168 | I. Die Abtei von Saint-Bertin
aus diesem Ort eine freie Zelle von Saint-Bertin gemacht, wofür ihm Idesbald mit
weiteren Landschenkungen dankte.738
Dieses Beispiel zeigt, dass die Usurpation von Klostergut auch durchaus be-
rechnet sein konnte und instrumentalisiert wurde. Der Urkunde kann man ent-
nehmen, dass Idesbald den großen Wunsch hegte, eine Art Priorat an dem Ort
zu gründen, an dem einige seiner Familienmitglieder begraben lagen.739 Er wandte
sich daher vorsätzlich gegen die zuvor aufgesetzten Bestimmungen und erreichte
mit seiner Exkommunikation, dass Abt und Mönche die Schenkung letztlich bestä-
tigten. Durch eine bewusste Provokation, nämlich die Usurpation des kurz zuvor
geschenkten Landes, gelang es ihm also, den offensichtlich noch nicht vollständig
von seinem Projekt überzeugten Abt für seine Sache zu gewinnen und einen Teil der
Schenkung für die eigene Mönchsgemeinschaft zu sichern. Die Bitten des Bischofs
und eine weitere Stiftung seitens Idesbalds taten das Ihrige dazu. Dieser Fall zeigt
zum einen, wie strikt die Gemeinschaft von Saint-Bertin gegen die Usurpation von
Klostergut vorging.740 Zum anderen wird in diesem Beispiel aber auch deutlich, wie
sich der Stifter und spätere Usurpator das Verhalten der Brüder zur Durchsetzung
seiner persönlichen Interessen zu Eigen machte. Idesbald war mit seiner Taktik
letztlich erfolgreich.
Das letzte Beispiel handelt von einem Vogt des Klosters und datiert in die Zeit weit
vor Abt Lambert.741 Dennoch war dieser Fall, den Simon bewusst in sein erstes
Buch der Gesta aufgenommen hatte, durchaus aktuell für das Kloster. Besonders
deutlich wird dies, wenn Simon einleitend bemerkt, dass das Amt des Vogtes eigent-
lich dazu dienen sollte, den klösterlichen Besitz und ihre Güter vor den Übergriffen
schlechter Menschen zu schützen. Im Gegenteil dazu werden sie durch Habgier
davon abgelenkt, die Kirche zu beschützen, so dass sie für das Kloster eher eine
738 B. Guerard, Cartulaire, S. 233: »Et illo rursus id postulante, ab abbate, cum fratribus, facta excommu-
nicatione, idem confirmatum est. Abbas vero, precibus tarn viri quam nostris acquiescens, locum in
gubernatione accepit, ita ut de his que jam ibi collata sunt aut in posterum ex devotione fidelium confe-
renda, tarn in terris quam in aliis rebus, nulli abbatum aut alicui persone facultas sit aliquid inde auferre,
imminuere aut fraudare. [...] Preterea dedit idem vir tantum terre sue prefato abbati que reddet singulis
annis tres firtones argenti; et abbas, ex sua benevolentia, concessit priori et fratribus ibi servientibus al-
taris portiones cum decimis minutis: ita videlicet quod messium et agnorum, qui ex decima obvenerint,
duas partes habebit abbas, terciam partem et cetera omnia que ad altare pertinent fratres habebunt. Est
itaque locus iste cella sancti Bertini libera, ut supradixavimus, per omnia in abbatis pendens providentia.«
739 Die Gründung von Prioraten und Familiengrablegen ist Teil der imitatio comitis-, vgl. E Mazel, Mona-
chisme et aristocratie, S. 53-59, 74.
740 Zum z.T. äußerst aggressiven Vorgehen der Mönche gegen Usurpatoren von Klosterbesitz vgl. S. Van-
derputten, A Compromised Inheritance, S. 235, 246.
