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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0149
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3. Die Veränderungen durch die correctio | 145

wirken und jeglichen Verdacht von den Cluniazensern abzuwenden, entschieden sie
mit dem Rat des Bischofs und dem Rat der Brüder, dass Simon als Stellvertreter des
Abtes in den öffentlichen Angelegenheiten eingesetzt werden sollte. Nachdem dies
getan worden war, verließen einige der Cluniazenser aus Protest die Gemeinschaft.
Aus Neid, Hass oder Ehrgeiz hätten sie gefordert, dass Simon noch vor Ablauf des
Jahres durch einen anderen ersetzt werden müsse. Abschließend klagte Simon, dass
die Mönche in jener Zeit ihre Beständigkeit eingebüßt und unentwegt ihre Meinung
geändert hätten, was nicht zuletzt zu seiner Absetzung geführt habe.631
Diesem Kapitel kommt eine zentrale Rolle zu, da Simon darin seine persönlichen
Erfahrungen mit den Cluniazensern festhält. Interessant an der Passage ist zunächst
die Tatsache, dass er zwischen »unseren Mönchen, die in Cluny die Profess abgelegt
hatten« und »den Cluniazensern« unterscheidet. Auch sonst spricht Simon in seiner
Chronik immer wieder von den »Cluniazensern, die mit uns lebten.«632 Dies deutet
darauf hin, dass er diese als eine eigenständige Gruppe oder sogar als Fremdkörper
innerhalb der Gemeinschaft ansah. Die »flandrisch-cluniazensischen« Professmön-
che gehörten für den Chronisten aber nicht primär zu dieser Gruppe, bezeichnet er
sie doch als »die unsrigen«. Für ihn war daher nicht nur die cluniazensische Profess
ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal, sondern offensichtlich auch die Herkunft
der Brüder. Während die einen aus Flandern stammten, bezeichnen die »Cluniazen-
ser« die Mönche, die von außen kamen und sich eventuell auch sprachlich vom Rest
der Gemeinschaft unterschieden.633
Simons Bericht macht dennoch deutlich, dass man sich in Sithiu der Nähe der
Cluniazenser und der »flandrisch-cluniazensischen« Professmönche durchaus be-
wusst war, einte sie doch die in Cluny abgelegte Profess.634 Die Unruhen, von de-
nen in diesem Kapitel die Rede ist, als letztere die Leitung der Gemeinschaft zwi-
schenzeitlich übernommen hatten, rührte vom Misstrauen der übrigen Brüder her.
631 Simon, Gesta, II, c. 106, S. 657: »In magna igitur fluctuatione positi ad removendam suspitionem de
Cluniacensibus et ad maiorum fratrum securitatem, consilio communi inito, decernunt cum episcopo,
vicarium abbatis Symonem, postea abbatem, ad rem publicam gubernandum debere substitui. Quo fac-
to, quidam Cluniacensium nobiscum commorantium indignati discessere, et vel odio invidentium vel
ambitione ad honorem abbatiae aspirantium egere, ut vicarius substitutus necdum anno finito depone-
retur. Crederes deinde tanta inconstantia fluctuare monachos, ut milies crederes in die mutare animos.
Sua quippe quaerentes, dum lubricis currunt gressibus, quid mirum si sine luce offendunt?«
632 Simon, Gesta, II, c. 89, S. 653: »[...] Cluniacenses nobiscum tune conversantes [...]«; Ders., II, c. 94,
S. 653: »[...] Cluniacenses, qui tune nobiscum erant [...]«; Ders., II, c. 107, S. 657: » [...] Cluniacensium
nobiscum commorantium [...].«
633 Saint-Bertin liegt bereits im flämisch-sprachigen Bereich. Vorstellbar wäre, dass die Cluniazenser
Französisch sprachen. C. Giraud, Les sermons inedits de Guillaume le Fran^ais weist auf eine Sermo-
nessammlung aus dem Süden Italiens hin, die von einem Mönch aus Saint-Bertin verfasst worden war,
der sich in seinem Prolog als Guillelmus Francigena zu erkennen gibt.
634 J. Wollasch, Mönchtum zwischen Kirche und Welt, S. 155 sieht die cluniazensische Identität in der
gemeinsamen Profess begründet.
 
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