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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0221
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5. Die correctio von Saint-Bertin: Folgerungen | 217

die Befolgung bestimmter Gewohnheiten: Für das soziale Umfeld des Klosters, auf
dessen Unterstützung die Mönche angewiesen waren, handelte es sich um Ideale,
die für jedermann sichtbar waren und auch von Laien, die keine Spezialisiten des
klösterlichen Alltags waren, als Inbegriff der Frömmigkeit angesehen wurden.
Das Beispiel der Abtei von Saint-Bertin erlaubt es schließlich der Frage nach
einer von diesem Kloster ausgehenden »Reformbewegung« nachzugehen. Diese in
der Forschung verbreitete Vorstellung lässt sich in ihrem Kern auf das zweite Buch
von Simons Gesta abbatum zurückführen, in dem eine ganze Reihe von Klöstern
aufgeführt wird, deren correctio von Mönchen aus Saint-Bertin angestoßen wurde.
Zunächts ist festzuhalten, dass Simons Darstellung in meherlei Hinsicht äußerst
selektiv ist: zum einen, weil er nur eine kleine Auswahl von Klöstern nennt. Da-
bei handelte es sich vor allem um große und bedeutende Abteien; eine Beteiligung
an ihrer correctio war besonders erinnerungswürdig, da dadurch das Ansehen der
eigenen Gemeinschaft noch zunahm; zum andern, weil Simon den Fokus in erster
Linie auf die innere correctio der Gemeinschaft legte. Hierbei sprach er zudem den
Mönchen aus Sithiu eine zentrale Rolle zu, obgleich zum Teil auch andere Mön-
che an der correctio beteiligt waren. Nur in wenigen Fällen lässt er durchscheinen,
dass die correctiones der Gemeinschaften auch auf eine Verbesserung der Bezie-
hungen mit dem sozialen Umfeld abzielten. Das Beispiel Simons zeigt somit, wie
stark die Vorstellung einer von Saint-Bertin ausgehenden »Reformbewegung« von
der Perspektive der Quellen abhängt. Das Beispiel von Sint-Pieters in Gent, dessen
correctio den entscheidenden Impuls von Saint-Bertin aus erhalten und in der Fol-
ge den ordo cluniacensis in weitere Gemeinschaften getragen haben soll, greift auf
den ersten Blick das klassische Modell der Filiation auf. Bedenkt man allerdings,
dass Simons Text in den 1140er Jahren verfasst wurde, das heißt in einer Zeit, als
das Filiationsmodell der Orden bereits etabliert und unter den Zeitgenossen auch
durchaus bekannt war, erklärt sich auch diese Art der Darstellung.902

902 In Flandern war das Filiationsmodell vor allem ab den 1130er Jahren durch die Generalkapitel in seinen
Ansätzen bekannt. Siehe dazu oben S. 30-35.
 
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