158 | I. Die Abtei von Saint-Bertin
stand festzuhalten.693 Der Grund hierfür sei, wie bereits erwähnt, der Jahrzehnte
andauernde Konflikt zwischen der Abtei und Cluny gewesen, der nicht zuletzt die
Gemeinschaft selbst tief zerrüttete.694 Die Äbte hätten, wie es das Beispiel Johan-
nes II. zeigt, immer wieder mit dem Widerstand der Mönche zu kämpfen gehabt.
Tiefgreifende Veränderungen in der Verwaltung der Güter seien daher nur äußerst
schwer durchzusetzen gewesen.695
Diese These trifft auf die äußere Gestalt der Gesta abbatum durchaus zu.696 Si-
mon bediente sich hier eines traditionellen Musters, das Chartular und Klosterge-
schichte eng miteinander verband. Bedenkt man, dass Simon in seinem Prolog zum
ersten Buch betont, dass ihn sein Abt eigens dazu angehalten hatte, die Urkunden
nicht in einem eigenen Band zusammenzufassen, wird doch deutlich, dass eben dies
bereits die geläufige Praxis war.
Im Unterschied zum ersten Buch der Gesta werden die Urkunden und Briefe des
zweiten und dritten Buchs nun allerdings nicht mehr nach dem Vorbild Folcuins in
den Text einzeln eingestreut, sondern meist gebündelt in einer Art Chartular in die
Chronik eingefügt.697 Diese Anordnung wurde, wie Simon selbst erklärt, von ihm
persönlich vorgenommen und folgt nicht einem chronologischen, sondern einem
thematischen Muster.698 Fest steht somit, dass Simon ein etwas anderes Verständnis
693 Demnach wären auch die beiden Bücher mit den Namen der Zinspflichtigen lediglich Bestandslisten
ohne Nutzen für die Verwaltung der Güter.
694 R. E Berkhofer, Day of Reckoning, S. 79, 120.
695 R. E Berkhofer, Day of Reckoning, S. 129-130. Berkhofer verweist auf die Seelgerätstiftung von Abt
Johannes II. (E d’Hoop, Recueil des chartes de Saint-Bertin, D 11, S. 13), deren Rhetorik von größter
Schwäche zeuge. So habe sich Johannes nicht als Herr bezeichnet, sondern als minister. R. E Berkhofer,
Day of Reckoning, S. 126: »Suger used the term minister instead of abbas to refer to himself, stressing
his role not as autocratic lord and superior, but as governor, office-holder, or caretaker - a »minister«
in both the religious and administrative sense.« Ob die Bezeichnung minister aber gerade in einer Seel-
gerätstiftung als Ausdruck der Demut so ungewöhnlich ist, bleibt fraglich.
696 Insgesamt scheint die These Berkhofers vor allem für die Zeit nach Lambert zuzutreffen. Abt Lamberts
Restitutionspolitik, aber auch Unternehmen wie der Kanalbau sind deutliche Zeichen dafür, dass dieser
Abt bewusst nach Kriterien der Effizienz und Wirtschaftlichkeit dachte.
697 Dies trifft aber nur auf den Abbatiat Lamberts zu. Bei der Darstellung der Abbatiate Johannes’ II. und
Leonius’ geht Simon wieder dazu über, die Urkunden und Papstprivilegien in den Text einzustreuen.
In Buch II: je eine Urkunde Bischof Simons von Tournai und Graf Karls des Guten aus dem Jahr 1125
(B. Guerard, Cartulaire, S. 295-296); in Buch III: eine Urkunde von Papst Innozenz II. (1139) (Ders.,
S. 310-313), ein Brief desselben Papstes an den Bischof und Archidiakon von Therouanne (1139) (Ders.,
S. 313-314), eine Urkunde Papst Cölestins II. (1144) (Ders., S. 314-318), eine Urkunde von Bischof Al-
visus von Arras (1131) (Ders., S. 318), eine Urkunde Papst Luzius’ II. (1144) (Ders., S. 319-320) und eine
Urkunde Papst Eugens III. (1145) (Ders., S. 320-321). Die Papstprivilegien des dritten Buches werden
wie in einer Art Chartular aufgelistet, allerdings fügt Simon immer wieder kleinere narrative Passagen
ein.
698 Die Erklärung der Gliederung und des Aufbaus des zweiten Buches ist ein Charakteristikum Simons,
der seinen Leser immer wieder an die Hand nimmt, seine Exkurse erklärt und entschuldigt. Es gibt also
kein Anlass zu der Annahme, der spätere Kompilator habe hier in Simons Werk eingegriffen. Simon
erklärt sein Ordnungsmuster selbst: Simon, Gesta, II, c. 7, S. 645: »Ab exterioribus igitur incipientes,
ad interiora usque ad nostros descendamus; a quibus herum exeuntes, ad corrigenda aliorum coenobia
stand festzuhalten.693 Der Grund hierfür sei, wie bereits erwähnt, der Jahrzehnte
andauernde Konflikt zwischen der Abtei und Cluny gewesen, der nicht zuletzt die
Gemeinschaft selbst tief zerrüttete.694 Die Äbte hätten, wie es das Beispiel Johan-
nes II. zeigt, immer wieder mit dem Widerstand der Mönche zu kämpfen gehabt.
