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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0077
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3. Fragestellung | 73

nieren, was als typisch cluniazensisch anzusehen ist.285 Armenfürsorge und Toten-
gedenken sind Aspekte, die gerne mit Cuny in Verbindung gebracht werden, aber
im Grunde genommen, die Grundpfeiler eines allgemeinen monastischen proposi-
tum darstellen.286
Eine Analyse der Consuetudines-Handschriften nach etwaigen Gebrauchs-
spuren, wie sie Tutsch vornahm, um über die Anwendung dieser Texte in Ge-
meinschaften zu entscheiden, ist natürlich nur dann sinnvoll, wenn es sich um eine
zeitgenössische Handschrift handelt.287 Auch der Versuch, zu zeigen, dass Bestim-
mungen der Consuetudines von Cluny direkt oder indirekt Eingang in die erzäh-
lenden Texte einer Gemeinschaft gefunden haben, ist in den wenigsten Fällen er-
folgreich und überzeugend, zumal dies noch lange kein Beweis für eine tatsächliche
Umsetzung in die Praxis darstellt.288
Anstatt sich auf die Suche nach vermeintlich »Cluniazensischem« zu machen,
stellt sich die vorliegende Studie vielmehr die Frage, welche Rolle eine Gemein-
schaft dem ordo clunicensis beimaß und wie sich dies in ihrer Überlieferung nie-
derschlug. Es wird daher danach zu fragen sein, ob es in der klösterlichen Überlie-
ferung konkrete Anhaltspunkte dafür gibt, ob und inwiefern der ordo cluniacensis
zur Anwendung kam.
Melville und Schreiner haben in ihren Arbeiten immer wieder darauf hin-
gewiesen, dass der Lebensweise eines Klosters eine besonders identitätsstiftende
Funktion zukam.289 Geht man also davon aus, dass die Lebensweise einer Gemein-
schaft ein wichtiger Träger ihrer kollektiven Identität war, stellt sich die Frage,
welche Rolle Cluny und seine Lebensweise für die Identität einer Gemeinschaft
spielten. Gerade in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts, in der sich wie Melville
hervorhebt, Klöster nach außen hin durch ihre spezifischen proposita von ande-
ren abgrenzten und sich in der Mönchslandschaft verorteten, kommt dieser Frage
große Bedeutung zu.290 Im Zusammenhang mit den zu untersuchenden Klöstern
wird daher zu fragen sein, wann und mit welcher Absicht Gemeinschaften in den
klostereigenen Texten zu erkennen gaben, dass sie den ordo cluniacensis befolgten.

285 G. M. Cantarella, E esistito un »modello cluniacense«? weist darauf hin, dass es kein »cluniazensisches
Modell« gegeben habe.
286 D. logna-Prat, Etudes clunisiennes, S. 125-150.
287 B. Tutsch, Die Consuetudines Bernhards und Ulrichs; Ders., Studien zur Rezeptionsgeschichte; Ders.,
Texttradition und Praxis.
288 So beispielsweise J. P. Gerzaguet, L’abbaye d’Anchin, S. 159-162, der versucht, das in einer Chronik
beschriebene Sterberitual mit den Bestimmungen der Gewohnheiten Clunys in Verbindung zu bringen.
289 G. Melville, Diversa sunt monasteria; Ders., Zur Semantik von ordo, S. 205; K. Schreiner, Observantia
regularis, S. 278.
290 So z. B. G. Melville, Diversa sunt monasteria.
 
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