern, den
Cluniazensern und schließlich auch den Bettelorden.238 Durch diesen Ansatz erhof-
fen sie sich, die Mechanismen von Institutionalisierung besser fassen zu können und
damit Erkenntnisse zu gewinnen, die über die Ordensforschung hinaus auch für das
Verständnis anderer Bereiche der mittelalterlichen Gesellschaft von Nutzen sind.239
Für das Thema der vorliegenden Arbeit von besonderem Interesse sind Melvil-
les Überlegungen zu Krisen und »Reformen«. Krise bedeutet zunächst mangelnde
institutionelle Stabilität, die durch den historischen Wandel bedingt sein kann; »Re-
form« hingegen zielt darauf ab, die Kohärenz zwischen Leitideen, normativen Ver-
233 Th. Füser, Mönche im Konflikt, S. 15; E Cygler, G. Melville, Nouvelles approches historiographiques,
S. 318. Zum Normwandel und der Anpassung an die Zeit und die Gegebenheiten vgl. auch K. Schreiner,
Dauer, Niedergang und Erneuerung, S. 319; Ders., Observantia regularis, S. 297-302; G. Melville, As-
pekte zum Vergleich von Krisen und Reformen.
234 Th. Füser, Mönche im Konflikt, S. 15.
235 Zum Generalkapitel vgl. F. Cygler, Das Generalkapitel; zur Visitation, J. Oberste, Visitation und Or-
densorganisation; Ders., Die Dokumente klösterlicher Visitation; M. Pacaut, La visite.
236 G. Melville, Die Zisterzienser; zur Problematik charismatischer Führung vgl. Ders., Stephan von Oba-
zine; Ders., Von der regula regularum; Ders., Brückenschlag zur zweiten Generation.
237 Das IV. Laterankonzil nannte Zisterzienser als Vorbild für eine gelungene Ordensstruktur. Dazu und zu
weiterführender Literatur vgl. G. Melville, Zur Semantik von ordo, S. 202, Anm. 9, 10.
238 Ein Überblick über die hierzu verfassten Arbeiten kann an dieser Stelle nicht gleistet werden. Vgl. dazu
die Bibliographie von G. Melville, Die Welt, S. 367-403.
239 F. J. Felten, Wozu treiben wir? Zur Innovationskraft der Klöster und Orden vgl. G. Melville, Im Span-
nungsfeld von religiösem Eifer.
der Zisterzienser darf hier als wegweisend bezeichnet werden, gelang es ihnen doch
zum einen, ihr ursprüngliches propositum nicht mehr nur auf ein Kloster zu be-
ziehen, sondern auf einen ganzen Verband von Klöstern, und zum anderen dieses
propositum zu verstetigen und kontrolliert an die Veränderungen der Zeit anzupas-
sen.233 Zentral für den großen Erfolg der Zisterzienser war das »gemeinschaftlich
approbierte Verfassungskonzept«234 in Form der carta caritatis, das seine praktische
Umsetzung im jährlich tagenden Generalkapitel, der prospektiven Statutengebung
und den regelmäßigen Visitationen fand.235 Melville sieht den besonderen Erfolg
der Zisterzienser im Vergleich zu anderen eremitischen Gemeinschaften unter an-
derem auch darin begründet, dass sie keinen Charismatiker als Gründer hatten und
von Beginn an auf Schriftlichkeit als Speichermedium setzten.236
Schon unter den Zeitgenossen galten die genannten »Instanzen« der Zisterzien-
ser als Garant für die Verstetigung eines propositum und führten nicht zuletzt dazu,
dass sich die anderen Klosterverbände mitunter stark an den Zisterziensern orien-
tierten.237 In ihren exemplarischen Studien verfolgen Melville und seine Schüler
daher einen stark komparativen Ansatz. Neben den Zisterziensern gilt ihr besonde-
res Interesse den Prämonstratensern, den Grandmontensern, den Kartäusern, den
Cluniazensern und schließlich auch den Bettelorden.238 Durch diesen Ansatz erhof-
fen sie sich, die Mechanismen von Institutionalisierung besser fassen zu können und
damit Erkenntnisse zu gewinnen, die über die Ordensforschung hinaus auch für das
Verständnis anderer Bereiche der mittelalterlichen Gesellschaft von Nutzen sind.239
Für das Thema der vorliegenden Arbeit von besonderem Interesse sind Melvil-
les Überlegungen zu Krisen und »Reformen«. Krise bedeutet zunächst mangelnde
institutionelle Stabilität, die durch den historischen Wandel bedingt sein kann; »Re-
form« hingegen zielt darauf ab, die Kohärenz zwischen Leitideen, normativen Ver-
233 Th. Füser, Mönche im Konflikt, S. 15; E Cygler, G. Melville, Nouvelles approches historiographiques,
S. 318. Zum Normwandel und der Anpassung an die Zeit und die Gegebenheiten vgl. auch K. Schreiner,
Dauer, Niedergang und Erneuerung, S. 319; Ders., Observantia regularis, S. 297-302; G. Melville, As-
pekte zum Vergleich von Krisen und Reformen.
234 Th. Füser, Mönche im Konflikt, S. 15.
235 Zum Generalkapitel vgl. F. Cygler, Das Generalkapitel; zur Visitation, J. Oberste, Visitation und Or-
densorganisation; Ders., Die Dokumente klösterlicher Visitation; M. Pacaut, La visite.
236 G. Melville, Die Zisterzienser; zur Problematik charismatischer Führung vgl. Ders., Stephan von Oba-
zine; Ders., Von der regula regularum; Ders., Brückenschlag zur zweiten Generation.
237 Das IV. Laterankonzil nannte Zisterzienser als Vorbild für eine gelungene Ordensstruktur. Dazu und zu
weiterführender Literatur vgl. G. Melville, Zur Semantik von ordo, S. 202, Anm. 9, 10.
238 Ein Überblick über die hierzu verfassten Arbeiten kann an dieser Stelle nicht gleistet werden. Vgl. dazu
die Bibliographie von G. Melville, Die Welt, S. 367-403.
239 F. J. Felten, Wozu treiben wir? Zur Innovationskraft der Klöster und Orden vgl. G. Melville, Im Span-
nungsfeld von religiösem Eifer.