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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0182
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178 | I. Die Abtei von Saint-Bertin

Gemeinschaften zur correctio zu zwingen, sah er darin doch den Ausdruck des
göttlichen Willens.
4.1.1. Saint-Sylvain in Auchy-Ies-Moines
Das erste Kloster, das einer correctio unterzogen wurde, war Auchy-Ies-Moines,
eine kleine dem heiligen Silvanus geweihte Abtei in der Grafschaft von Hesdin,
die 1072 durch Graf Ingelran wiederbegründet worden und von Beginn an eng mit
Sithiu verbunden war.778 Simon betont diesbezüglich, dass die Gemeinschaft von
Sithiu seit altersher das Recht besessen habe, den dortigen Abt einzusetzen, was
durch den Papst bestätigt worden sei.779
Als 1101 Abt Norbert gestorben war, habe Lambert, wie bereits gezeigt wur-
de, den Cluniazenser Odo zum dortigen Abt ernannt.780 Odo habe zunächst viele
Feindseligkeiten der Mönche ertragen müssen, die Simon als adversarii sacrae reli-
gionis bezeichnet. Diese konnten sich offenbar nicht im Kloster halten und flohen.
Obgleich Simon über die Gründe für diese Flucht schweigt, ist es naheliegend, dass
Odo wohl Unterstützung von außen erhalten hatte. Wenig später seien dann got-
tesfürchtige Männer in Auchy-Ies-Moines eingetreten und in den nun folgenden
zwanzig Jahren habe Odo das Kloster secundum regulärem normam und in Hin-
blick auf den äußerlichen Wohlstand äußerst ehrenvoll geleitet.781
Die hier beschriebenen Ereignisse ähneln in auffallender Weise jenen, über die
Simon kurz zuvor für Sithiu berichtet. Dem tumultartigen Widerstand gegen die
correctio folgten personelle Veränderungen in Form von Flucht der Unbeugsamen
und Eintritt der Gottesfürchtigen.782 Die konkreten Veränderungen der Lebens-
weise in Auchy-Ies-Moines scheinen für Simon dagegen nicht erinnerungswürdig
gewesen zu sein. Er begnügt sich damit, von der regularis norma und der exte-
rior abundantia zu sprechen. Während letztere eindeutig mit dem wirtschaftlichen
778 Vgl. zur Geschichte der Abtei Saint-Sylvain in Auchy-Ies-Moines S. Vanderputten, Crisis of Cenobi-
tism, S. 264-267 mit weiterführender Literatur.
779 Simon, Gesta, II, c. 71, S. 649: »Cui cenobio cum pastorem providere debeat Sithiensis congregatio tarn
ex apostolica sanctione quam ex priscorum institutione [...].« S. Vanderputten, Crisis o Cenobitism,
S. 265 weist darauf hin, dass die Gemeinschaft anfangs wohl vorwiegend aus Mönchen aus Saint-Bertin
bestand und dass die ersten Abte allesamt die Profess in Sithiu abgelegt hatten; zur päpstlichen Urkunde
von 1107 vgl. B. Guerard, Cartulaire, S. 217-220 und D. d’Haignere, Les chartes de Saint-Bertin, Bd. 1,
D 109, S. 42.
780 Simon, Gesta, II, c. 71, S. 649-650; siehe dazu oben S. 112.
781 Simon, Gesta, II, c. 71, S. 650: »Ubi mox cum multa sit perpessus adversa ab adversariis sacrae religionis,
illis fugientibus, viri timorati ad conversionem venerunt; per quos abbas idem coenobium fere per viginti
annos et secundum regulärem normam et secundum exteriorem abundantiam honestissime gubernavit.«
782 Zum vergleichbaren Fall in Saint-Bertin: Simon, Gesta, II, c. 67, S. 649.
 
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