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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0203
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4. Simons Gesta abbatum als Überrest der correctio | 199

Das Beispiel Heriberts zielt freilich darauf ab, das Ideal der Keuschheit wie-
der in Erinnerung zu rufen. Die Bemerkung, Heribert sei nicht nur ein besonders
treuer und besorgter Verwalter gewesen, sondern auch ein Liebhaber der heiligen
Keuschheit, impliziert, dass dies nicht der Normalfall war. Aus Simons Äußerungen
kann man schließen, dass nach seiner Vorstellung eine gute Klosterverwaltung oft
genug mit einem eher weltlichen Lebenswandel einherging, was nicht zuletzt durch
den intensiven Kontakt mit der Außenwelt erklärt werden kann. Als Mönch und
Abt habe sich Heribert nun aber ganz dem monastischen Ideal der fleischlichen
Enthaltsamkeit hingegeben. Mit diesem Beispiel wandte sich Simon nicht nur an
die Äbte von Sithiu, sondern auch an alle Mönche und ermahnte sie zur Keuschheit
und Abkehr von der Welt.853
Über Heribert weiß Simon zudem eine Geschichte zu berichten, die sich noch
während seiner Zeit als Mönch und Verwalter der temporalia zugetragen hatte. Da-
mals habe der Dienstmann eines Großen namens Bodora als Vogt über das zu Saint-
Bertin gehörende Dorf von Calmunth große Ungerechtigkeiten begangen.854 Heri-
bert habe sich daher klagend an seinen Abt gewandt. Als daraufhin die Verbrechen
des Bodora öffentlich gemacht wurden, sei dieser geflohen, als hätte er sich gefürch-
tet; doch im Geheimen habe er hinterlistig seine Machenschaften vorbereitet. Als
er schließlich auch von seinem Herrn zurechtgewiesen wurde, habe er aufgehört,
die Bauern zu knechten, nun aber begonnen, die klostereigenen Rinder zu seinem
Dienst heranzuziehen. Als Heribert dies sah, sei er zornig geworden. Doch Bodora
habe ihm geantwortet, dass er auch den heiligen Bertinus unter sein Joch spannen
würde, wäre er ein Rind. Dieser frevelhafte Ausspruch sollte nicht ungestraft blei-
ben; Bodora wurde sogleich von schwerer Krankheit geschlagen. Heribert besuchte
den Kranken und wollte von ihm wissen, ob er nun umdenken und sein vorheriges
Leben von Grund auf verbessern wolle. Bodora stimmte Heribert zu und wurde
auf wundersame Weise wieder gesund. Doch seine Umkehr war nur vorgetäuscht,
denn schon bald kehrte er zu seinen alten Übeltaten zurück. Gott strafte ihn hierauf
erneut mit einer Krankheit. Wie zuvor beteuerte er nun, dass er gewiss von seinen
Untaten ablassen werde, doch noch am selben Tag starb er.855
853 Das Beispiel Heriberts und der Hörigen des Klosters erinnert zugleich an die mangelnde Abkehr von
der Welt und die Nichtbeachtung der Klausur, schließlich war es einer Frau gelungen, in das Kloster zu
gelangen.
854 Diese Geschichte wird unter einem anderen Blickwinkel diskutiert von S. Vanderputten, Monks,
Knights, and the Enactment, S. 598-599.
855 Simon, Gesta, I, c. 19, S. 640: »Quidam Bodora nomine subministerialem agebat causam cuiusdam
maioris prediti potestate advocationemque sibi vindicantis villae proprii iuris Sancti Bertini Calmunth
nomine. Hic, quia una et timeri et placere desiderabat, nimium nimiumque vicicolas labore usque impen-
se acto premebat. Verum pro causa huius moliminis et pro tantae controversia iniustitiae supranomina-
tus pater Heribertus, precepto venerandae memoriae abbatis Bovonis agens curam ipsius villae, curavit
 
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