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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Editor]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0177
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3. Die Veränderungen durch die correctio | 173

Praktiken ist somit nicht zwangsläufig ein Beleg dafür, dass die Lebensweise von
Cluny in einer Gemeinschaft zur Umsetzung gekommen war.
In manchen Urkunden wird die Armenfürsorge explizit als Verwendungszweck
genannt. Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang die Schenkung eines
Altares durch Bischof Robert von Arras aus dem Jahr 1123. Darin bemerkt Robert,
dass er der Bitte Abt Lamberts gerne nachkomme, weil er sicher sei, dass die von
diesem Altar eingenommenen Opfergaben der Gläubigen nicht in den Besitz der
Mönche fließen und für den schlechten weltlichen Gebrauch verwendet werden.
Stattdessen dienten sie dazu, Gäste aufzunehmen, Arme zu speisen und die Be-
diensteten des Klosters zu bezahlen. Für den Unterhalt der Mönche stiftet er vier
weitere Altäre.763
Auch eine Urkunde der Gräfin Ida von Boulogne von 1098 präzisiert, dass ihre
Schenkung als Almosen für die Armen zu dienen habe.764 1122 bestätigt Eustachius
von Boulogne, dass das Land von De Merk, dessen Einkünfte ebenfalls Almosen
für die Armen waren, frei sei.765 Diese Beispiele zeigen, dass die Armenfürsorge in
Saint-Bertin ein bedeutender Pfeiler des religiösen Lebens war und gezielt von den
Großen unterstützt und gefördert wurde. Zudem macht vor allem die Urkunde Bi-
schof Roberts von Arras deutlich, dass Stiftungen nicht zwangsläufig dem Abt oder
den Brüdern zuflossen, sondern auch gezielt für andere Belange - wie zum Beispiel
für die Armenspeisung - getätigt werden konnten.766
Wendet man den Blick nun aber den Urkunden vor 1100 zu, also jener Zeit
vor der correctio durch Cluny, wird schnell klar, dass die Situation während des
11. Jahrhunderts kaum verschieden war: Bei Daniel (J’Haignere finden sich sechs

763 B. Guerard, Cartulaire, S. 226-227: »[...] Unde, frater venerande abba Lamberte, cum a vestra dilec-
tione rogarer quatinus aliquot altaria de nostra diocesi monasterio vestro conferrem, que fratrum ibidem
Deo sanctisque ejus Bertino, Audomaro, Folquino, Silvino servientium usibus proficerent, amore duc-
tus vestre vestrorumque filiorum religionis, petitionem vestram eo citius eoque libentius exaudiendam
judicavi, quanto clarius constat quoniam ea que fidelium oblatione ecclesie vestre collata sunt, non in
proprietates monacorum, non in turpes usus secularium misera vanitate consumuntur, sed hospitum
susceptioni, pauperum recreationi, sufficienti domesticorum administrationi, honesta et rationali largi-
tate dispensantur.« VgL dazu auch E de Simpel, Jean Ier, S. 25-56; J. M. Duvosquel, Une fondation de
l’eveque de Therouanne, S. 25-40.
764 B. Guerard, Cartulaire, S. 228: »[...] ad elemosinam pauperum, tradiderunt, domno Lamberto, abbati de
cenobio ejusdem Christi confessoris Bertini, et fratribus ibidem Deo servientibus, perpetuo possidendas
concesserunt.«
765 B. Guerard, Cartulaire, S. 229: »[...] terram quam beatus Bertinus infra ministerium de Merk possidet,
videlicet que ad elemosinam pauperum pertinet, a comitatu et omnimoda consuetudine, neconon ab
omni prorsus exactione, liberam fecerim [...].«
766 Bereits unter Abt Hilduin (866 - 877) wurde die mensa conventualis geteilt, um den Unterhalt der Die-
ner zu gewähren; siehe dazu oben S. 92. Es besteht die Möglichkeit, dass diese Güter nun wieder eine
Rolle spielten.
 
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