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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0084
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80 | 4. Die Grafschaft Flandern

wollte, sich aber nicht gegen Karl durchsetzten konnte.322 Die Politik Karls des
Guten wird meist mit den Bemühungen um Frieden und Schutz der Kirchen und
Klöster in Verbindung gebracht.323 Ein besonderes Augenmerk richtete er auf die
Ministerialen der Grafschaft, die ihren Status als Unfreie zusehends vergaßen, da
sie immer mehr an Bedeutung gewannen und ein besonderes Selbstverständnis ent-
wickelten. Vor allem die Familie der Erembalde, die in Brügge das wichtige Amt
des Propstes von Sint-Donaas und gräflichen Kanzlers bekleideten, sollte deutlich
in ihre Schranken verwiesen werden: Karl entband sie daher ihres Dienstes.324 Der
daraus erwachsene Konflikt gipfelte schließlich in der Ermordung des Grafen: Am
2. März 1127 wurde Karl der Gute, nachdem er sich in der Kirche Sint-Donaas in
Brügge zum Gebet niedergelassen hatte, von einem Mitglied der Erembald-Familie
erstochen und starb wie sein Vorgänger kinderlos.325
Die Ermordung des Grafen und ihre Folgen fanden in zahlreichen zeitgenös-
sischen Texten ihren Niederschlag.326 Kein Text berichtet und bewertet dies aber so
präzise und zeitnah, wie das Tagebuch Galberts von Brügge. Er dokumentiert aufs
Genaueste, wie gegen die Mörder Karls und ihre Komplizen vorgegangen wurde,
aber auch, welche Konflikte aus der Frage der Nachfolge im Grafenamt erwuch-
sen.327 Ein erster Prätendent war Wilhelm von Ypern, der bereits 1119 als Nachfol-
ger Balduins VII. gehandelt worden war, 1127 mit der Unterstützung der Erem-
balde das Amt erneut beanspruchte und schließlich, als seine Rückhalt schwand,
seinen Anspruch aufgab.328 Mit Wilhelm Clito brachte der französische König einen
neuen Kandidaten für das Grafenamt ins Spiel, der ihn gegen den normannischen
Herrscher unterstützen sollte. Am 21. März 1127 wählten die flandrischen Großen
322 R. Eales, Artikel »William of Ypres«; Th. De Hemptinne, Artikel »Wilhelm von Ypern«.
323 Hermann von Tournai, Liber, c. 26, S. 62 bemerkt hierzu beispielsweise: »Ecclesias quoque sic tuebatur,
ut iam >pater ecclesiarurm vocaretur.« M. Ryckaert, Artikel »Karl der Gute, Graf von Flandern«, Sp. 991
fügt hinzu: »Karl, dessen Persönlichkeit schon die Zeitgenossen beeindruckte, wurde 1123 (nach der
Gefangennahme Balduins IE durch die Sarazenen) als König von Jerusalem vorgeschlagen. 1125 gar als
Anwärter auf den Kaiserthron.« Vgl. dazu auch D. Heirbaut, On and Over the Edge.
324 J. B. Ross, Rise and Fall of a Twelfth-Century Clan; M. Ryckaert, Artikel »Erembalde«; allgemeiner zur
Ministerialität vgl. J. M. Winter, Adel, ministerialieit en ridderschap.
325 Galbert von Brügge, De multro; L. Feller, L’assassinat de Charles le Bon bietet eine Synthese der Ereig-
nisse.
326 Neben Galberts Werk ist hier vor allem Gautier de Therouanne, Vita Karoli comtitis Flandri zu nennen.
Dazu J. Rider, Ut aiunt; Ders., Amitie et tragedie. Hermann, Liber ist ebenfalls eine sehr zeitnahe Quel-
le. Hermann selbst war bei der Beisetzung des Grafen anwesend (ebd., c. 35, S. 69-72). Darüber hinaus
fand die Ermordung ihren Widerhall in einer großen Zahl von Gedichten auf Karl den Guten. Vgl. dazu
J. M. de Smet, Bij de latijnische gedichten; D. A. Stracke, Over de Lementatio.
327 J. Rider, God’s Scribe; R. C. van Caenegem, Galbert of Bruges on Serfdom; R. M. Stein, Death Front a
Trivial Cause; zu politischen Treffen dieser Zeit vgl. A. Demyttenaere, Galbert of Bruges on Political
Meeting Culture.
328 Über Wilhelms Komplizenschaft mit den Erembalden vgl. Galbert von Brügge, De multro, c. 67, S. 119;
R. Eales, Artikel »William of Ypres«; Th. de Hemptinne, Artikel »Wilhelm von Ypern«.
 
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