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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0142
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138 | I. Die Abtei von Saint-Bertin

3.2.4. Die Consuetudines cluniacenses in Saint-Bertin
Aus der Abtei von Saint-Bertin selbst ist keine Handschrift der Consuetudines von
Cluny erhalten.593 Tutsch verweist aber darauf, dass aus der Abtei von Saint-Vaast
in Arras eine »recht getreue Abschrift« der Consuetudines Bernhards von Cluny
überliefert ist, die in enger Verbindung zu Saint-Bertin steht.594 Es handelt sich da-
bei um die Handschrift Arras, BM, ms. 864, die ins 13. Jahrhundert datiert und,
wie das ex-libris zeigt, spätstens seit 1628 zur Bibliothek von Saint-Vaast gehör-
te.595 Zwei Indizien sprechen dafür, dass dieser Text ursprünglich nicht für Saint-
Vaast, sondern für Saint-Bertin konzipiert war. Zum einen findet sich zu Beginn
der Handschrift ein ex-libris Saint-Bertins, zum anderen wird das Fest des heiligen
Bertinus - und nicht, wie man erwarten würde, das des heiligen Vedastus - in der
Liste der großen Feste aufgeführt.596 Dieser Befund lässt zwei mögliche Erklärun-
gen zu: Entweder handelt es sich bei dieser Handschrift um eine Abschrift der Ge-
wohnheiten Clunys, die im 13. Jahrhundert in Saint-Bertin angefertigt worden war
und erst später nach Saint-Vaast gelangte, oder es handelt sich um eine in Arras
angefertigte Abschrift, der ein älterer Text aus Saint-Bertin zu Grunde lag. Letz-
teres ist durchaus wahrscheinlich, da Simon in seinen Gesta berichtet, dass 1109
Mönche aus Saint-Bertin den ordo cluniacensis in Saint-Vaast eingeführt hatten.597
Es ist also denkbar, dass in diesem Zusammenhang ein Exemplar der Gewohnheiten
Clunys nach Arras gelangte.598 Die Tatsache, dass diese Handschrift allerdings noch
nicht einmal auf die formalen Gegebenheiten in Saint-Vaast angepasst worden war
und zudem das ex-libris aus Saint-Bertin wiedergibt, lassen Zweifel an dieser These
aufkommen; sie veranschaulicht aber zumindest, dass dieser Text, sollte er bereits

593 Eine Ausnahme bildet die Handschrift Saint-Omer, BM, ms. 391 aus dem 15. Jahrhundert. Diese klei-
ne Handschrift 10 x 15 cm ähnelt einem Handbuch und beinhaltet die Gewohnheiten des Klosters in
französischer Sprache: Les coustumettes chapitre (fol. 2r), les coustumettes de chapitre (fol. 3r), les
coustumettes en cloistre (fol. 4r), les coustumettes di dortoir (fol. 5r), les coustumettes du refectoir
(fol. 5v), les coutumettes de l’infirmerie (fo. 6v), les ordinaires (fol. 7r). Ab fol. 16r folgen die liturgischen
Bestimmungen in lateinischer Sprache.
594 B. Tutsch, Die Consuetudines Bernhards, S. 285-287.
595 Catalogue general des manuscrits des Bibliotheques publiques, Bd. 4, S. 344. Das ex-libris lautet: »Bi-
bliothecae monasterii Sancti Vedasti Atrebtensis 1628 B. 32.« Die Handschrift war nach B. Tutsch, Die
Consuetudines Bernhards, S. 285 mit großer Wahrscheinlichkeit sehr vollständig, weist in ihrem heuti-
gen Erhaltungszustand aber größere Lücken auf.
596 B. Tutsch, Die Consuetudines Bernhards, S. 285.
597 Simon, Gesta, II, c. 85, S. 652.
598 Die Handschrift des 13. Jahrhunderts wäre somit eine direkte Abschrift der im Zusammenhang mit der
correctio von Saint-Vaast eingeführten Handschrift. Dies würde auch erklären, warum diese Abschrift
nicht den heiligen Vedastus nennt und ebenfalls das ex-libris von Saint-Bertin wiedergibt.
 
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