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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0101
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2. Die correctio von Saint-Bertin | 97

er sich wieder nach Sithiu, wo er 1148 in der Gemeinschaft starb und seine letzte
Ruhestätte auf dem Friedhof der Gemeinschaft fand.409
Simons Gesta abbatum Sithiensium orientieren sich, wie er selbst bemerkt, in
ihrem Aufbau weitgehend an den Gesta abbatum Folcuins aus dem 10. Jahrhun-
dert, was sich vor allem daran zeigt, dass die Erzählung immer wieder durch ein-
gefügte Urkunden und Briefe aus der Zeit der entsprechenden Äbte unterbochen
wird.410 Simons Gesta bestehen aus drei Büchern, die in zwei Phasen entstanden sein
dürften. Das erste Buch, das sich den Äbten des 11. Jahrhundert widmet, endet mit
dem Tod Johannes I. und wurde, wie sein Prolog verrät, auf Wunsch Abt Lamberts
verfasst; es datiert aus der Frühzeit seines Abbatiats.411 Die Bücher II und III der
Gesta entstanden dagegen nach Lamberts Tod und mit großer Sicherheit während
Simons Exil in Gent.412 Darin beschreibt er ausführlich den Abbatiat Lamberts, die
Umstände der correctio Saint-Bertins, den Jahrzehnte andauernden Konflikt mit
Cluny und schließlich dessen Beilegung.
Simons Werk ist ohne Zweifel die ausführlichste Quelle zu den Ereignissen in
Saint-Bertin, ist zugleich aber äußerst tendenziös, da Simon keinen Hehl aus seiner
tiefen Abneigung gegenüber den Cluniazensern und vor allem Abt Pontius von
Cluny macht, den er fast durchweg abwertend als cluniacensis bezeichnet.413 Diese
Abneigung lässt sich freilich größtenteils auf seine eigenen Erfahrungen und Erleb-
nisse mit den Cluniazensern in Sithiu zurückführen. Dennoch liegt gerade in der
starken Tendenz dieses Textes auch eine besondere Chance: Zum einen verleitet ihn
das Bestreben, die Schlechtigkeit der Cluniazenser aufzuzeigen, zu einer besonde-
ren Detailfreudigkeit, zum anderen beleuchtet er dabei Bereiche zwischenmenschli-
cher Beziehungen, über die die Mehrheit der Quellen ansonsten schweigt. Darüber
hinaus überliefern die Gesta abbatum Simons eine Vielzahl von zeitgenössischen
Urkunden und Dokumenten, die nur teilweise noch im Original erhalten sind.414
409 Simon, Gesta, III, c. 16, S. 663: »Anno verbi incarnati 1148. Symon, quondam abbas huius loci, qui etiam
haec omnia a tempore domni Roderici abbatis conscripsit atque dictavit, de Gandavo huc regressus et hic
infirmatus, obiit; sepultusque est in cimiterio iuxta rotundam beatae Mariae capellam 2. Nonas Februarii
cum omnium fratrum lamentatione et luctu.«
410 Simon, Gesta, Prolog, S. 635.
411 Siehe dazu unten S. 192-206.
412 Zur Datierung in die Zeit seines Exils in Gent vgl. O. Holder-Eggers Einleitung zur Edition (MGH
SS 13), S. 604. Wenn Simon die beiden Bücher in Gent verfasst hatte, stellt sich aber die Frage, wie er an
die eingefügten Urkundentexte und Briefe gelangt ist.
413 Simon, Gesta, II, c. 89, S. 653; c. 90, S. 653; c. 92, S. 653; c. 93, S. 653; c. 94, S. 654; c. 95, S. 654; III, c. 5,
S. 662; c. 6, S. 663.
414 Siehe dazu unten S. 155-159. Aus der Feder Simons stammt neben den Gesta abbatum mit großer
Wahrscheinlichkeit auch eine Vita Sancti Bertini metrica, die wohl während seiner Zeit in Gent entstan-
den sein dürfte. Da dieser Text nur bedingt in Verbindung mit der correctio Saint-Bertins steht, soll er
hier nicht näher behandelt werden. Simon wurde mitunter als Autor des Romans Ysengrimus gehandelt,
was inzwischen aber durch die Arbeit von J. Mann, Ysengrimus widerlegt wurde.
 
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