Tiefgreifende Veränderungen in der Verwaltung der Güter seien daher nur äußerst
schwer durchzusetzen gewesen.695
Diese These trifft auf die äußere Gestalt der Gesta abbatum durchaus zu.696 Si-
mon bediente sich hier eines traditionellen Musters, das Chartular und Klosterge-
schichte eng miteinander verband. Bedenkt man, dass Simon in seinem Prolog zum
ersten Buch betont, dass ihn sein Abt eigens dazu angehalten hatte, die Urkunden
nicht in einem eigenen Band zusammenzufassen, wird doch deutlich, dass eben dies
bereits die geläufige Praxis war.
Im Unterschied zum ersten Buch der Gesta werden die Urkunden und Briefe des
zweiten und dritten Buchs nun allerdings nicht mehr nach dem Vorbild Folcuins in
den Text einzeln eingestreut, sondern meist gebündelt in einer Art Chartular in die
Chronik eingefügt.697 Diese Anordnung wurde, wie Simon selbst erklärt, von ihm
persönlich vorgenommen und folgt nicht einem chronologischen, sondern einem
thematischen Muster.698 Fest steht somit, dass Simon ein etwas anderes Verständnis
693 Demnach wären auch die beiden Bücher mit den Namen der Zinspflichtigen lediglich Bestandslisten
ohne Nutzen für die Verwaltung der Güter.
694 R. E Berkhofer, Day of Reckoning, S. 79, 120.
695 R. E Berkhofer, Day of Reckoning, S. 129-130. Berkhofer verweist auf die Seelgerätstiftung von Abt
Johannes II. (E d’Hoop, Recueil des chartes de Saint-Bertin, D 11, S. 13), deren Rhetorik von größter
Schwäche zeuge. So habe sich Johannes nicht als Herr bezeichnet, sondern als minister. R. E Berkhofer,
Day of Reckoning, S. 126: »Suger used the term minister instead of abbas to refer to himself, stressing
his role not as autocratic lord and superior, but as governor, office-holder, or caretaker - a »minister«
in both the religious and administrative sense.« Ob die Bezeichnung minister aber gerade in einer Seel-
gerätstiftung als Ausdruck der Demut so ungewöhnlich ist, bleibt fraglich.
696 Insgesamt scheint die These Berkhofers vor allem für die Zeit nach Lambert zuzutreffen. Abt Lamberts
Restitutionspolitik, aber auch Unternehmen wie der Kanalbau sind deutliche Zeichen dafür, dass dieser
Abt bewusst nach Kriterien der Effizienz und Wirtschaftlichkeit dachte.
697 Dies trifft aber nur auf den Abbatiat Lamberts zu. Bei der Darstellung der Abbatiate Johannes’ II. und
Leonius’ geht Simon wieder dazu über, die Urkunden und Papstprivilegien in den Text einzustreuen.
In Buch II: je eine Urkunde Bischof Simons von Tournai und Graf Karls des Guten aus dem Jahr 1125
(B. Guerard, Cartulaire, S. 295-296); in Buch III: eine Urkunde von Papst Innozenz II. (1139) (Ders.,
S. 310-313), ein Brief desselben Papstes an den Bischof und Archidiakon von Therouanne (1139) (Ders.,
S. 313-314), eine Urkunde Papst Cölestins II. (1144) (Ders., S. 314-318), eine Urkunde von Bischof Al-
visus von Arras (1131) (Ders., S. 318), eine Urkunde Papst Luzius’ II. (1144) (Ders., S. 319-320) und eine
Urkunde Papst Eugens III. (1145) (Ders., S. 320-321). Die Papstprivilegien des dritten Buches werden
wie in einer Art Chartular aufgelistet, allerdings fügt Simon immer wieder kleinere narrative Passagen
ein.
698 Die Erklärung der Gliederung und des Aufbaus des zweiten Buches ist ein Charakteristikum Simons,
der seinen Leser immer wieder an die Hand nimmt, seine Exkurse erklärt und entschuldigt. Es gibt also
kein Anlass zu der Annahme, der spätere Kompilator habe hier in Simons Werk eingegriffen. Simon
erklärt sein Ordnungsmuster selbst: Simon, Gesta, II, c. 7, S. 645: »Ab exterioribus igitur incipientes,
ad interiora usque ad nostros descendamus; a quibus herum exeuntes, ad corrigenda aliorum coenobia