741 Zu den Vögten von Saint-Bertin vgl. P. Feuchere, Les avoues de Saint-Bertin.
aus diesem Ort eine freie Zelle von Saint-Bertin gemacht, wofür ihm Idesbald mit
weiteren Landschenkungen dankte.738
Dieses Beispiel zeigt, dass die Usurpation von Klostergut auch durchaus be-
rechnet sein konnte und instrumentalisiert wurde. Der Urkunde kann man ent-
nehmen, dass Idesbald den großen Wunsch hegte, eine Art Priorat an dem Ort
zu gründen, an dem einige seiner Familienmitglieder begraben lagen.739 Er wandte
sich daher vorsätzlich gegen die zuvor aufgesetzten Bestimmungen und erreichte
mit seiner Exkommunikation, dass Abt und Mönche die Schenkung letztlich bestä-
tigten. Durch eine bewusste Provokation, nämlich die Usurpation des kurz zuvor
geschenkten Landes, gelang es ihm also, den offensichtlich noch nicht vollständig
von seinem Projekt überzeugten Abt für seine Sache zu gewinnen und einen Teil der
Schenkung für die eigene Mönchsgemeinschaft zu sichern. Die Bitten des Bischofs
und eine weitere Stiftung seitens Idesbalds taten das Ihrige dazu. Dieser Fall zeigt
zum einen, wie strikt die Gemeinschaft von Saint-Bertin gegen die Usurpation von
Klostergut vorging.740 Zum anderen wird in diesem Beispiel aber auch deutlich, wie
sich der Stifter und spätere Usurpator das Verhalten der Brüder zur Durchsetzung
seiner persönlichen Interessen zu Eigen machte. Idesbald war mit seiner Taktik
letztlich erfolgreich.
Das letzte Beispiel handelt von einem Vogt des Klosters und datiert in die Zeit weit
vor Abt Lambert.741 Dennoch war dieser Fall, den Simon bewusst in sein erstes
Buch der Gesta aufgenommen hatte, durchaus aktuell für das Kloster. Besonders
deutlich wird dies, wenn Simon einleitend bemerkt, dass das Amt des Vogtes eigent-
lich dazu dienen sollte, den klösterlichen Besitz und ihre Güter vor den Übergriffen
schlechter Menschen zu schützen. Im Gegenteil dazu werden sie durch Habgier
davon abgelenkt, die Kirche zu beschützen, so dass sie für das Kloster eher eine
738 B. Guerard, Cartulaire, S. 233: »Et illo rursus id postulante, ab abbate, cum fratribus, facta excommu-
nicatione, idem confirmatum est. Abbas vero, precibus tarn viri quam nostris acquiescens, locum in
gubernatione accepit, ita ut de his que jam ibi collata sunt aut in posterum ex devotione fidelium confe-
renda, tarn in terris quam in aliis rebus, nulli abbatum aut alicui persone facultas sit aliquid inde auferre,
imminuere aut fraudare. [...] Preterea dedit idem vir tantum terre sue prefato abbati que reddet singulis
annis tres firtones argenti; et abbas, ex sua benevolentia, concessit priori et fratribus ibi servientibus al-
taris portiones cum decimis minutis: ita videlicet quod messium et agnorum, qui ex decima obvenerint,
duas partes habebit abbas, terciam partem et cetera omnia que ad altare pertinent fratres habebunt. Est
itaque locus iste cella sancti Bertini libera, ut supradixavimus, per omnia in abbatis pendens providentia.«
739 Die Gründung von Prioraten und Familiengrablegen ist Teil der imitatio comitis-, vgl. E Mazel, Mona-
chisme et aristocratie, S. 53-59, 74.
740 Zum z.T. äußerst aggressiven Vorgehen der Mönche gegen Usurpatoren von Klosterbesitz vgl. S. Van-
derputten, A Compromised Inheritance, S. 235, 246.
741 Zu den Vögten von Saint-Bertin vgl. P. Feuchere, Les avoues de Saint-Bertin.