2. Die correctio von Marchiennes | 231
dieser Familie zum Abt von Marchiennes scheint Teil der Familienpolitik gewesen
zu sein.
Bereits im 11. Jahrhundert nahmen die Landas in der Gegend eine sehr mächtige
Stellung ein und pflegten Beziehungen zu den großen Klöstern.962 In Marchiennes
teilte sich diese Familie die Vogteirechte des Klosters zunächst mit einigen ande-
ren Familien, konnte diese aber nach und nach für sich allein beanspruchen.963 Mit
der Wahl Fulchards zum Abt von Marchiennes stieg der Einfluss auf das Kloster
freilich noch weiter an. Nach Vanderputten sei dies besonders wichtig gewesen,
da die Landas im Frühjahr 1103 die Kontrolle über die Abtei von Saint-Saulve im
Hennegau verloren hatten. Dieses Kloster, das Gerhard von Landas als Leihe von
der Familie der Chievres-Audenarde erhalten und selbst wiederum an einen kleinen
Adligen der Gegend ausgegeben hatte, wurde vom Grafen von Hennegau den Mön-
chen von Cluny zur correctio übergeben und damit mehr und mehr dem Einfluss
der Laien entzogen.964 Für die Landas scheint daher die Wahl eines neuen Abtes in
Marchiennes Ende des Jahres 1103 eine äußerst willkommene Gelegenheit gewesen
zu sein, die verlorengegangene Machtposition im Hennegau zu kompensieren.965
Die Wahl Fulchards zum Abt von Marchiennes könnte also in direktem Zusam-
menhang mit diesen Ereignissen stehen. Es gibt allerdings keine Anzeichen dafür,
dass diese Wahl in irgendeiner Weise unkanonisch verlaufen sein könnte. Dies lässt
sich daraus schließen, dass bei der späteren Absetzung Fulchards die Rechtmäßig-
keit seiner Wahl weder angezweifelt noch als Argument gegen ihn angeführt wur-
de.966 Die Abtsweihe empfing Fulchard von Bischof Lambert von Arras, nachdem
er seine Loyalität zuvor durch einen Eid bekräftigt hatte.967
962 So zum Beispiel zu Saint-Amand, das den Schutz und die Unterstützung der Landas genoss. S. Vander-
putten, Fulcard’s Pigsty, S. 98-99.
963 Der erste bekannte Vogt aus der Familie der Landas ist Stephan von Landas (1121/24 - 1154). Vgl. dazu
R. Naz, L’avouerie, S. 103.
964 Zur Schenkung der Abtei an Cluny vgl. Ch. Dereine, La donation par Baudouin III; S. Vanderputten,
Fulcard’s Pigsty, S. 101.
965 Vgl. dazu S. Vanderputten, Fulcard’s Pigsty, S. 100-101; Ch. Dereine, La donation par Baudouin III,
S. 128-129.
966 S. Vanderputten, Fulcard’s Pigsty, S. 101 hält es dennoch für möglich, dass Amaury II. bei der Abtswahl
Druck auf die Gemeinschaft ausübte.
967 Der Eidestext ist überliefert in den neuzeitlichen Handschriften Paris, BnF, ms. lat. 12827, fol. 123r-
123v und Cambrai, BM, ms. 841, S. 85-86. Neben Fulchard leisteten ihn auch Gelduin und Alvisus
von Anchin, Heinrich von Saint-Vaast und Richard vom Mont-Saint-Eloi. Während Gelduin bereits als
ordinatus bezeichnet wird, rangieren alle anderen als ordinandi. Zur Notwendigkeit dieser Eide in dem
noch jungen Bistum Arras vgl. L. Kery, Die Errichtung des Bistums Arras, S. 32; S. Vanderputten, Abba-
tial Obedience. Eine längere Version dieses Eides findet sich in einer Handschrift aus der Kathedrale von
Arras (zw. 1093-1115), Arras, BM, ms. 745. Dazu D. Reilly, The Art of Reform in Eleventh-Century,
S. 117-118.
dieser Familie zum Abt von Marchiennes scheint Teil der Familienpolitik gewesen
zu sein.
