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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0217
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4. Simons Gesta abbatum als Überrest der correctio | 213

lange Zeit nicht beigelegt werden konnte, was vor allem im Zusammenhang mit der
Abtswahl besonders deutlich wird. Für Simon waren es in erster Linie die Clunia-
zenser, die in dieser Situation im Interesse ihres Mutterhauses agierten und letztlich
für erneute Konflikte und Unruhen im Kloster sorgten.
Neben Cluny und dem Grafenhaus tritt aber schließlich eine dritte Größe jen-
seits der Klostermauern auf den Plan: das Papsttum. Der Appell an den Papst scheint
in Lamberts Situation die einzige Möglichkeit gewesen zu sein, eine Bestätigung der
Freiheit seines Klosters zu erhalten.897 Die Berichte über die zahllosen Reisen der
nachfolgenden Äbte und ihre Erfolge oder Misserfolge führen dem Leser letztlich
vor Augen, wie unsicher ein solches Unternehmen sein konnte, da sein Erfolg von
den unterschiedlichsten Faktoren abhängig war.898 Das Beispiel Abt Johannes’ II.
veranschaulicht dies am deutlichsten: Er setzte im Anaklet-Schisma auf den falschen
Papst, verlor damit nicht nur die Freiheit seiner Abtei, sondern letztlich auch sein
Amt.899
Die genaue Nennung der Akteure und die Analyse ihrer Handlungsweisen
dokumentieren zum einen die unterschiedlichen Strategien, die der Abt zur Lö-
sung des Großkonfliktes mit Cluny verfolgte.900 Sie zeigen zum anderen aber auch,
welche fatalen Folgen sie insbesondere für das monastische Leben in der Gemein-
schaft haben konnten. Aus dem ursprünglich frommen Werk Lamberts erwuchsen
schließlich Streit und Zwietracht, die, wie Simon bemerkt, alle guten Dinge zerstör-
ten. Die Gesta abbatum gleichen somit einem Appell, sich auf das ursprüngliche
Ideal der Weltflucht zurückzubesinnen und auf die Hilfe Gottes zu vertrauen.901
Das zweite Buch der Gesta zielte somit ebenfalls auf eine innere correctio der Brü-
der ab. Wenngleich für die Zeit der 1140er Jahre weder in der mittelalterlichen noch
in der modernen Historiographie die Rede von einer correctio oder »Reform« ist,
wird aus Simons Bericht deutlich, dass die Gemeinschaft mit der Wiedererlangung
ihrer Freiheit eine schwere institutionelle Krise äußerlich überwunden hatte. Dies
gilt aber nicht für den spirituellen Bereich: Simons zweites Buch ist somit ein wich-
tiger Beitrag zur inneren Erbauung der Brüder.
897 Zu diesem Phänomen der Konfliktführung vgl. S. Patzold, Monastische Konflikte als geregelte Spiele?
898 Auch bei der Bestätigung der Freiheit durch Papst Paschalis II. wird betont, dass zu diesem Zeitpunkt
Pontius in Ungnade gefallen war, und es somit für Lambert ein leichtes Spiel war, ein Privileg zu Un-
gunsten Clunys zu erzielen.
899 Simon, Gesta, II, c. 127, S. 660; c. 132, S. 661.
900 S. Patzold, Monastische Konflikte als geregelte Spiele? weist auf die Bedeutung des Papsttums bei der
Beilegung von Konflikten hin.
901 Diese Sichtweise vertritt Simon im ersten Buch seiner Gesta, als er auf Abt Johannes I. zu sprechen
kommt, den er durchweg positiv bewertet. Johannes zeigte durchaus den Willen zur Veränderung, schei-
terte aber am Widerstand der Mönche. Doch statt mit Gewalt vorzugehen, habe er auf Gott vertraut, der
die Mönche durch den Brand des Klosters strafte; siehe dazu oben S. 201-205. Vgl. zudem H. Sellner,
La reforme dite-clunisienne.
 
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