Bereits im 11. Jahrhundert nahmen die Landas in der Gegend eine sehr mächtige
Stellung ein und pflegten Beziehungen zu den großen Klöstern.962 In Marchiennes
teilte sich diese Familie die Vogteirechte des Klosters zunächst mit einigen ande-
ren Familien, konnte diese aber nach und nach für sich allein beanspruchen.963 Mit
der Wahl Fulchards zum Abt von Marchiennes stieg der Einfluss auf das Kloster
freilich noch weiter an. Nach Vanderputten sei dies besonders wichtig gewesen,
da die Landas im Frühjahr 1103 die Kontrolle über die Abtei von Saint-Saulve im
Hennegau verloren hatten. Dieses Kloster, das Gerhard von Landas als Leihe von
der Familie der Chievres-Audenarde erhalten und selbst wiederum an einen kleinen
Adligen der Gegend ausgegeben hatte, wurde vom Grafen von Hennegau den Mön-
chen von Cluny zur correctio übergeben und damit mehr und mehr dem Einfluss
der Laien entzogen.964 Für die Landas scheint daher die Wahl eines neuen Abtes in
Marchiennes Ende des Jahres 1103 eine äußerst willkommene Gelegenheit gewesen
zu sein, die verlorengegangene Machtposition im Hennegau zu kompensieren.965
Die Wahl Fulchards zum Abt von Marchiennes könnte also in direktem Zusam-
menhang mit diesen Ereignissen stehen. Es gibt allerdings keine Anzeichen dafür,
dass diese Wahl in irgendeiner Weise unkanonisch verlaufen sein könnte. Dies lässt
sich daraus schließen, dass bei der späteren Absetzung Fulchards die Rechtmäßig-
keit seiner Wahl weder angezweifelt noch als Argument gegen ihn angeführt wur-
de.966 Die Abtsweihe empfing Fulchard von Bischof Lambert von Arras, nachdem
er seine Loyalität zuvor durch einen Eid bekräftigt hatte.967
962 So zum Beispiel zu Saint-Amand, das den Schutz und die Unterstützung der Landas genoss. S. Vander-
putten, Fulcard’s Pigsty, S. 98-99.
963 Der erste bekannte Vogt aus der Familie der Landas ist Stephan von Landas (1121/24 - 1154). Vgl. dazu
R. Naz, L’avouerie, S. 103.
964 Zur Schenkung der Abtei an Cluny vgl. Ch. Dereine, La donation par Baudouin III; S. Vanderputten,
Fulcard’s Pigsty, S. 101.
965 Vgl. dazu S. Vanderputten, Fulcard’s Pigsty, S. 100-101; Ch. Dereine, La donation par Baudouin III,
S. 128-129.
966 S. Vanderputten, Fulcard’s Pigsty, S. 101 hält es dennoch für möglich, dass Amaury II. bei der Abtswahl
Druck auf die Gemeinschaft ausübte.
967 Der Eidestext ist überliefert in den neuzeitlichen Handschriften Paris, BnF, ms. lat. 12827, fol. 123r-
123v und Cambrai, BM, ms. 841, S. 85-86. Neben Fulchard leisteten ihn auch Gelduin und Alvisus
von Anchin, Heinrich von Saint-Vaast und Richard vom Mont-Saint-Eloi. Während Gelduin bereits als
ordinatus bezeichnet wird, rangieren alle anderen als ordinandi. Zur Notwendigkeit dieser Eide in dem
noch jungen Bistum Arras vgl. L. Kery, Die Errichtung des Bistums Arras, S. 32; S. Vanderputten, Abba-
tial Obedience. Eine längere Version dieses Eides findet sich in einer Handschrift aus der Kathedrale von
Arras (zw. 1093-1115), Arras, BM, ms. 745. Dazu D. Reilly, The Art of Reform in Eleventh-Century,
S. 117-118.